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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

phantasievoll veranlagten Elementen der bürgerlichen Gesellschaft hinüberleitet. Andererseits ist der Verkehr mit dem Bühnenvolke der nicht gering anzuschlagende Magnet, der wiederum die Bürgerkreise mächtig in die „Schlaraffia“ zieht.

Die Prager „Schlaraffia“ gedieh und entwickelte sich bald zum Brennpunkte des geistig übermüthigen Lebens Prags. Pflege des Humors und der Freundschaft war ihr Hauptzweck. Gesang, Deklamation, Vortrag der von den Bundesrittern verfaßten Humor- und auch zumeist geistvollen kleinen Dichtungen, extemporirte, mit Uebermuth durchgeführte Gerichtsverhandlung gegen Verbrecher am „Schlaraffenspiegel“, ihrem Gesetzbuche, füllten ihre Abende. Dies Alles übt, umwoben und glücklich verbunden mit einem parodistisch gehandhabten steifen Ceremoniell, einen eigenartigen Reiz.

Von den bekanntesten unter den Prager Stiftern des Bundes seien hier genannt: Redacteur Tobisch, der jetzt in Stuttgart lebende Schriftsteller Schmidt-Weißenfels, der Musikkritiker Ulm, Jahn, der jetzige Direktor der Wiener Hofoper, der böhmische Schauspieler und Dichter J. J. Kolár, die jetzigen Hofschauspieler Oberländer (Berlin), Hallenstein (Wien), in erster Reihe aber der Sänger und Operncomponist Eilers, zur Zeit in Darmstadt. Er war Solon und Homer der „Schlaraffia“ in einer Person. Er gab ihr eine Literatur, sang ihre Lieder und entwarf ihre Gesetze.

Auf der geistvollen Grundlage, die Eilers der „Schlaraffia“ geschaffen, entwickelte sich denn auch 1865 ein Tochterreich in Berlin, diesem zunächst das Schlaraffenreich zu Leipzig, dann zu Groß-Kanisza in Ungarn, Graz und endlich 1876 in Breslau. Von da ab gewinnt der schlaraffische Gedanke eine lawinenartige Entwickelung. Brünn, Köln, Stuttgart, Amsterdam, Hamburg thun sich in rascher Folge als Töchter und Enkelinnen der schlaraffischen Allmutter Praga auf. Heute verehrt man in 60 Städten den UHU, das Sinnbild des Schlaraffenthums. Die Stammrolle, ein stattlicher Band von 272 Seiten, weist gegen 1900 Mitglieder nach.

Zusammengehalten werden diese Filialen vor Allem durch ihre Unterordnung unter das Mutterreich Prag, durch das gemeinsame Ceremoniell, ein reichhaltiges Liederbuch, durch Concile, die von fünf zu fünf Jahren stattfinden, und endlich durch eine künstlerisch illustrirte Zeitung, die unter der Redaction Robert Zangenberg’s in Leipzig erscheint.

Gleichen Schritt mit ihrer Vermehrung hat aber auch der Wohlthätigkeitssinn der „UHU-Priester“ gehalten. Die „Schlaraffia“ unterstützt ihre hülfsbedürftigen Mitglieder auf’s Reichlichste, in einzelnen Fällen sogar durch Gewährung jahrelang ausgezahlter Pensionen. Auch darin ist Prag das Vorbild der übrigen Reiche. Für die Wittwe eines plötzlich verstorbenen Sängers brachte die dortige Vereinigung eine Unterstützung von über 15,000 Mark auf. Schon solch hervorragender Opferfähigkeit wegen sei dem fröhlichen Bunde ein weiteres Gedeihen gerne vergönnt und ihm nun, gelegentlich seines fünfundzwanzigjährigen Jubiläums, der Begrüßungsruf der Schlaraffen, ein kräftiges „Lulu“, zugerufen. Max Door.     


Jean Becker †. Der große Geigenvirtuose und Gründer des durch seine Kunstreisen berühmt gewordenen Florentiner Quartetts ist am 10. October in seiner Vaterstadt Mannheim seinen schweren Leiden erlegen. Am 11. Mai 1833 in Mannheim geboren, erhielt er von den besten Lehrern seiner Zeit Unterricht in der Musik, bildete sein Geigenspiel unter Alard in Paris zu hoher Vollkommenheit aus und ging 1857 auf Kunstreisen, die ihn in aller Herren Länder führten und auf denen er Ruhm und Ehren in seltenem Maße erntete. Dann lebte er längere Zeit in Florenz und bildete dort 1866 das berühmte Quartett mit den Italienern Masi und Chiostri (Violine und Viola) und dem Schweizer Hilpert (Violoncell), dessen Kunstleistungen zu dem Vollkommensten gerechnet wurden, was je auf musikalischem Gebiete gehört worden.


Sarkastische Abfertigung. In einer Herren-Gesellschaft, zu der auch der geistvolle Mirabeau gehörte, war von der mehr oder weniger leichten Eroberung weiblicher Herzen die Rede.

„Sie dürfen es mir glauben,“ prahlte ein fader Stutzer, „daß ich schon mancher hübschen Frau den Kopf verdreht habe.“

„Doch wohl nur so, daß sie ihn gelangweilt von Ihnen wegwandte,“ meinte Mirabeau lächelnd. L. M.     


Verfehlt. Ein Hoflakai kam einst auf den Gedanken, Friedrich dem Großen zu seinem Geburtstage einen Neujahrswunsch in Versen zu überreichen, und ließ solche von einem Reimschmied anfertigen, der sich alle Mühe gab, die alltäglichsten Gedanken in dem damals üblichen Lohenstein’schen Schwulst, verbunden mit Gottsched’scher wässeriger Breite, zu verarbeiten.

