Seite:Die Gartenlaube (1884) 661.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

bot jeden Augenblick etwas Neues, so z. B. kleine Boote, dicht besetzt von Arbeitern, die auf der Elbe von draußen nach ihren städtischen Werkstätten und Fabriken eilten; sie hatten zahlreiche kleine Ruder, welche wie Beine aussahen, und wenn so ein kleines, leichtes, schnelles Boot dahineilte, dann war es, als wenn ein Tausendfuß über eine glatte Tischfläche glitte. Der „Schwan“ lag an dem so schön und zweckmäßig eingerichteten Dallmannsquai; programmmäßig lichtete er präcis um sieben Uhr Morgens die Anker, und wir hatten nun Gelegenheit die villengeschmückten malerischen Ufer zu bewundern. Oder vielmehr nicht die Ufer, sondern das Ufer, nämlich das rechte Ufer von Altona und Ottensen bis Blankenese. Es ist hier wie am Rhein, wo die landschaftlichen Schönheiten und die interessanten Gebäude sich ebenfalls vorzugsweise, wenn nicht ausschließlich, auf dem rechten Ufer befinden. Deshalb ist indeß auch das linke Ufer nicht zu verachten, am wenigsten hier an der unteren Elbe. Denn dies Land hier ist zum großen Theile dem Strome abgewonnen von tapferen niederländischen Männern, welche mit ähnlichem Stolze sich dessen berühmen können, wie die Holländer, welche sagen: „Gott schuf das Meer und wir das Land.“

Skizzen aus Amsterdam und vom holländischen Nordsee-Canal

Diese Marschen des „Altenlandes“ sind von Niederländern, ich glaube sogar von Vlamingen oder Friesen, dem Strome abgewonnen und verdienen daher unsere besondere Aufmerksamkeit, und es ist hier vielleicht der Ort, daran zu erinnern, wie viel Deutschland, insbesondere Norddeutschland und Preußen, den großentheils durch religiösen Fanatismus aus ihrer Heimath vertriebenen Friesen, Vlamingen und Holländern verdankt, welche sich ebenso sehr durch ihr Colonisationsgeschick als durch ihren Gewerbefleiß auszeichneten. Preußen ist besonders dadurch groß geworden, daß es Alle aufnahm, „die mühselig und beladen waren“. Ein Wink für die Gegner der Zugfreiheit!

Helgoland und der Weg dahin sind unzählige Male beschrieben. Ich will mich daher kurz fassen und den geneigten Leser im Uebrigen auf das umfangreiche und gründliche Werk meines alten Freundes und politischen Kriegscameraden Friedrich Oetker, des „Chatten-Häuptlings“, verweisen, welcher Jahre lang auf diesem englischen Eilande als Verbannter verweilt hat, weil er in Deutschland in Gefahr schwebte, auf Veranlassung der damaligen kurhessischen Mißregierung eingesteckt zu werden. („Oetker, Helgoland. Schilderungen und Erörterungen.“ Berlin, Duncker 1855.)

Wir konnten der malerischen Insel, welche sich wie ein von Thürmen flankirtes rothes Schloß aus der See hebt, nur einen flüchtigen Besuch von vier Stunden abstatten. Wie landesüblich, hatten wir die Lästerallee zu passiren, welche sich auf dem Unterland sammelt, um die ankommenden Seefranken zu verspotten, aber bei uns keinen Anhaltspunkt dazu fand, obgleich wir auf See eine „aufspringende Kühlte“ hatten und das Ein- und Aussteigen aus dem Dampfer in die Kähne für Manchen nicht ganz leicht war.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_661.jpg&oldid=- (Version vom 22.9.2022)