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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

rührende Züge seiner Wohlthätigkeit, seiner warmen, menschlichen Theilnahme.[1] Mißtrauen freilich war ihm nicht fremd, ja es wuchs mit den Jahren, da sein körperlicher Zustand die Berliner Bühnenleitung bewog, ihm größere Aufgaben, denen seine Kräfte nicht mehr gewachsen waren, vorzuenthalten, aber nie hat er sich zur Heuchelei erniedrigt, wie er auch in der Laufbahn seines Ruhmes keines jener unwürdigen Mittel angewendet hat, welche der Genialität von heutzutage so oft anhaften.

Ludwig Devrient starb am 30. December 1832, nachdem er sechzehn Jahre der Berliner Hofbühne angehört hatte. – Seinen Manen, denen in diesen Blättern schon verschiedene Male ausführlicher gehuldigt worden ist, diese kurze Rückerinnerung bei der hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages darzubringen, war der Zweck dieser Zeilen.

Unter den zahlreichen[WS 1] Bildern, die Ludwig Devrient’s Züge der Nachwelt vermitteln, ist das dieses Gedenkblatt begleitende von seinen Zeitgenossen am meisten geschätzt, da es, aller schmeichelnden Zuthaten bar, die größte Ähnlichkeit besitzt. –

„Das kommt nicht wieder,“ sagte der Berliner Kunstfreund – mehr aber darf und muß es uns gelten, daß es vorher auch nicht war und dennoch lebendig fortwirkt in der Entwickelung der deutschen Schauspielkunst, die sich trotz aller pessimistischen Klagen über den Verfall des Theaters, dank jenen großen Vorbildern, wenigstens in der Harmonie des Ganzen, in der Treue gegen den Dichter als eine vorwärtsstrebende Kunst bewährt hat. Max Martersteig.     


  1. Vergl. „Gartenlaube“, Jahrgang 1861, Nr. 27.

Blätter und Blüthen.

Aus der Spinnstube. (Mit Illustration S. 856.) Thüringen, das grüne Blatt, welches sich Deutschland, nach dem Worte des Dichters, zum Schmuck und zur Zierde an seine Brust gesteckt hat, ist nicht blos durch seine natürliche Schönheit vor vielen anderen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes ausgezeichnet, sondern übt auch durch die eigenartigen Sitten und Gebräuche seiner Bewohner einen mächtigen Reiz auf den Fremden aus. Die Liebe zur gemüthlichen Geselligkeit, die bei dem sangeslustigen Thüringer von Alters her so sehr zu Tage tritt, hat auch manche volksthümliche Gewohnheiten geschaffen, die sich unverändert von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt und erhalten haben. Ein solcher Brauch, der sich noch in vielen Gegenden unseres Vaterlandes findet, ist der „Spinngang“. Kommt die kalte Jahreszeit und hüllt die ganze Natur in ein eisiges Schneegewand, dann beginnt für die Land- und Waldbewohner Thüringens eine einförmige, freudenarme Zeit, und die mächtigen Schneewehen schneiden ihnen oft jeden Verkehr mit der Außenwelt ab. Darum suchen sie sich gegenseitig die trübe Winterzeit abwechselnd zu gestalten, und namentlich in den hochgelegenen Gebirgsorten gewährt dann die „Spinnstube“ für Alt und Jung Unterhaltung und Lust. Die Nachbarn kommen des Abends zusammen, die Frauen spinnen, die Männer schmauchen ihr Pfeifchen, und dabei wird erzählt von Berg und Thal, von Thier und Baum, von Land und Meer. Ungleich lustiger geht es in den Spinnstuben der Dorfjugend zu. Da sprudeln die jugendlichen Gemüther über, es giebt ein Scherzen, Necken und Spielen ohne Ende. Gern mischt sich wohl ein altes Mütterlein mit unter das übermüthige Volk der Burschen und Mädchen, und manch schönes Waldmärchen erzählt die Alte den aufmerksamen „Spinngästen“.

