Seite:Die Gartenlaube (1884) 610.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

mit gewohntem Geschick die Lösung der Frage in seine Hand nahm. Wie überraschend klangen für die am heimischen Herde im Schatten der Buchen und Linden weilenden Deutschen jene Nachrichten, die vor Kurzem der elektrische Funke von den Palmenküsten Afrikas über deutsche Gaue verbreitete, die Nachrichten, daß hier Land von Deutschen mit allen Hoheitsrechten erworben und unter den Schutz des Reiches gestellt wurde, daß dort wieder von einem deutschen Gelehrten auf fernen Handelsfactoreien die Reichsflagge aufgehißt und von den Geschützen eines deutschen Kriegsschiffes mit donnernden Salven begrüßt wurde!

Kru-Neger.

Wie konnte das so schnell, fast über Nacht kommen? Ja, schaut nur auf die Karte, zählt die deutschen Factoreien zusammen, sie sind wahrlich nicht heute und gestern entstanden. Jahrzehnte langes Wirken und Ringen hat sie gezeugt, ohne welche die neuesten Erwerbungen des Reiches unmöglich, nutz- und werthlos wären.

Und es ist ein gutes Zeichen, daß es so und nicht anders gekommen ist, denn die ersten Schritte unserer Colonialpolitik bewegen sich jetzt auf festem Grund und Boden, den ihr die Thatkraft deutscher Kaufleute geebnet. und wenn aus ihr einst Segen für unser Volk sprießen wird, so haben in erster Linie die Schiffsherren von Hamburg und Bremen sich den Dank des Vaterlandes verdient. –

Kru-Neger.

Von allen den Orten, welche jüngst unter den Schutz des Reiches gestellt wurden, nehmen zwei Gebiete die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch: das um die Bucht von Angra Pequena gelegene Lüderitz-Land und das Gebiet von Kamerun. Als die Kunde von der Erwerbung des ersteren zu uns drang, wußte man bereits in maßgebenden Kreisen, daß sich an diese Erwerbungen weitere friedliche Eroberungen knüpfen würden, und wir zögerten darum mit der Veröffentlichung eines Artikels über Angra Pequena, der für sich allein ein getreues Bild der deutschen Colonial-Unternehmungen an der afrikanischen Westküste nicht bieten konnte. Wenn auch jetzt noch der Telegraph jeden Tag neue überraschende Nachrichten bringen kann, die vielleicht, bevor diese Zeilen gedruckt werden, zur allgemeinen Kenntniß gelangen, so ist es doch möglich, durch eine neben einander gestellte Schilderung von Kamerun und Angra Pequena die verschiedenen Richtungen unserer Colonialpolitik zu beleuchten, irrige Meinungen zu widerlegen und vor überschwenglichen Hoffnungen zu warnen.


Kamerun.
Mit Illustrationen nach Originalphotographien im Besitze von C. Woermann in Hamburg.

„Es ist unbestritten der schönste Punkt an der Westküste von Afrika, eine der großartigsten Landschaften, die ich je gesehen,“ mit diesen Worten begann uns ein Afrikareisender die Einfahrt in die Mündung des Kamerunflusses zu schildern. „Auf der einen Seite ragt der hohe Gipfel von Fernando Po in die Höhe und ihm gegenüber steigt fast unmittelbar aus dem Meere das Gebirge von Kamerun, gekrönt von dem 4200 Meter hohen ‚Götterberge‘ der Eingeborenen, gekleidet in einen grünen Mantel üppigster Waldvegetation. Einst hatten hier vulcanische Mächte wild gehaust, Berge zerklüftet und Länder zerrissen; dann kam die lebenskräftige Flora der Tropen und deckte die Spuren des Kampfes der Elemente mit ihrem ewiggrünen Schleier; so schuf hier die Natur ein Bild reich an Abwechselung, großartig und anmuthig zugleich.“

Am Fuße dieser großartigen Gebirgswelt wälzt nun der Kamerunfluß, dessen nördlichster Arm Bimbia, dessen südlichster Arm Malimba heißt, seine Fluthen dem Atlantischen Ocean zu. Seine gewaltige Mündung, die aus vielen einzelnen Flußarmen besteht, deutet schon an, daß wir hier einem der Hauptflüsse Afrikas begegnen. Allmählich verengt sich sein Bett, aber so weit das Auge schaut, erblickt es nur das matte Grün der Mangrovewälder, welche die sumpfigen Ufer umrahmen und, aus der Ferne betrachtet, an unsere Weiden erinnern. Tiefe Stille herrscht in diesen Gewässern, nur selten kreuzt ein Negercanoe die Wasserbahn, von menschlichen Wohnungen ist keine Spur zu finden. Erst weiter hinauf, etwa vier Stunden von der Mündung des Flusses, tauchen die ersten Ansiedlungen der Menschen aus dem tropischen Grün der Ufer hervor.

Kru-Neger.

In dieses Land, welches von einem urwüchsigen Negerstamme, den Dualla, bewohnt wird, kamen im Jahre 1858 englische Baptisten-Missionäre, welche das in ewigen Fehden lebende Volk zu den milden Sitten des Christenthums bekehren wollten. Das waren die ersten Weißen, die hier festen Fuß gefaßt hatten und noch jetzt segensreich wirken. Englische Kaufleute von Bristol und Liverpool besuchten mit ihren Schiffen schon früher den Fluß. Einige Jahre später erschienen auf ihm deutsche Kaufleute und gründeten die ersten Factoreien.

Im Jahre 1862 beschloß nämlich die Firma C. Woermann in Hamburg, ein Schiff mit Waaren nach Kamerun und dem weiter südlich gelegenen französischen Gabun zu senden, um mit den Eingeborenen Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Anfangs gelang es ihr, nur in Gabun sich festzusetzen, und nach wenigen Jahren auch in Kamerun festen Fuß zu fassen.

Zu diesem Zwecke wurden von dem Hamburger Hause Segelschiffe mit europäischen Waaren beladen, welche dann in die afrikanischen Flußmündungen hineinfuhren und hier ihre Fracht gegen Producte jener Gegenden, gegen Elfenbein, Palmöl, Palmkerne u. s. w., umzutauschen suchten. Sobald das Schiff seine ursprüngliche Ladung veräußert hatte, segelte es mit der eingetauschten Fracht nach der Heimath zurück, um später in derselben Weise eine zweite Geschäftsreise zu unternehmen. Bald jedoch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 610. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_610.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)