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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

über sich und ihr Land den Eingeborenen selbst zuzugestehen und zu sichern ist. Bisher haben die Besitz ergreifenden Europäer nur die Formalität eines Vertrages mit den Eingeborenen für nöthig gehalten. Das hat auch noch Brazza am Ogowe und Congo gethan, als er „mit französischen Flaggen bei den Häuptlingen hausiren ging“.

Mochte diese Formalität thatsächlich auch nur eine Täuschung der unwissenden „Wilden“ sein, mochte die Einschmuggelung des französischen Protectorats noch so bedenklich erscheinen, so war doch immer die äußere Form eines Vertrags gewahrt. Auch andere gewaltsame Annexionen wurden, um den Schein des Rechts zu wahren, in der Weise erklärt, daß ein Kriegszustand zwischen den Parteien durch einen Friedensvertrag zum Abschluß gebracht worden sei, der die Annexion des Landes oder dessen Unterstellung unter den Schutz des Siegers anerkannt hat. Alle diese Vorgänge sind indeß noch sehr häufig unklar, und es bleibt wünschenswerth, daß die vielbesprochene Congoconferenz auch hierüber Bestimmungen treffen werde, die des Geistes unserer Zeit würdig sind.

Also eine internationale Conferenz zur Regelung colonialer, maritimer Angelegenheiten in – Berlin! in der viel verspotteten Sandbüchse des heiligen Römischen Reichs! Welche wunderbare Wandlung in der staatlichen Machtstellung Preußens, Deutschlands – in der kurzen, flüchtigen Zeit von kaum einem Jahrhundert!

Erinnern wir uns nur, daß der jugendliche Alexander von Humboldt, wenige Tage nachdem er im März 1792 als stimmberechtigter Assessor in das Bergwerks- und Hüttendepartement zu Berlin eingetreten war, dem Freunde und Freiberger Studiengenossen Karl Freiesleben in heiterem Spott geschrieben: „Ich gehe auf fünf bis sechs Tage nach Linum, wo die große Torfstecherei! – nach Zehdenik, wo ein hoher Ofen! – und nach Rheinsberg, wo ich Auftrag habe einen Fayenceofen zu untersuchen! – Das sind – – bergmännische Beschäftigungen!! – Ich bleibe gewiß nicht lange in Berlin, da Berlin ebenso der Sitz eines Admiralitäts-, als eines Bergcollegiums sein könnte.“

Ein Admiralitäts-, ein Bergwerkscollegium in Berlin schien also damals eine Chimäre, an die man nur mit Scherz und Spott denken konnte.

Aehnlich scherzte auch noch später H. W. Dove. In seiner Ansprache bei dem Feste des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Berliner Geographischen Gesellschaft (1853) sagte er: „Es war ein kühner Gedanke, in Berlin eine geographische Gesellschaft zu gründen. Wenn man im Hafen von Liverpool über den Wald von Masten blickt, wenn man die riesigen Dampfschiffe sieht, die wie eine fliegende Brücke die neue Welt mit der alten verbinden, so mag man wohl meinen, hier, wo die Fäden eines die ganze Erde umspannenden Netzes der Verbindung zusammenlaufen, möge die Stelle sein, einen solchen Verein zu gründen. Aber ein Blick auf die bescheidene Aepfelflotte, welche am Fuße des königlichen Schlosses in Berlin vor Anker liegt, ermuthigte wenig zu einem solchen Unternehmen.“

Wir können an diese Scherze mit heiterer Befriedigung erinnern.

Seitdem Dove jenes Wort gesprochen, waren kaum zwanzig Jahre verflossen und ein noch kühnerer Gedanke hat im April 1873 in demselben Berlin „Die afrikanische Gesellschaft“ in’s Leben gerufen, die in wissenschaftlichem, idealem Streben keine geringere Aufgabe hatte, als die Erforschung des unzugänglichen äquatorialen Binnenlandes von Afrika. Wie groß die Zahl deutscher Männer gewesen, die sich der Lösung dieser Aufgabe unterzogen haben, wie Ruhmvolles mit Aufopferung an Gut und edlen Menschenleben geleistet worden, das alles lebt im Bewußtsein der Zeitgenossen und braucht nicht hier gesagt zu werden. „Quer durch Afrika“, „Im Herzen von Afrika“ sind stolze Titel deutscher Werke, die wie schmetternde Fanfaren ihre Entdeckungs- und Erforschungszüge verkünden.

Dasselbe Berlin, das Humboldt einst so arg verspottet, ist seit geraumen Jahren der Sitz eines Ober-Bergamtes, von dem die reichsten, einträglichsten Berg-, Hütten- und Salinenwerke

Am Strande. Nach dem Oelgemälde von W. Kray.
Photographie im Verlage von Fr. Hanfstängl in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_772.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)