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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

einzelne Hetzereien zum Vorschein kamen. Erst als Folge der sogenannten „Versöhnungspolitik“ des österreichischen Ministers Grafen Taaffe, der 1879 an die Spitze eines clerical-föderalistischen Cabinets trat, brach auf der ganzen Linie des Slaventhums von den Polen Galiziens, Ruthenen und Slovaken bis hinab zu den Slovenen, Kroaten etc. der Sturm gegen das Deutschthum los, und zwar für nicht wenige Deutsch-Oesterreicher geradezu überraschend. Was Graf Belcredi einst, als Oesterreich noch an der Spitze des deutschen Bundestages stand, dem Wiener Reichstag angedroht: „Man muß den Deutschen einmal zeigen, daß man Oesterreich auch ohne sie regieren kann“ war leider vergessen oder vielleicht auch belächelt worden, weil Niemand daran zu zweifeln vermochte, daß, nach der Umgestaltung des Kaiserstaates in Oesterreich-Ungarn, durch den „Ausgleich“ für den Zusammenhalt des westlichen Monarchietheils die deutsche Sprache und Nationalität das einzige mögliche Bindemittel sei. Daß dies je anders werden könne, war für keinen guten Deutsch-Oesterreicher denkbar. Daher aber auch um so niederschmetternder die Wirkung, als sie erkennen mußten, daß das Deutschthum hinsichtlich seiner geistigen Leitung des alten Kaiserstaats nun doch in Gefahr sei. Das deutsche Element war plötzlich der Hinneigung zum deutschen Reich verdächtig, und wer sich fortan den Ansprüchen des gehätschelten Slaven- und Magyarenthums zu widersetzen wagte, stand in Gefahr, als Reichsfeind behandelt zu werden.

Diese Haltung, wenn sie einschüchtern sollte, bewirkte das Gegentheil: der deutsche Geist erwachte im deutschen Volke Oesterreichs, und männliche Einsicht und Erfahrenheit fanden eine Waffe für ihren Kampf, wie sie besser nicht hätte erdacht werden können.

Da liegt in Südtirol, in der Bezirkshauptmannschaft Cles, 1400 Meter hoch über dem Meer, eine deutsche Colonie, deren etwa 700 Bewohner ein wackerer Mann, der Curat Mitterer, glücklich vor Verwerwälschung gerettet hatte, nur fehlte ihnen ein Schulhaus. Dies mußte gebaut werden, und das brachte ein anderer Mann, Pernerstorfer, zu Stande und kam dabei auf den Gedanken, zum Behufe weiterer Gründungen dieser Art zum Schutz des Deutschthums einen „Deutschen Schulverein“ in’s Leben zu rufen. Nun steht auf dem Nonsberg das neue Schulhaus als eine kleine, aber feste Burg deutschen Wesens da, der „Deutsche Schulverein“ aber als “ ein Bollwerk der deutschen Nationalität in den völkerreichen Donaulanden.

Die Hauptstärke des Vereins liegt in der weisen Beschränkung seiner Ziele, die doch die größte Sicherheit für das bieten, was erstrebt werden soll. Es erscheint fast harmlos, das emsige Gründen von Volksschulen und Kindergärten, und doch kann der Bau deutschen Wesens kein festeres Fundament finden, als die Herzen der Jugend. Es war aber eine fast ungeheuerliche Aufgabe, die Tausende von gefährdeten Punkten des deutschen Wesens in den weiten Kreisen Oesterreich-Ungarns zu erforschen und die Mittel zur Abhülfe herbeizuschaffen und ebenso gerecht als klug zu verwenden. Da führten die Gesetze selbst den Weg zur Theilung dieser Aufgabe herbei. Der Hülferuf der Deutsch-Oesterreicher hatte auch im deutschen Reiche offene Ohren und Herzen gefunden, es bildeten sich Zweigvereine, unter anderen auch einer in Berlin, der mit dem österreichischen Schulvereinsvorstand in Wien in Verbindung zu treten begehrte. Dem widersprach jedoch das Vereinsgesetz, und so war man in Berlin darauf angewiesen, den „Allgemeinen Deutschen Schulverein in Deutschland“ zu gründen. Während nun der Wiener Vorstand die Sorge für die österreichischen Kronländer diesseit der Leitha auf sich nahm, fiel dem Berliner der polnische und ungarische Reichstheil zu, zugleich mit der Verpflichtung, die für die diesseitige Reichshälfte bestimmten Unterstützungen nur durch den Wiener Vorstand ausführen zu lassen, um Unrecht Und Irrung zu vermeiden.

Wenden wir uns nun zu den Wiener „Mittheilungen des Deutschen Schulvereins“, welche jährlich vier Mal, in den Monaten März, Juni, September und December erscheinen. Ueber die geschäftliche Ordnung des Vereins erfahren wir da im Bericht über die Hauptversammlung desselben am 18. Mai 1882 Folgendes: Die Verwaltung des Vereins wurde durch den engern Ausschuß besorgt, welcher in 54 Sitzungen 1516 Geschäftsstücke, darunter 1266 auf Schulangelegenheiten bezügliche, behandelte; außer diesen waren noch 3455 die Verwaltung betreffende Stücke eingereicht. Aus der Kanzlei des Vereins, welcher Dr. Karl Eckel und der erste Zahlmeister Julius Eckel vorstand, waren an 10,000 Schrift- und Druckstücke abgesandt. Als Referenten in Schulangelegenheiten fungirten der Obmann Dr. Weitlof für einige bestimmte Schulen Böhmens, Mährens und von Gottschee, der Obmann-Stellvertreter/Dr. von Kraus (zugleich Redacteur der „Mittheilungen“) für Böhmen, Dr. Steinwender für Tirol, Kärnthen, Krain, Dr. Eger für Mähren, der Schriftführer Dr.Wolffhardt für Steiermark und der zweite Zahlmeister Dr. Maresch für Schlesien, Galizien und Triest.

