Seite:Die Gartenlaube (1884) 788.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

einen blühenden Akazienzweig, ein Bündel bunter Blüthen in’s Haar, auf den öffentlichen Plätzen verbreiten die blühenden Orangenbäume betäubenden Duft, festlich, blüthenreich, üppig erscheint ganz Sevilla an solchen Feiertagen. Der Alguazil hat seine beste Uniform hervorgesucht. Eine Art Schutzmann oder Gensd’arm nach unseren Begriffen, gehört er zu den stehenden Straßengestalten, die indessen niemals als Einzelwesen, sondern immer paarweise erscheinen. Zwei solcher uniformirter Hüter der öffentlichen Ordnung und Sicherheit stehen auf jedem Bahnhofe, man begegnet ihnen auf allen Landstraßen, sie halten uns an, fragen uns aus, wenn wir einen Spaziergang in die Umgebung der Stadt machen, sie geleiten die Karren mit gefesselten Verbrechern, die wir allenthalben, von Maulthieren gezogen, treffen. Hoch zu Roß hält ein Paar Alguazils die Wagenreihen vor dem Theater, vor dem Stierplatz, auf den öffentlichen Promenaden in Ordnung, es giebt kein Straßenbild in ganz Spanien, das ohne Alguazils denkbar wäre. Die öffentliche Unsicherheit, die Besorgniß vor plötzlichen Aufständen, aus denen in diesem Lande leicht Revolutionen werden können, mag diese ungeheure Zahl von Polizeisoldaten nothwendig gemacht haben. Sie sehen ungemein stattlich aus, ganz geeignet, diesem Volke Respect einzuflößen, sie schlendern durch die Straßen, bewachen die öffentlichen Plätze, auf denen die bunte Menge durcheinander wogt, sich zu den Limonadenweibern, den Eisverkäufern drängt, auf den Bänken sitzend, den Beginn des Volksconcerts, der Feuerwerke, der Wettkämpfe erwartet.

Rast der Maulthiertreiber.
Nach dem Oelgemälde von J. G. Vibert.

In einer Ecke giebt es Hahnenkampf, wie die Anschlagzettel an dem kleinen Hause verkünden. Dorthin drängt man besonders. Kaum ist es möglich, über die Menschenmasse hinwegzusehen, die sich in dem kühlen Binnenhofe, dem Schauplatz des Kampfes, um die beiden Helden schaart. Die Kampfhähne sind durch Fleischnahrung und sonstige Diät zu ihrem Berufe vorbereitet worden. Nur Thiere mit langen natürlichen, noch künstlich verschärften Sporen werden zugelassen. Man rupft ihnen die Schwänze und einen Theil des farbigen Federkragens ab. Die armen Dinger sehen struppig, halb nackt aus, bieten so verstümmelt den Angriffen sich schutzlos dar, jede Wunde, jeder Blutstropfen ist sofort zu sehen. Wüthend springen die Hähne auf einander los und verbeißen sich. Die Zuschauer ermuntern sie durch Zurufe, erhitzen sich selbst durch lautes Geschrei. Während die Kampfthiere sich blutend in der kleinen Arena umherzerren, beginnen die Wetten. Laut bietet der Eine ein Silberstück auf den Hahn seiner Wahl: ein Anderer hält auf den Gegner. Das Geld fliegt wie bei der Spielbank auf den Plan. Silbermünzen liegen am Boden. Mit der steigenden Aussicht auf Gewinn oder Verlust erhitzt die Leidenschaft der Zuschauer sich immer mehr. Man geberdet sich wie toll. Indessen ringen die blutigen Thiere immer erbitterter mit einander, von Schnäbeln und Sporen grimmig zerfleischt. Endlich liegt einer am Boden.

Der Sieger hackt ihn mit unverminderter Wuth zu Tode. Aber auch er blutet aus unzähligen Wunden und er erholt sich selten. Bleibt er aber am Leben, so steigt sein Werth gleich dem des Rosses, das öfter auf der Rennbahn gesiegt hat. Die Gewinner raffen ihr Geld zusammen, die Anderen versuchen ihr Glück bei einem späteren Kampfe.

Man besucht den Alcazar (vergl. die Illustrationen S. 785 und S. 786) seine Gärten, seine Prachtgemächer im Stil der Alhambra, wenn ihn nicht, wie im Herbst, die Königin Mutter Isabella bewohnt. Die berückende Schönheit dieser

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_788.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2022)