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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Rezonville herangesprengt wie ein Wettersturm gegen die kleine kampfesmatte, todesmüde Heldenschaar von Bredow’s Brigade. Was von den Bredow’schen Schwadronen noch übrig ist, sucht sich den Rückweg durch die feindliche Uebermacht zu erzwingen. Mit leidenschaftlicher Erbitterung wird auf beiden Seiten gekämpft.

Unsere Leser finden mehr im Hintergrunde unseres Bildes S. 736 und 737 – das einen leider nur kleinen Theil des gewaltigen Rundgemäldes vor Augen zu führen vermag – im dichtesten Reitergewühle den Kürassier-Lientenant Campbell of Craynish (gegenwärtig Adjutant des Herzogs von Coburg). Er hat an der Spitze eines Häufleins Bredow’scher Kürassiere gegen den rechten Flügel des heransprengenden französischen zehnten Kürassierregiments gekämpft. Die französischen Kürassiere, von dem Ungestüm des preußischen Angriffs erschreckt, sind zum Theil zurückgewichen, und dadurch gelang es den Bredow’schen Reitern, einige feindliche Kürassiere am rechten Flügel von dem Gros ihrer Mannschaften abzuschneiden. Da war Lientenant Campbell of Craynish herangesprengt, um die französische Standarte, um welche die abgeschnittenen französischen Kürassiere sich geschaart hatten, ihnen zu entreißen. Dieser Moment ist auf unserem Bilde dargestellt. Soeben hat der muthige Kürassier Lientenant die Standarte erfaßt, die er freilich bald, nachdem ein Degenstich in die rechte Hand diese kampfunfähig gemacht, freigeben muß. Ebenso trefflich wie die deutschen Krieger sind die französischen Soldaten charakterisirt, nirgends eine Spur von jenem rohen Chauvinismus, der sich in französischen Schlachtgemälden bei der Darstellung deutscher Truppen zeigt. Diese Darstellung des Bredow’schen Todesrittes läßt Deutschen wie Franzosen gleiche Anerkennung zu Theil werden, und in dem ganzen so umfangreichen Bilde, welches den Opfermuth deutscher Krieger feiert, ist auch nicht der geringste Zug enthalten, der einen französischen Beschauer verletzen könnte – und daß dies so ist, ist kein geringes Lob für den Maler des Leipziger Panoramas.

Das Malergerüst im Schlacht-Panorama.

Der Künstler, der hier jener Heldenschlacht und nicht minder seiner Künstlerschaft ein bleibend Denkmal gesezt hat, L. Braun, ist den Lesern der „Gartenlaube“ kein Fremder, in früheren Jahrgängen finden sich wiederholt Genre- und Kriegsbilder von Braun. Am 23. September 1836 zu Schwäbisch-Hall geboren, siedelte er nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1850 nach Stuttgart über, wo er bald in das Polytechnicum eintrat, um sich der Kunstindustrie zu widmen. Seine früh ausgesprochene Neigung zur Kunst begnügte sich jedoch mit diesem Ziele nicht. Er ging zur Stuttgarter Kunstschule über und malte nach nur kurzem Studium unter den Professoren Neher und Rustige alsbald unter Leitung seines älteren, inzwischen verstorbenen Bruders Reinhold zunächst Pferdestudien, konnte jedoch schon früh sich an den größeren Arbeiten seines Bruders für Petersburg, Paris etc. betheiligen. Durch zahlreiche Illustrationen für Zeitschriften und Jugendschriften – noch jetzt ist die Darstellung allerliebster Kinderscenen die Lieblingsbeschäftigung des erfolgreichen Schlachtenmalers – verschaffte sich der eifrig strebende junge Künstler die Mittel, um weiter studiren zu können. 1859 ging er nach Paris, studirte dort und in zahlreichen Garnisonstädten sowie bei Manövern die Eigenart des französischen Soldaten. Horace Vernet schenkte dem jungen Künstler Interesse und nahm ihn unter seine Schüler auf – nur zu bald freilich rief ein Todesfall ihn in die Heimath zurück. Hier schuf er eine Reihe von Aquarellen aus dem schleswig-holsteinischen Kriege und für den Großherzog von Mecklenburg-Schwerin mehrere Darstellungen aus dem Kriege von 1866 – an beiden Feldzügen hatte Braun theilgenommen. Schon hier trat des Künstlers Naturtreue, die Lebendigkeit und Gewandtheit seiner Darstellung zu Tage; auch in den historischen Bildern, die er dann schuf, und den Genrebildern blieben diese Vorzüge ihm treu. 1870 begleitete Braun die deutsche Armee bis Orleans und Paris. Es entstanden nun „Moltke bei Gravelotte“, „Die Deutschen auf der Place d’armes in Versailles“, „Capitulation von Sedan“, „Einzug der Mecklenburger in Orleans“, „Der deutsche Kronprinz bei Wörth“ etc. Der Ruhm, den Braun durch diese Kriegsbilder erwarb, hielt ihn nicht ab, sich in den folgenden Jahren in einer Reihe herziger Genrebilder aus dem bayerischen Gebirge mit Glück zu versuchen, bis er 1879 von einem Holländer den Auftrag erhielt, das erste Panorama in Deutschland für Frankfurt am Main zu malen, die Schlacht bei Sedan, welches im September 1881 eröffnet wurde.

Bereits im Mai des nächsten Jahres aber hatte er in München das Panorama der Schlacht bei Weißenburg, im August 1883 das der Schlacht bei St. Privat in Dresden und im September dieses Jahres das Leipziger Panorama vollendet.

Professor Braun steht im kräftigsten Mannesalter, auf der Höhe seines Könnens; ein glückliches Familienleben voll herziger Innigkeit – Braun ist seit 1874 mit Marie Burger in zweiter Ehe verheirathet; die erste Ehe löste 1871 der Tod – umgiebt ihn. Und wenn er sich jetzt nach Vollendung der großen Leipziger Aufgabe auf sein Schloß Wernfels zurückzieht, harren seiner bereits die Vorarbeiten zu dem Panorama für Stockholm, für welches die Schlacht bei Lützen ausersehen ist.

Philipp Stein.     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_740.jpg&oldid=- (Version vom 30.9.2022)