Gern möchte ich den Lesern einen solchen Referentengang schildern, bei welchem die obengenannten Vorstandsherren neugegründete Vereinsschülen und Kindergärten besuchen oder Neugründungen vorbereiten. Welchen Scenen begegnen wir da in ihren Berichten! Unsere Leser verschaffen sich gewiß diesen Genuß durch Ankauf der „Mittheilungen etc.“, die, 4 Nummern für 1 Gulden für Nichtmitglieder und 50 Kreuzer für Mitglieder des Vereins, von der Vereinskanzlei (Wien I. Kolowratring 8) zu beziehen sind.

„Die ordentliche Hauptversammlung des Deutschen Schulvereins“, welche am 2. Juni dieses Jahres zu Graz stattfand, gestaltete sich zu einem großen deutschen Nationalfest, einem Ehrentag aller Deutschen Oesterreichs. Wie das alte Jena bei seinen glänzendsten Burschenschaftsfesten, prangte die schöne Hauptstadt Steiermarks im Schmuck schwarz-roth-goldener Fahnen. Das „Banner des deutschen Geistes“ und „das deutsche Lied“ waren die äußeren Zeugen des Tags und seiner Bestimmung. Die ausführliche Schilderung dieses Festes und namentlich die gediegenen und inhaltreichen Reden aus Männer- und Frauenmund bitten wir ebenfalls in den „Mittheilungen“ (Nr. 11) nachzulesen. Sie geben ein getreues Bild von dem Geist, welcher jetzt das deutsche Volk Oesterreichs erhebt. Vertreten waren in Graz 495 Ortsgruppen durch 1701 Anwesende. Zur Hauptversammlung waren noch 1194 Theilnehmer aus Graz und 640 auswärtige durch Legitimationskarten zugelassen.

Von Bedeutung für den Verein ist die Gründung von Frauen-Ortsgruppen, welche bereits weit über tausend Mitglieder zum gemeinsamen Wirken vereinen; ja durch die von Frau Nina Kienzl geleitete Grazer Frauen-Ortsgruppe wurde die erste offene und entschiedene Betheiligung deutscher Adelsgeschlechter an den Bestrebungen des Vereins veranlaßt. Sogar die Wittwe des Erzherzogs Johann, die achtzigjährige Gräfin von Meran, ließ die Versammlung beglückwünschen und hinzufügen: Sie wisse aus Erfahrung, wie nothwendig in Untersteiermark den Bewohnern die Kenntniß der deutschen Sprache sei, und sie sei überzeugt, daß auch ihr Gemahl, wenn er noch unter den Lebenden weilte, dem Schulverein seine volle Sympathie zuwenden würde! Es machte auch einen begeisternden Eindruck, als eine der ersten Obmänninnen einer Ortsgruppe, Frau Therese Ziegler aus Haselbach, beim Festcommers ihren Dank für ein Hoch auf die Frauen mit den Worten schloß:

„Unsere Kinder sollen es einst bezeugen, daß wir unsere Aufgabe ernst genommen und daß man uns den Namen nicht unverdient gegeben hat, der für uns Frauen der schönste und der größte Stolz ist, den Namen einer deutschen Frau!“

Der Bestand der Ortsgruppen des Vereins hat sich auf 831 vermehrt, wovon 475 allein auf Böhmen und Mähren kommen; die Gesammtzahl der Mitglieder beträgt 85,848, das Gesammtergebniß für Rechnung des Jahres 1883 bis zum 15. Mai d. J. 222,946 fl. 97. kr.

Der Schulverein besitzt 35 eigene Vereinsschulen mit 61 Classen und 32 Vereinskindergärten mit 41 Abtheilungen.

Die Zahl der vom Verein subventionirten Schulen beträgt 34 und die der subventionirten Kindergärten 20. An 40 Orten hat der Verein sich zu Schulbausubventionen verpflichtet; Schuleinrichtungsgegenstände wurden an 7 Schulen und verschiedene Lehr- und Lernmittel an 46 Schulen vergeben und 30 Orte in Böhmen, Mähren, Schlesien, Steiermark und Kärnthen je nach Bedürfniß mit Bibliotheken versorgt.

Selbstverständlich muß der Verein die von ihm angestellten Lehrer, weil sie meistens auf bedrohten Posten stehen, gut honoriren, er darf nicht mit Zulagen, Ehrengaben und Remunerationen kargen und ist auch auf anständige Pensionirung derselben bedacht.

So ist der Deutsche Schulverein aufgebaut und so wirkt er. Wie schon die Zahlenreihen im Obigen andeuteten, ist der schwerste Kampf in Böhmen und Mähren zu bestehen. Ehe wir aber diesen näher betrachten, wollen wir einen Blick auf den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_690.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2021)