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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

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„Treten Sie vorsichtig hinunter und stehen Sie fest“ flüsterte der Graf ihm zu; er that’s, sein Fuß berührte Leitersprossen; der Führer hielt ihn, und dann stiegen sie Beide langsam in die Tiefe.

Dumpfe Kellerluft, wie sie nur unter der Erde herrscht, umfing sie, sie standen auf festem Boden, und der Graf löste seinem Begleiter die hüllende Kapuze.

Karl August sah sich in einer trüb beleuchteten Höhle, in der das braunrothe Licht einer Pechfackel sich an hohen, nicht von Menschenhand gemeißelten Wölbungen brach. Dunkle Schlagschatten lagen in den Winkeln und fuhren in raschem Wechsel hin und her, sowie ein Luftzug die Flamme der Fackel bewegte.

Der Graf faßte die Hand seines Schützlings und schritt mit ihm vorwärts, ein felsiger Gang that sich auf, den man verfolgte, dann umfing sie eine geräumige Halle, von der sich Seitengrotten und Gänge in die Tiefe abzweigten; wieder steckten ein paar Fackeln in den Felsspalten, von denen der Graf die eine ergriff, worauf er vorsichtig leuchtend voranschritt. Ein starkes Rauschen schlug an das Ohr des Herzogs, und feuchte kühle Luft strömte ihm entgegen; der Gang wandte sich jetzt plötzlich, rohe Stufen führten zu einer Plattform empor. Er stand starr, staunend. Zu seinen Füßen ein wildes Bergwasser, schäumend, in Cascaden vorüber rauschend, drüben, jenseit des Wassers, eine Felswand — in der eine Stelle sich plötzlich erhellte. Es war, als thue eine Nische sich auf, von rosigem Licht erfüllt. In derselben stand ein goldenes Ruhebett, Purpurdecken waren darüber gebreitet, der Boden mit Rosen bestreut.

Auf dem Bette lag sanft hingelehnt eine Gestalt, sie richtete sich auf; „Frau Venus!“ raunte der Magus, aber der Herzog hätte dieser Weisung nicht bedurft.

Ja, das war ein Weib und doch eine Göttin! Unter einem strahlenden Diadem fiel aschblondes Haar herab und wallte in losen Wellen um den ganzen Körper, welchen ein weißes, griechisches

Gewand hüllend umschloß und doch in seinen schlanken, vollen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 633. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_633.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)