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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

schweren Elfenbeinzahn vor, der seinen Werth behält und nicht davon läuft. Außer seinen Frauen hält sich der freie Neger Sclaven und Sclavinnen, die gleichfalls die Feldarbeit verrichten müssen. Er selbst vermiethet sich zu keinem schweren Dienst, und so sahen sich die Weißen von Anfang an genöthigt, sich von auswärts Arbeiter zu beschaffen. An das Heranziehen europäischer Kräfte war nicht zu denken, da das Klima an der Kamerunmündung ungesund, ja für weiße Arbeiter mörderisch zu nennen ist. Die Europäer können hier nur leichtere Arbeiten verrichten, sich als Geschäftsführer, Aufseher u. dergl. aufhalten. Dafür bilden die Kruneger, die in der freien Negerrepublik Liberia und bei Cap Palmas zu Hause sind, das beste Arbeitercontingent an der afrikanischen Westküste. Sie vermiethen sich in ganzen Trupps unter einem selbstgewählten Anführer, erhalten zu ihrer Ernährung ein Quantum Reis und einen Lohn voll etwa 30–40 Mark pro Monat, der ihnen nach Ablauf der contractlichen Dienstzeit in Gütern ausgezahlt wird. Haben sie genug Geld verdient, um eine Frau zu kaufen, so kehren sie in ihre Heimath zurück, um sich dort fest niederzulassen.

In diesem Lande und unter diesen Leuten wuchs nun die Hamburger Kamerun-Factorei zu ihrer heutigen Bedeutung empor, die Firma C. Woermann beschäftigt dort allein 12 weiße Angestellte und hat auch eine Zweigniederlassung an dem Bimbiafluß errichtet. In Kamerun selbst hat sich inzwischen auch eine zweite Hamburger Firma, Jantzen und Thormählen, etablirt (Herr Thormählen wirkte anfangs im Auftrage der Firma C. Woermann in Kamerun), und eine regelmäßige deutsche Dampfschifflinie, welche mindestens einmal im Monat Kamerun anläuft, vermittelt den Verkehr mit Hamburg.

König Aqua mit seinen Frauen.

Der vermehrte Zuzug der Weißen und die sich rasch verändernden socialen Verhältnisse der Negerbevölkerung brachten indessen Schwierigkeiten mit sich, welche für das gedeihliche Fortbestehen der Niederlassung gefahrdrohend wurden. Die Könige von Kamerun bekriegen unaufhörlich einander und verlieren dabei immer mehr an Ansehen bei ihren Unterthanen. Die Lage der Sclaven wurde unter dem Einfluß der europäischen Cultur mehr derjenigen der Leibeigenen ähnlich, und diese gelangten allmählich zu einem solchen Einfluß, daß sie gegenwärtig mehr ihren Königen befehlen, als diese ihnen gebieten. Es war daher nothwendig, in diesem Wirrwarr geordnete Verhältnisse zu schaffen, was die Factoreibesitzer nur mit Hülfe europäischer Kriegsschiffe und in Aussicht auf dauernden Schutz eines mächtigen europäischen Staates zu wagen vermochten. Es lag nahe, für Kamerun, das von den Deutschen erschlossen und zum größten Theil vom deutschen Handel beherrscht wird, den Schutz des Reiches anzurufen, der auch thatsächlich durch das Erscheinen der „Möve“ und das Aufhissen der deutschen Flagge durch Dr. Nachtigal gewährt wurde.

Wir betrachten von nun an Kamerun als deutsches Land, und da wird schon vielfach die Frage aufgeworfen, in welcher Weise es unserem Vaterlande nutzbar gemacht werden kann. Auf Grund zuverlässigster Nachrichten können wir darüber Folgendes mittheilen: An eine Auswanderung deutscher Ansiedler nach Kamerun und den benachbarten Ortschaften der Küste ist gar nicht zu denken. Das Klima an dem unteren Laufe des Flusses verbietet dringend, einen solchen Versuch nur zu wagen. Wohl können an den Abhängen des Kamerungebirges Plantagen angelegt werden, aber Europäer sind für die Arbeiten in denselben völlig untauglich, und auswanderungslustige Deutsche könnten dort nur als Aufseher und Geschäftsführer verwendet werden. Jedenfalls können nur Leute, die das nöthige Capital und die nöthige Erfahrung besitzen, dort den Versuch einer Plantagenanlage wagen. Es ist möglich, daß das Land am oberen Laufe des Flusses günstigere Verhältnisse bietet. Darüber aber kann heute Niemand ein Wort sagen, da das Innere des Kamerunlandes bis jetzt vollständig unbekannt ist. Außerdem aber wird es eine der vornehmsten Aufgaben Deutschlands sein, durch Missionen und Lehrer unter dem noch rohen Volke Christenthum, deutsche Sitte, deutsche Sprache und deutschen Einfluß zu verbreiten und dadurch das Negervolk physisch und moralisch zu heben. Aber selbst unter diesen Umständen können wir froh in die Zukunft blicken, denn das Schicksal jenes Landes ruht in guten Händen. Die erfahrenen Kaufleute, die dort den Grund zu den ersten deutschen Niederlassungen gelegt haben, sind der Aufgahe völlig gewachsen, die Cultivirung Afrikas in deutschem Interesse fortzusetzen.

Siegfried.

Factorei-Anlage in Kamerun, im Hintergrunde König-Aqua’s-Stadt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_613.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)