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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Den portugiesischen Entdeckern folgten naturgemäß die portugiesischen Kaufleute, und noch vor dem Ende des 15. Jahrhunderts hatten die Portugiesen längs der ganzen afrikanischen Westküste, am Senegal, am Gambia, am Rio Grande, an der Goldküste, im Golf von Benin und am Congo Handelsfactoreien errichtet. Allmählich erweiterten sie ihren Besitz, drangen in das Innere des Landes ein, schlossen Freundschafts- und Handelsverträge mit den Häuptlingen, verbreiteten das Christenthum und trieben dabei in schwunghafter Weise – Sclavenhandel.

Namentlich am Congo blühten ihre Factoreien. Das Land, welches jetzt in einen afrikanischen Freistaat umgewandelt werden soll, trug damals den stolzen Namen des „Königreiches Congo“. Es zerfiel in sechs Provinzen, die von einzelnen Häuptlingen regiert wurden, denen die Portugiesen die klingenden Titel eines Herzogs, Grafen oder Marquis beilegten. San Salvador, südlich vom Congofluß gelegen, war die Hauptstadt des Reiches und soll zur Zeit der höchsten Blüthe desselben, im Anfang des 17. Jahrhunderts, 40,000 Einwohner gezählt haben. Die Stadt hatte auch einen Bischof, ein Jesuitencollegium, ein Kapuzinerkloster, eine Kathedrale und zehn kleinere Kirchen. Die portugiesischen Patres tauften das Volk in großen Massen, ein einziger von ihnen soll während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes am Congo allein 100,000 Taufen vollzogen haben, aber sie scheinen ihr Christenthum mehr in äußeren Formen als in guter Belehrung bethätigt zu haben, denn schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts war jede Spur der christlichen Religion in jenen Ländern verschwunden.

Die Herrlichkeit des Königreiches Congo brach denn auch in kläglicher Weise zusammen. Die „Könige“ von Congo vertrieben die Ansiedler und Missionäre und zerstörten die Kirchen, von denen hier und dort heute nur noch spärliche Ruinen vorhanden sind. Als nach hundert Jahren, 1857, Adolf Bastian die Hauptstadt San Salvador besuchte, fand er in der Königin ein gewöhnliches Negerweib und rings um sie ein „zerlumptes Negergesindel, das sich gegenseitig als Herzöge, Grafen, Marquis etc. titulirte und sich mit angehangenen Kreuzen brüstete, die als Christus-Orden bezeichnet wurden“.

Das ist in kurzen Zügen die Geschichte der Portugiesen am Congo, das sind die Großthaten, auf welche jetzt Portugal pochen möchte, um von den Mächten die Anerkennung seiner Hoheitsrechte über das Land, das inzwischen durch Stanley neu entdeckt und der Cultur erschlossen wurde, zu erwirken! Wenn auch die portugiesische Regierung die steinernen Säulen am Congo wieder aufstellen ließ, so wird man über diese Ansprüche einfach zur Tagesordnung übergehen, denn die Anerkennung solcher verjährter Forderungen würde heute nur die größte Verwirrung hervorrufen. Mit demselben Rechte könnten ja die Portugiesen auch Aden für sich beanspruchen, denn dort und am Cap Guardafui hatten sie im Jahre 1503 zur Wahrung ihrer Handelsinteressen Schiffe aufgestellt, die alle aus dem Rothen Meere auslaufenden Fahrzeuge überfallen sollten.

Das war schon reine Piraterie, und man muß leider bekennen, daß sie dem damaligen Zeitgeiste entsprach, denn je weiter wir jetzt in die Geschichte des westafrikanischen Handels eindringen, desto weniger erfreulichen Bildern begegnen wir lange Zeit hindurch in derselben.

Den Portugiesen folgten bald andere Völker nach Westafrika.

Den Reigen eröffnete Thomas Wyndham, der 1551 ein englisches Schiff dorthin führte. Er brachte von seiner Expedition 75 Kilogramm Goldstaub mit und veranlaßte dadurch einige Kaufleute zur Ausrüstung zweier stattlicher Schiffe, die unter seinem und des Portugiesen Pinteado Befehl wirklich nach Afrika absegelten. Aber bei der Uneinigkeit der Führer nahm die Expedition ein klägliches Ende. Glücklicher war John Lok, der im Jahre 1554 Madeira, Teneriffa, Barbas und den Fluß Sestos besuchte und mit 200 Kilogramm Goldstaub, 250 Elephantenzähnen und 36 Faß Guineapfeffer heimkehrte.

Ein wenig erbauliches Bild der damaligen Zustände bietet uns die nachfolgende Expedition William Towrson’s.

