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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

der Alhambra erhebt sich, zu äußerst an den Rand des Burgfelsens vorgeschoben, ein alter maurischer Thurm. Er ist der Genosse des Migualete von Valencia. Seine Glocken verkünden das Oeffnen und Schließen der Wehre, die Vertheilung des Wassers auf die einzelnen Gründe. Nur einmal im Jahre dient der Vegathurm anderem Zwecke. An dem Gedächtnißtage der Eroberung Granadas durch die Christen, am 2. Januar, läuten die Glocken den ganzen Tag zum Andenken jenes Sieges der kriegerischen Isabella. Der Glöckner hat damit keine Mühe. Die jungen Andalusierinnen drängen sich herzu, denn der Glaube gilt, daß diejenige, die am lautesten die eherne Zunge erschallen läßt, im Laufe des Jahres den besten Mann bekomme.

Das Innere des Doms von Cordova.
Nach einer photographischen Aufnahme.

Die südspanische Landschaft haben wir in ihren Hauptrichtungen überblickt. Nach Sevilla und Cadiz zu wird sie eben, einförmig. Da strömt der breite Guadalquivir durch feuchte Wiesengründe, auf denen der Kampfstier in Wildheit aufwächst, da folgen die Ausläufer der Sierra Morena von ferne seinen Ufern. – Cordova liegt zwischen dem Flusse und dem Gebirge auf der Grenze von Andalusien. Eine über 200 Meter lange Brücke, ein Prachtbau der Mauren aus dem achten Jahrhundert, führt nach der Vorstadt Campo de la Verdas, wo sich ein wohl erhaltenes maurisches Castell erhebt. Die großartigste Sehenswürdigkeit der Stadt aber ist der berühmte Dom, eine maurische Moschee, und noch jetzt mit Vorliebe „La Mezquita“ genannt. 1100 (früher sogar 1200) schlanke Säulen von Marmor, Jaspis, Porphyr tragen die wunderbar schöne, aus achteckigen und runden, kunstvoll mit einander verbundenen Kuppeln bestehende Decke; 30 Säulenhallen laufen von Osten nach Westen und 16 von Norden nach Süden. Leider ist in diesem großartigen, überwältigend ernsten und schönen Raume nach spanischer Sitte ein Chor in die Mitte gebaut, was die Einheit des Ganzen wesentlich stört. Hier zum letzten Male sehen wir eine alte arabische Stadt, umgeben von einem Thalgarten, beschirmt von den Wänden des nahen Gebirges. Führt die Bahn uns hinauf über die Wände, so breitet die einförmige, traurige castilische Hochebene sich aus, eine traurige Culturwüste, in der es keine Oasen mehr giebt.




Brausejahre.
Bilder aus Weimars Blüthezeit. Von A. v. d. Elbe.
(Fortsetzung.)
30.

Wie kann Luise Dir entgegenkommen?“ sagte die Herzogin Amalie einige Wochen später zu ihrem Sohne, dem Herzoge, der mit ernstem Ausdruck neben ihrem Sopha stand, in welchem sie eifrig und lebhaft redend saß.

„Sag mir selbst, Karl, kann von ihr eine Avance ausgehen? Sie, eine zartfühlende Frau und so lange von Dir negligirt, ja gemieden! Das Herz dreht sich Einem um, wenn man die stumme Qual des armen Geschöpfes ansieht!“

Der Herzog wurde unruhig. „Sie hat es nicht anders gewollt,“ stieß er hervor. „Ich bin auch nicht in Abraham’s Schooß gebettet! Wie Du nur so für sie Partei nehmen kannst?“

„Nehme ich denn Partei? höchstens etwas Rücksicht. Bedenke, wie sie erzogen ist. Ihre Mutter, Karoline von Pfalz-Birkenfeld, Freundin meines Oheims Friedrich von Preußen, war doch, wie allbekannt, eine durch Feinheit und hohe Bildung hervorragende Frau. Wieland sagt von ihr: wäre ich König der Schicksale, sollte sie Königin von Europa werden! Von solcher Mutter sammt den Schwestern vor ein paar Jahren nach Petersburg geführt, mit der Aussicht, vielleicht Kaiserin von Rußland zu werden, hat sie den dortigen Glanz, die großen Formen der Etikette mit Admiration in ihr junges Herz gesogen. Und nun hier, was konnten wir ihr anbieten? Das Schloß war abgebrannt, als sie kam, sie wohnte beschränkt, ein Hofstaat wurde ihr erst nach und nach arrangirt; sie entbehrte viel, nach ihrer Auffassung; natürlich, daß sie Heimweh bekam und nicht froh war. Wir Beiden sind auch – um gerecht zu sein – nicht danach gemacht, ihren Ansprüchen an vornehme Fa­çon völlig zu genügen –“

„Gottlob, daß wir’s nicht sind, Mutter!“ unterbrach er sie mit heiterm Auflachen, beugte sich herab und küßte die lebensprühende Frau auf die Stirn. Sie drückte ihm mit liebevollem Blick die Hand und fuhr fort:

„Was willst Du? Man kann sich die Leute nicht durch die Schablone malen. Ihr beiden scheint, wie die Dinge gehen, freilich gar nicht für einander gemacht, habt Euch kaum jemals recht lieb gehabt – wann aber lieben sich Fürsten? Betonen wir die Pflichten, Karl, die Ihr für einander und für das Land habt! Ich sagte Dir neulich schon, wenn das so fortgehe, müsse ich Constantin ebenbürtig verheirathen. Der dumme Knabe will’s nicht! Du wirst auch nicht für seine Kinder tagwerken wollen. Also mach ein Ende und lebe wieder mit Luisen, wie sich’s gehört! Und so horrible ist’s doch im Grunde auch nicht, sie ist ein hübsches Weibchen, das tausend andern Männern wohlgefiele.“

„Luise? Mag sie hübsch sein, ich empfinde ihre Reize nicht. Feuer, Caprice, Unverstand machen ein Weib begehrenswert; von alledem hat Luise gar nichts. Sie ist correct und tugendhaft, wie eine still duldende Madonna.“

„Ueberwinde Dich und komme ihr entgegen! Also Karl, sei brav, gieb endlich meinen Bitten nach. Du siehst selbst, der jetzige Zustand ist abominable!“

„Wenn sie will, warum nicht? In letzter Zeit hatte sie nichts als spröde Ablehnung für mich.“

„Mir hat sie mit nicht mißzuverstehender Betonung gesagt: sie kenne ihre Pflicht und werde sich derselben nie entziehen!“

„Wohlan, hier meine Hand darauf, ich will versuchen, wieder mit ihr in’s Gleiche zu kommen!“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_758.jpg&oldid=- (Version vom 3.10.2022)