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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

gestern eine Brücke geschlagen, der ich mich getrost anvertraue zur letzten Attake auf Ihr Herz.“ Er streckte die Arme nach ihr aus.

„Gönnen Sie mir Zeit,“ bat Ereme verwirrt; aber es leuchtete ein Lächeln in ihrem Antlitz auf wie Sonnenschein, der aus düsteren Wolken bricht.

„Nein,“ entgegnete er wieder mit dem alten sorglosen Lachen; „da könnten wir altersschwach werden, wenn ich Ihnen Zeit ließe, sich zu besinnen, ob Sie glücklich sein wollen oder nicht. Donnerwetter, Ereme,“ fuhr er ungestüm fort, „siehst Du denn nicht ein, daß wir wie närrisch in einander verliebt sind? Zum Teufel mit Deinen Bedenken! Jetzt wird nicht Halt, sondern ‚Fanfaro‘ commandirt.“

Sie wollte antworten, da versagte ihr die Stimme, sie wollte die Augen aufschlagen, da sah sie durch einen Thränenschleier, sie wollte einen Schritt ihm entgegen thun, da lag sie in seinen Armen.

Die Tante drückte die Thür leise zu, an der sie gelauscht hatte, und sagte zu dem sie gespannt anschauenden Dienstpersonal: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“


Bilder aus Spanien.

1.0 Im Paradiese Südspaniens.
Von Fritz Wernick.

Die südspanische Landschaft trägt einen Oasen-Charakter. Die Araber, die einst aus dem nahen Afrika in das Land gedrungen sind, um hier ein Reich zu gründen, haben die Landschaften des Orients, unabsehbare Wüstenstrecken, in denen paradiesische Gartenfluren eingeschlossen liegen, natürlich nicht mit über’s Meer bringen können. Und doch haben sie, ihre Betriebsamkeit, ihre Cultur, den Charakter der südspanischen Landschaft bestimmt. Die Oasen, die aus meilenweiter Oede lachend und üppig hervorleuchten, sind einzig ihr Werk. Die christlichen Nachfolger haben nur erhalten, was die Mauren vor länger als einem Jahrtausend geschaffen. Nicht einförmig, nicht gleichmäßig nach bestimmter Schablone. Der Lage, dem Boden, dem Klima trägt die Cultur überall Rechnung. Wenn wir, von Nordosten kommend, Spanien betreten, bei Barcelona, bei San Sebastian oder mitten im Baskenlande, so scheint die Landschaft jenseit der Pyrenäen kaum von der südfranzösischen verschieden. Weder hochromantisch noch üppig, weder von malerischer Wildheit, noch von paradiesischer Anmuth erscheinen die catalonischen Hügelzüge und Thalgelände, das bergige Aragonien, das Golfland des biscayischen Meerbusens. Nichts Charakteristisches dort; fast fühlt der Wanderer sich enttäuscht, der an seine Vorstellungen, seine Träume von Spanien denkt. Aber das ändert sich, je weiter wir nach Süden kommen.

Rhede von Alicante.
Nach dem Gemälde von R. Monleon. Photographieverlag von B. Schlesinger in Stuttgart (J. Laurent u. Co. in Madrid).

Valencia gewährt uns zuerst das, was wir bisher vergeblich erhofft und gesucht haben. Die Eisenbahn führt durch eine Sandebene zwischen Gebirge und Meer von Barcelona, von Taragona her. Felsblöcke sendet das eine, dürren Sand das andere dieser Flur. Trümmer alter gothischer Bauwerke, Burgen, Hospize, wenige Reste aus römischer Zeit, kaum kenntlich mehr, ragen aus dieser Ebene hervor. Das blaue Meer, das graue in der Sonne flimmernde Kalksteingebirge allein geben der Landschaft Reiz. Die dünne Ackerkrume, die sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet, ernährt hier und dort Getreidefelder, Fruchtbäume, die aber den Charakter der Sandwüste kaum zu ändern vermögen. So kommen wir über den Ebro, kommen an Murviedro, der Stätte des antiken Sagunt, vorüber. Dann aber beginnt die Oase, die Wüste wandelt sich in ein üppiges Paradies. Kahles Gebirge, blaues Meer umrahmen Gefilde, in denen der Johannisbrodbaum neben der Palme, der Oelbaum neben Feigen und Maulbeeren kräftig gedeihen. Doch erscheinen diese Bäume nur als Einzelwesen, die Palmen beschatten die niedrigen, hellfarbig angestrichenen, mit Stroh gedeckten Bauernhäuser, der Johannisbrodbaum scheint oft als Grenzmarke zwischen den einzelnen Besitzungen gepflanzt. Orangen füllen die Flur meilenweit mit saftigem Laubgrün, mit köstlichem Dufte. Die Orange beherrscht den Boden um Valencia fast durchweg. Von Station zu Station fahren wir meilenweit durch einen einzigen Orangenhain, der von aufbrechenden Blüthen und goldenen Früchten betäubenden Duft unserer Wagenreihe sendet. Kein Gebiet rings um das küstenreiche Mittelmeer erfreut sich solch einer Fülle der edlen aromatischen Frucht, wie diese spanische von Meer und Gebirgen umschlossene Oase, die „Huerta“, der „Garten“ von Valencia.

Eine lange, einförmige Fahrt bringt uns dann in den Küstenbezirk des weinberühmten Alicante. Wieder Wüste, wieder Oase. Beides

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_752.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2022)