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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

No. 38.   1884.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


„Fanfaro.“

Novelle von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)


Als der Abend dämmerte, legte der Philosophenhain sein Festgewand an. In den Bosquets von blühendem Jasmin, unter den Akazien glühten Lampions auf, das Borkenhaus, in welchem die Restauration sich befand, wurde mit Reihen von brennenden Lämpchen illuminirt, ein Zelt für die Musik war aufgeschlagen und mit Fahnen in den Farben Deutschlands, Preußens und des Herzogthums geschmückt. Bald schmetterten die Trompeten den Einzug der Gäste aus dem „Tanhäuser“.

Eine gewählte Gesellschaft füllte allmählich die breiten Lindengänge und nahm Platz unter den Gruppen von Silberpappeln, Edeltannen und Rotheichen, auf deren verschieden gefärbten Blättern das Licht der Lampen spielte, die auf den Tischen brannten. Kellner eilten geschäftig hin und her und trugen Limonade und Eis für die Damen, das gesellschaftsfähig gewordene Bier für die Herren auf.

Der Oberst des Ulanenregiments, eine stramme Gestalt mit rundem rothen Gesichte und klugen, etwas zugekniffenen Augen, ließ einen Feldherrnblick in die Runde gehen. Am Eingange erschien soeben der jetzige Rector Magnificus, ein namhafter Jurist, der durch seine Reden im norddeutschen Parlamente und im Reichstage die Rechtsverhältnisse des neuen Reiches hatte ordnen helfen.

Zu gleicher Zeit schritten die beiden stattlichen Herren auf einander zu und tauschten Gruß und Händedruck wie die Repräsentanten zweier Mächte, die sich alle Rücksicht erweisen, aber kein Titelchen ihrer Rechte vergeben wollen.

Dann faßte der Oberst seine jungen Officiere scharf in’s Auge. Unter den Kastanien dicht neben der Restauration schaarten sie sich eben zusammen, die Mützen keck auf das rechte Ohr gedrückt, die Schnurrbärte in den sonnenverbrannten Gesichtern lang ausgezwirbelt, mit Wespentaillen und an den Stiefeln hohe Hacken.

Ihr ungenirtes Geplauder schallte zu ihm herüber. „Wer war denn die abenteuerliche Dame, die allein im Felde herumstrich und vor Bartenstein in den Kahn retirirte? Kronheim, Sie müssen es wissen; Sie haben es mit angesehen.“

Kronheim, der hübsche schwarzbärtige Officier, der dem Reiterstücke so aufmerksam zugeschaut hatte, antwortete: „Sie würden gut thun, nicht zu laut zu sprechen. Die Dame gehört einer alten Professorenfamilie an.“

„Ich danke. Also nicht die Heroine vom Sommertheater?“

„Bewahre; die spielt heute.“

„Wie lange dauert denn der Zauber hier?“

„Um elf Uhr liegt Alles in den Federn; dann können wir immer noch das Souper der Truppe in der Theatertaverne mitmachen.“

Schalen mit duftenden Walderdbeeren, die vorüber getragen wurden, gaben dem Gespräche eine andere Wendung. „Bowle machen!“ riefen die jungen Helden wie aus einem Munde. „Sect her!“

Der herantretende Oberst vereitelte den fröhlichen Plan. „Wollen Sie hier einen Stammtisch gründen, meine Herren?“ fragte er ironisch. „Dort in der Laube sitzen die jungen Damen. Also vorwärts! wenn Sie sich auch einmal langweilen. Dafür sind Sie Officiere; das gehört zu den Pflichten Ihres Standes.“

Stumm machten die Herren „links schwenkt“. Die Säbel hochgehakt, gingen sie vorsichtig wie auf Eiern dem befohlenen Ziele zu; denn Säbelrasseln und Sporenklirren ist nicht mehr guter Ton.

Der Oberst spähte in die Laube hinein, die von Jelänger-jelieber übersponnen war, um dessen süß duftende Blüthen große graue Nachtfalter surrten. Junge Mädchen in lichten Sommertoiletten plauderten darin mit Studenten, die durch ihre dreifarbigen Bänder als Angehörige vornehmer Corps bezeichnet wurden. Sein Töchterchen fehlte in der jungen Schaar.

Dort spazierte der blonde rosige Backfisch mit einer Busenfreundin gleichen Alters durch einen dämmerigen Seitengang, und des Vaters feines Ohr vernahm: „Er ist durch den Fluß gesprengt, natürlich auf dem ‚Sturmvogel‘, dem Goldfuchs; denn dieses Kraftstück hätte keines von seinen anderen Pferden durchsetzen können. Die feinen Kunststücke, zum Beispiel, daß er die Casinotreppe hinauf reitet, führt er mit dem Mohrenschimmel, dem ‚Koh-i-noor‘ auf. Was für schöne Namen haben seine Pferde! Denke Dir: Papas neuer Brauner heißt Pomuchelskopp. Wie furchtbar!“

„Elsa!“ ries der Oberst, und ein energischer Wink wies sie in den Kreis, in dem ihre Mama saß. Er kehrte ebenfalls an den großen Mitteltisch zurück, um den sich verheirathete Officiere und Professoren mit ihren Frauen reihten.

Hier hatte auch die Stiftsdame Melanie von Seebergen Platz genommen. Das große Stufenjahr für die Jugend der Frau, das dreißigste, lag schon einige Zeit hinter ihr. Doch war sie eine der seltenen Erscheinungen, von denen das Alter sich um so bescheidener fern hält, je freundlicher es gebeten wird, näher zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_621.jpg&oldid=- (Version vom 1.12.2022)