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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Angra Pequena.

Angra Pequena, die größte von den soeben erworbenen deutschen Besitzungen, steht zu Kamerun in schneidendem Contraste und zwar nicht nur in der Configuration ihres Bodens und ihrer Leistungsfähigkeit für den europäischen Handel, fügen wir gleich hinzu: für die deutsche Ansiedelung, sondern auch in ihren socialen und wirthschaftlichen Verhältnissen.

In Kamerun breitet sich hinter den mit grotesken Mangroven besäumten Ufern unmittelbar ein von tropischer Fruchtbarkeit strotzendes Land aus, fähig, eine Fülle werthvoller Producte zu erzeugen, solcher, wie sie heute die Pflanzungen Javas und der Antillen dem europäischen Markte zuführen.

Ganz anders im trockenen Süden. Hier rollt mit heftigem Schwalle der Atlantische Ocean ungehemmt über den mit Dünen bedeckten niedrigen Strand, die vereinte Schöpfung der Winde und Wellen, und nackte basaltische Felsen starren aus der sandigen Oede zum ewig wolkenlosen Himmel auf. Denn niemals benetzt wohlthätiger Regen diese ödeste der Küsten. Mögen auch die Segel des in Sicht vorübereilenden Schiffes von jäh herabstürzenden Gewitterschauern triefen, mag auch im Innern der Regen zu Zeiten wolkenbruchartig zur dürstenden Erde niederrauschen, an der ganzen Küste von der Mündung des Oranjeflusses bis nach Mossamedes hinauf regnet es niemals und hat es wohl auch schon seit langen Zeiträumen nicht geregnet. Das darf man aus dem ungestörten Lagern des auf den Küsteninseln aufgehäuften Guanos mit Bestimmtheit folgern. Aber je weiter man sich von der Küste landeinwärts entfernt, je höher man auf dem allmählichen Anstiege zum Hochlande vordringt, desto häufiger wird der Regen, bis man aus Strichen, die über einen ordentlichen Niederschlag für das Jahr nicht hinauskommen, in Gegenden gelangt, wo es fast sechs Monate hindurch alle Tage einmal regnet. Freilich herrscht dafür in der andern Hälfte des Jahres auch wieder ununterbrochene Dürre. So kommt es, daß kein Fluß, kein Bach das Meeresgestade erreicht, doch bezeichnen heute steinige, versandete Canäle den Weg, welchen unter einstmals günstigeren Verhältnissen die Wasser des Innern nach der Küste zu nahmen.

Allerdings haben wir hier keine Berge, die Wasseradern zu nähren. Nirgends erheben sich die auf das breite Tafelland aufgesetzten Kuppen zu bedeutender Höhe. Regellos brechen nackt und kahl öde Sandsteinklippen oder düstere Granitkegel durch das weite Hochland empor, das sich wie nach Westen so auch nach Osten mählich abdacht. Aber es weht eine gesunde Luft hier oben wie drunten am Dünengestade, auch ist es auf den hohen Ebenen oft kalt genug, so kalt, daß, wenn in heller Mondnacht die lange Reisekarawane von Wagen, Menschen, Schlachtvieh, Pferden, Eseln und Hunden sich über die mit blendendweißer, glitzernder Salzkruste bedeckten Flächen langsam hinbewegt, man meinen möchte, der Zug gehe über die schneeige Eisfläche eines unserer nordischen Seen, den dunkle Fichtenwaldungen umrahmen.

Und sicherlich waren die großen Ebenen, auf welchen jetzt parkartig verstreute Baumgruppen mit ungeselligen Grasbüscheln wechseln, einstmals große wasserreiche Landseen. Jetzt ist Alles in trauriges Braun gefärbte Oede, die nur in der Regenzeit sich mit einem farbigen Teppich der mannigfaltigsten Kräuter bekleidet.

Wo aber aus dem steilen Absturze des Plateaus zahlreiche Quellen hervorbrechen und zusammenfließend ihre Wasser über die tiefergelegenen Flächen verbreiten, entfaltet die Natur eine besondere Lieblichkeit. An den mächtigen, phantastisch geformten dunkelrothen Felsenmauern bilden sich im Schatten hoher Giraffenakazien tiefe Becken krystallhellen Wassers, umrankt von Farrnkräutern und anderen schönen Pflanzen. „So lustig hüpften die Bächlein über die Felsblöcke in’s Thal hinab,“ ruft der Reisende Hugo Hahn einmal aus, „und so heimisch, so deutsch rauschten sie uns an, daß man meinte, an einem lauschigen Plätzchen des Harzes oder des Schwarzwaldes zu sein!“ Schade nur, daß solche erquickende Oasen so gar selten sind.

Denn oasenartig ist der Charakter des ganzen wirklich fruchtbaren Landes. Darum ist auch Viehzucht die Hauptbeschäftigung der Bewohner dieser Gegend. Früher, als es hier noch von Wild aller Art wimmelte, war auch die Jagd recht lohnend. Große Heerden von Antilopen, Zebras, Giraffen, Rhinocerossen, Elephanten und Straußen waren überall anzutreffen, die letzten sogar im dem dürren Küstenstrich, da sie des Wassers anscheinend nahezu völlig entbehren können. Aber seitdem das Feuergewehr den Bogen ersetzt hat, sind die jagdbaren Thiere fast gänzlich ausgerottet. Freilich wurden mit ihnen auch die Feinde der Heerden vertrieben, nur der Schakal macht den Viehbesitzern immer noch zu schaffen. Die Tsetsefliege aber, die in anderen Theilen Afrikas die Aufzucht von Hausthieren zur Unmöglichkeit macht, ist hier gar nicht anzutreffen. Der Steppencharakter des Groß-Namaqua- wie des Damara-Landes aber sagt dem Rind nicht weniger zu als dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 614. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_614.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)