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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

No. 40.   1884.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.



      Germania auf dem Meere.
  Chorlied deutscher Colonisten.

Wir saßen so meerweit zerstreut in der Welt,
Ein fahrend Volk Colonisten,
Wir bauten dem Fremden das wildeste Feld,
Schon froh, nur das Leben zu fristen.

5
Wir saßen verwaist und beachtet kaum

Und glaubten Dich nie zu schauen im Traum,
     Germania, auf dem Meere.

Da hörten die Mär’ wir von wildem Kampf
Und Deinen gewaltigen Siegen;

10
Wir hörten, wie mitten aus Pulverdampf

Eine neue Zeit Dir gestiegen,
Und wie Deiner prächtigen Tannen Holz
Dich trug schon überall kühn und stolz,
     Germania, auf dem Meere.

15
Hei, schwieg da des Auslands spottender Scherz

Bei Deiner Gewehre Knattern!
Hei, regte sich froh unser deutsches Herz,
Und ließen Dein Banner wir flattern!
Wir scheuten der Fremden Grimm nicht mehr:

20
Deine mächtige Stimme drang zu uns her,

     Germania, auf dem Meere.

Und wir riefen nach Dir, gleichwie im Traum:
„O Mutter, laß Dich bewegen!
Komm, schaff’ uns ein Heim und schaff’ uns Raum,

25
Für Dich hier die Hände zu regen!

An ferner Küste, am fernsten Port
Laß bauen die Söhne Dir Hort an Hort
     Germania, auf dem Meere!“ –

Und siehe, nun kommst Du, nun bist Du da!

30
Wie flott Deine Wimpel uns grüßen!

O, sieh hier uns Kinder von fern und nah
Im Geiste Dir alle zu Füßen!
Wir küssen Dein Kleid Dir, die theuere Hand,
Wir küssen in Dir unser Vaterland,

35
     Germania, auf dem Meere.


Zwar ist kaum entflogen Dein Aar dem Forst,
An fremder Küste zu nisten;
Zwar schaart er erst spärlich im neuen Horst
Uns fahrend Volk Colonisten;

40
Doch hast Du’s begonnen, Du hast’s gewagt;

Deß sei Dir heut’ jubelnd Dank gesagt,
     Germania, auf dem Meere!

Uns trieb einst der schaffende Zeitgeist fort,
Der Bildung Samen zu streuen;

45
Er treibt auch und drängt Dich von Ort zu Ort,

Daß wir Deines Schirmes uns freuen,
Bis Dich eine blühende deutsche Welt
Als Mutter grüßt, die sie zusammenhält,
     Germania, auf dem Meere.

50
Drum jubeln wir heut’ Deinen Thaten zu,

Als einer Wende der Zeiten.
Kühn galt es, nach langer Kyffhäuserruh’
Zum harrenden Ziele zu schreiten,
Und stolz nun erkennst Du, wozu Deine Macht:

55
Zum Weltberuf bist Du erst voll erwacht,

     Germania, auf dem Meere!  Emil Faller.




„Fanfaro.“

Novelle von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)

Der gute junge Doctor! Er predigte so klug über die Liebe, als sei er der alte Rabe des Stiftsförsters, und war so unerfahren darin wie der junge Staar, der mit seinem gelben Schnabel auf dem Nußbaum vor dem Fenster sang. Was wußte er mit seinem unberührten Herzen von dem mächtigsten der Gefühle, das selbst der Mensch nicht ergründen kann, der es aus eigner Erfahrung kennen lernte!

Oder vermochte sie die einzige Liebe ihres Lebens zu erklären? Melanie war sich schon damals trotz ihrer jungen Jahre ganz bewußt gewesen, daß Arved weder ein bedeutender Geist, noch ein starker Charakter war, und dennoch hatte sie ihn geliebt mit allen seinen Schwächen.

Sie stammten beide aus Familien des Hofadels in der herzoglichen Residenz, in denen es Tradition war, ihr Vermögen im Hofleben zuzusetzen. Sie, die Tochter des Oberjägermeisters, war frühzeitig als Stiftsdame eingeschrieben worden, wenn auch Niemand daran dachte, daß sie wirklich einst werde Gebrauch von der Vergünstigung machen müssen; er, der Sohn des Obersten, der, mit dem Titel eines Generals versehen, das herzogliche Contingent commandirte, war jung ohne viel Mühe Lieutenant in demselben geworden.

Sie fühlten sich vom ersten Augenblick an zu einander hingezogen, als sie sich auf dem Parquet des Schlosses begegneten. Dann wurden sie Partner in den kleinen Lustspielen von Putlitz, die von der Hofgesellschaft aufgeführt wurden; sie gaben immer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_653.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2022)