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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

nordöstlichen Berge ab, die in tiefe Barbarei verfallen waren, als die Araber das von ihnen eroberte Land unter hohe Cultur brachten. Die Andalusier, in deren Adern noch heut arabisches Blut fließt, sind die bevorzugtesten Lieblingskinder des spanischen Bodens. Schlanke und geschmeidige Gestalt, feine Köpfe, leuchtende Augen, dunkle Hautfarbe, anmuthiges Wesen verbinden sich mit einem oft in Leidenschaftlichkeit ausartenden Feuer, mit lebhaftem Geiste, um uns diese Südspanier besonders liebgewinnen zu lassen. Volks- und Straßenleben gestalten sich denn auch schon in Valencia, Murcia, überall wo die Mauren lange Jahrhunderte das Land besessen haben, vor allem aber in Andalusien selbst, fast malerisch, heiter, ansprechend. Von der Volkstracht ist wenig übrig geblieben, das meiste daran nur künstlich erhalten. Die Blumenverkäuferin, die auf der Rambla von Barcelona, auf dem Markte von Valencia hinter den duftenden und farbeglänzenden Blüthenpyramiden sitzt, trägt manchmal noch das knappe Sammetjäckchen, den kurzen mit Spitzen besetzten Rock, immer den Schleier im Haar, mit Blumen oder blanken Nadeln befestigt. Der Stierkämpfer kleidet sich ähnlich wie Leporello oder Figaro in der Oper mit grellen Seidenstrümpfen, die Hosen und die seidengepuffte Jacke voll kleiner Knöpfe, trägt farbige Schärpe und sammetnes Barett.

Das gehört zum Geschäft. Die Frauen sind vollständig dem Kattun verfallen, nur die Männer würde man auch äußerlich als Spanier erkennen, wo immer man ihnen begegnete. Die streifige Wollendecke schlagen sie geschickt um Arm oder Schulter, mit dem kurzen schwarzen, farbig gefütterten Mantel verstehen sie sich prächtig zu drapiren, und Mantel oder Decke trägt jeder Mann, jeder Knabe im südlichen Spanien. Das macht die Straßen bunt, malerisch. Das steigert sich noch auf den Märkten.

Gärten des Alcazar: Gallerie Don Pedro I.
Originalzeichnung von R. Püttner.

Am reizendsten ist der Markt von Valencia, am lebhaftesten in Murcia, weit weniger interessant in den eigentlich andalusischen Städten Granada und Sevilla. Die Märkte von Valencia haben die Gestalt von Gartenhöfen. Häuserfronten bilden ein Rund oder ein geschlossenes Quadrat, zu dem nur wenige Ausgänge führen. In der Mitte sprudelt ein Brunnen. Der Wasserstrahl senkt sich in Schalen, deren unterste dem augenblicklichen Bedarfe dient. Palmen, Ulmen, Akazien beschatten rings den Platz. Dorthin kommen die Landleute aus der Huerta, führen auf ihren beladenen Maulthieren, auf zweiräderigen Karren, die ein alter Eselschimmel schleppt, köstliches Gemüse, süße Früchte, Eier, Blumen und häufen das leckere Erzeugniß des Landbaues unter den Bäumen zu Bergen auf. Die Männer auf Sandalen, die streifige Decke um den Leib geschlungen, den Kopf mit rothem Madras umwunden, die Hüften mit breiter rother Wollenbinde gegürtet, versehen den Dienst. Ein Junge folgt ihnen, der Unrath, Kraut, Orangenschalen sorgsam zusammenkehrt und in den von Spartogras geflochtenen Korb dem Grauthier aufladet. Die Orangenschalen werden an Händler verkauft, zum Trocknen und Versenden, das Uebrige kommt auf’s Feld. Die Marktstätte sieht aus, als ob dort die Araber feilhielten, – völlig orientalisch noch heute.

Weit reicher erscheint das Marktleben in Murcia. Dort trägt der Landmann weite weiße Hosen, enge feine Strümpfe, ein weißes Wams; nur die rothe Leibbinde hebt sich aus dem farblosen Kleide grell hervor. Da steigert sich das Gewühl zum Gedränge. Alles, selbst Fleisch und Fisch, sogar Hausrath bietet man dort feil. Züge, die an das vergangene Maurenthum erinnern, lassen sich hier noch viel deutlicher erkennen. Vor allem die Vorliebe für frisches, klares Wasser zu einem kühlen Trunk. Aus arabischer Zeit haben sich entschieden die Formen jener Thonkrüge erhalten, die wir in Murcia, Alicante, Cartagena und weiter im Süden in jedem Hause antreffen. Mit diesen „Tinajas“ beladet der Töpfer seinen Eselkarren, fährt umher und findet überall Absatz, denn gar leicht zerbricht solch ein bauchiges Gefäß. Sie finden wir ebenfalls auf dem Markte in Murcia. Ihre Form ist gefällig, ähnlich denen, die man noch heute überall im Orient findet. Die Gefäße bleiben unglasirt, sodaß das durchschwitzende Wasser verdampft, wodurch es sich kühl erhält. Selbst auf den Landstraßen begegnet man den Tinajakarren des hausirenden Töpfers. Draußen füllt man diese Krüge am Brunnen selbst. In den Städten aber bildet diese Arbeit eine eigene, von Jungen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 786. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_786.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2022)