Friedrich rief nach Durchsicht dieses Machwerkes den Spender und fragte streng: „Hat Er das Zeug selbst verfertigt?“

„Nein, Eure Majestät,“ war die zitternde Antwort.

„Das ist Sein Glück, sonst hätte ich Ihn in’s Tollhaus bringen lassen. Da, nehm Er etwas für den guten Willen“ – er reichte ihm einige Goldstücke – „aber laß Er sich’s nicht beifallen, mich im nächsten Jahre in gleicher Weise zu incommodiren.“ L. M.     


Dialekte und Sprachen. Die Köge in den westlichen Marschen Schleswig-Holsteins, die Inseln Föhr, Sylt, die Halligen, Amrum liegen nahe bei einander. Sehr verschieden gestalten sich auf diesem kleinen Gebiet die Dialekte. „Vater“ heißt auf Amrum „Aatj“, auf den Halligen „Baba“ oder „Baabe“, auf Sylt „Foder“ oder „Vaar“, auf dem östlichen Theil der Insel Föhr „Oti“ oder „Ahitj“, in den Kögen „Täte“. Obgleich die Leute hier nur wenige Meilen von einander entfernt wohnen, so ist in obigen Wörtern doch mehr Unterschied als in dem père, pater, padre, Vater und father der Franzosen, Lateiner, Italiener, Deutschen und Engländer. Fr.     


Ein tiefbetrübtes Elternpaar sucht sein Kind, einen Knaben von 13½ Jahren, der sich am 5. September wegen einer ihm ertheilten unbedeutenden Rüge seitens seines Lehrers und wegen Furcht vor Strafe heimlich und ohne alle Mittel von seinen Eltern, Bau-Aufseher F. Tröll in Helmstedt, entfernt hat. Er ist in einem Tage von Helmstedt nach Magdeburg (6,5 Meilen) gewandert, hat in der Nacht vom 5. zum 6. vor. Monats in der Herberge zur Heimath daselbst logirt und ist von da am 6. Morgens fortgegangen, aber im Laufe des Tages in Magdeburg noch gesehen worden. Von da an fehlt jede Spur von ihm. Der Vater hat sich sofort an die Polizeibehörden und die Tagespresse gewandt, aber alle Anstrengungen sind bisher ohne Erfolg geblieben. Als letztes Mittel ersucht er jetzt die „Gartenlaube“, „die ja ihren Weg in die entlegensten Dörfer und Gehöfte findet, ihre Stimme erschallen zu lassen.“ Vielleicht gelingt es ihr, das verlorene Kind dem Vaterhause wieder zuzuführen.

Der entflohene Knabe ist von kleiner, aber ziemlich kräftiger Gestalt und war bekleidet mit grauem Jaquet, grauer Waschhose und rother Schülermütze. Außerdem trug derselbe gestickte Hosenträger und einen Shlips von carrirter Seide, auf welchem eine Busennadel mit zwei Schwalben befindlich war.


Allerlei Kurzweil.

Rössel-Aufgabe.

Beispiel mit 8 Springern:
SCHWARZ

WEISS

Eine Anzahl Springer (Rössel) ist derartig auf dem Schachbrete aufzustellen, daß:

a) kein Springer einen anderen schlagen kann, und daß auch:
b) kein Springer ein Feld bestreicht, welches bereits von einem anderen Rössel beherrscht wird,
c) Nach Aufstellung der Springer darf jedoch kein Feld mehr frei sein, welches man noch – ohne gegen die sub a und b gedachten Regeln zu verstoßen – besetzen könnte.

Wie stellt man unter diesen Bedingungen: 5 oder 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 Springer?

Freunden analytischer Untersuchungen dürfte mit dieser Aufgabe ein angenehmer Stoff geboten sein. Die Anzahl der möglichen Stellungen dürfte eine größere sein, als das bekannte Problem der Aufstellung von 8 Damen ergiebt, von welchem der russische Schachmeister v. Jaenisch 92 Positionen nachgewiesen hat. – Selbstredend zählen analoge Stellungen (durch Versetzungen oder durch Drehung des Bretes entstanden) nicht mit.




Der magische Schlüssel.

Welches Reich erschließt dieser Schlüssel?


Auflösung des Uhr-Arithmogryphs in Nr. 42: Setzt man statt der Zahlen der Uhr die Buchstaben a, b, c, d, e, f etc. bis m und verbindet die drei, auf welchen die Zeiger stehen (bei dem größten Zeiger beginnend), zu einem Worte, so heißt dieses: „Ade!“


Kleiner Briefkasten.

Abonnent der „Gartenlaube“ in Eckernförde. Wenden Sie sich an den „Ortsgesundheitsrath in Karlsruhe“.

Hermann K–r., Leipzig. Wir haben allen Grund, das Datum in der „Gartenlaube“ für das richtige zu halten.

B. D. in Aegium. Wir ertheilen auf anonyme Anfragen principiell keine Antwort. Wiederholen Sie gefälligst Ihr Gesuch mit Angabe Ihres Namens und Ihrer Adresse behufs brieflicher Antwort.

A. M. in Hannover. Schwindel!

E. M. in D. Wir bedauern, Ihr Anerbieten nicht annehmen zu können.

C. W. in Hannover. Wenden Sie sich unter Vorlegung von Proben an einen Künstler.

F. Sch. in San Francisco. Wir danken für freundliche Zusendung.


[ Es folgt die Inhaltsübersicht dieses Heftes, die hier zur Zeit noch nicht dargestellt wird. ]

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 716. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_716.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2022)