Auch die Franzosen hatten damals die Goldküste aufgesucht, und die Handelsfahrer erscheinen plötzlich als regelrechte Piraten, die sich gegenseitig überfallen und selbst förmliche Seeschlachten liefern. So begegnete jener Towrson, noch lange bevor er an die afrikanische Küste gelangt war, einem portugiesischen Schiffe, das er „erbeutete und ungestraft hätte vernichten können, hätte ihn nicht ein gewisses Mitgefühl für seine Gefangenen veranlaßt, ihnen diejenigen Vorräthe, deren er selber bedürftig war, abzukaufen und sie dann ungehindert segeln zu lassen“. Im nächsten Jahre vereinigte sich derselbe Towrson aber mit drei französischen Schiffen zu einem Angriff gegen eine kleine portugiesische Flotte.

Die Portugiesen hielten wieder alle fremden Schiffe, die an der Westküste von Afrika erschienen, für unberechtigte Eindringlinge in ein Gebiet, das laut der päpstlichen Schenkung[1] ihnen gehörte, und suchten mit den Waffen in der Hand ihr „gutes Recht“ zu vertheidigen. Aber die anderen Völker ignorirten einfach jene Theilung der Welt unter die Spanier und Portugiesen, und England war das erste Land, das seinen Unterthanen Patente zum Handel mit Westafrika ausstellte.

Als dann im Jahre 1591 Richard Reynolds und Thomas Dassel nach England heimgekehrt waren, konnten sie bereits berichten, daß die Portugiesen am Senegal von den Negern vertrieben worden und die Franzosen sich in Senegambien festgesetzt hätten.

Es herrschte eben Faustrecht in Westafrika, und wie man damals Handels- und Entdeckungsreisen machte, davon giebt das Schicksal der Thomson’schen Expedition ein abschreckendes Beispiel. Am Anfang des 17. Jahrhunderts wollten die Engländer den Weg zu den sagenhaften Goldminen und dem großen Markt Timbuctu im inneren Afrika finden, und George Thomson fuhr zu diesem Zwecke auf Booten den Gambia hinauf. Inzwischen aber überfielen die Portugiesen das an der Mündung des Flusses zurückgelassene Schiff und tödteten die Mannschaft. Eine andere Expedition konnte nach wenigen Jahren nur den Tod Thomson’s feststellen und mußte unverrichteter Dinge zurückkehren.

Bald darauf erschien an der Westküste Afrikas ein neuer Feind der Portugiesen: die Niederländer, die inzwischen das spanische Joch abgeworfen hatten.

Im Jahre 1621 erhielt die „Westindische Compagnie“ von den Generalstaaten das Privilegium, alle Länder zwischen dem Wendekreis des Krebses und dem Cap der guten Hoffnung erobern zu können. Sie machte von diesem Privileg einen gründlichen Gebrauch, suchte wirklich zu erobern, was sie erobern konnte, und verdrängte bald die Portugiesen von allen wichtigeren Punkten.

Mit dieser Compagnie mußte auch die Besatzung der einzigen damaligen deutschen Colonie an der afrikanischen Küste einen harten Strauß ausfechten (wir haben über die Geschichte von Groß-Friedrichsburg in Nr. 23 dieses Jahrganges ausführlich berichtet). – In solchen unaufhörlichen Kämpfen verliert sich die erste Epoche der afrikanischen Handelsgeschichte, welche treffend als der Krieg Aller gegen Alle bezeichnet wurde.

Aber ein neuer Tag stand bevor. Das Frühlicht einer besseren Zeit erglänzte über dem „dunkeln Welttheil“. Im Jahre 1788 wurde zu London von Sir Joseph Banks die „British-African Association“ gegründet, deren Programm die Beförderung der Entdeckungen im Innern Afrikas, der Civilisirung der Einwohner und der Hebung des Handels war, und am 17. April 1807 wurde abermals in England die „African Institution“ zur Abstellung des Sclavenhandels und zur Beförderung der Civilisation der afrikanischen Völker errichtet.

Es begann nunmehr ein neues Zeitalter der Entdeckungen; edle, hochherzige Männer aller Nationen stellten sich in den Dienst der geographischen Wissenschaft und unternahmen zahllose Reisen nach allen Richtungen des afrikanischen Welttheils. Sie lenkten von neuem die Aufmerksamkeit der Handelswelt auf jene volkreichen Länder und ihnen folgte bald ein besserer Stamm von Kaufleuten, der grundverschieden war von jenen Raubhändlern früherer Jahrhunderte. Sie fanden kaum Spuren der alten Factoreien, die Castelle und Forts verlassen und zerstört, die Grenzen früherer Besitzungen zum größten Theil verwischt. Es gab am Atlantischen Ocean wiederum unermeßliche Strecken herrenloser Länder.

Allen diesen Kaufleuten bot die westafrikanische Küste den denkbar weitesten und freiesten Tummelplatz für ihre Handelsunternehmungen. Die zu erschließenden Gebiete waren so unermeßlich, daß Jeder, der in ihnen erschienen war, genügenden Raum für sich finden und, ohne dem andern den Weg zu kreuzen, nach eigener Lust schalten und walten konnte. Aber mit der Zeit mehrten sich überall die Handelsniederlassungen, und mit ihrem


  1. Vergl. „Die Theilung der Erde“. „Gartenlaube“ Nr. 47, S. 771 d. J.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_806.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)