Erst wenn der Ruf des Wächters auf der Straße ertönt, dann kehren Vater und Mutter vom Nachbar zurück, und auch die Spinngäste rüsten sich zum Aufbruch. Freundlich geleiten die biedern Hausleute die flinken Spinnerinnen bis zur Hausthür, aber nur zaghaft treten diese hinaus in’s Freie. Denn gewöhnlich werden sie dort von den vorausdrängenden Burschen mit Schneeballen empfangen, und nur schleunige Flucht bringt sie aus dem unsichern Bereiche der lachenden Schützen. H. Heinz.     


Weihnachtsleckereien auf dem Weltmarkte. Ein alter Scherz behauptet, ein Kostgänger könne am billigsten bei der Post leben, koste dort ein Couvert doch nur 10 Pfennig, à la Karte gebe man nur 5 Pfennig und Leckereien habe man sogar ganz umsonst. Umsonst? Wohl nicht ganz, bezahlen muß man sie schon, die echten Leckereien nämlich, mit denen wir uns zu Weihnachten allesammt so schön den Magen verderben. Aber fast umsonst liefert die Post sie uns doch, nämlich vom Laden auf den Tisch; man denke: 10 Pfund Marcipan von Königsberg nach Stuttgart für 50 Pfennig, und ebenso viel Lebkuchen von Nürnberg nach Memel – ist das nicht fast umsonst? Und dieses „fast umsonst“ hat dem Weltmarkte Artikel zugeführt, von denen er früher nie etwas „auf Lager“ haben konnte. Vor 15 Jahren noch hätten die genannten süßen 10 Pfund an Fracht das Fünffache ihres Werthes verschlungen, und so vertheuerte Artikel führt der Weltmarkt nicht, selbst aus Galanterie gegen das schöne Geschlecht nicht, dessen Vorliebe für Süßigkeiten männiglich bekannt ist. Das haben wir erst dem großen deutschen Reichspostmeister zu verdanken, der den 50-Pfennigsatz einführte. Seitdem beherrschen gewisse Weihnachtsleckereien zu ihrer Zeit den Weltmarkt, und zwar von bestimmten „classischen“ Productionsstätten aus sich in alle vier Winde zerstreuend. Basel, um als höfliche Leute Fremden den Vortritt zu lassen, versendet centnerweis seine köstlichen „Leckerli“ innerhalb des deutschen Reichspostgebietes für 50 Pfennig das Fünf-Kilo-Paket, Nürnberg hat seine Lebkuchen-Industrie um das Vierfache vermehrt, seitdem es seine verführerische Waare in den bekannten Schachteln für 50 Pfennig Porto den Leckermäulern in Nord und Süd direct zuführen kann. Königsberg nimmt zur Weihnachtszeit die Kräfte eines kleinen Postamtes lediglich für die Versendung seines Marcipans in Anspruch, Hunderte von Centnern dieses Magenbeschwerers und ach so köstlichen Verdauungsverderbers nehmen von hier aus ihren Weg, ähnlich geht es in Lübeck zu, der alten praktischen Hansestadt, welche es so vortrefflich versteht, den Leuten „was Süßes vorzumachen.“ Und Thorn, der arge Zankapfel an der Weichsel, um den sich Polen und der deutsche Orden einst unaufhörlich stritten, vertritt jetzt eine friedliche Mission im Rathe der Völker. Seine Pfefferkuchen sind weltberühmt und werden waggonweise zur Weihnachtszeit zur Befestigung des allgemeinen Friedens verladen: wirkt doch jener gewürzreiche, milde Honigkuchen so versöhnend auf den Menschen und den Weihnachtsmagen, bildet er doch das Correctiv gegen seine süßen Concurrenten, das Marcipan und die Lebkuchen. So möge man denn Eins mit dem Andern nicht entbehren, und wer in der heutigen von Colonial-, Welthandels- und Weltverkehrsfragen durchrüttelten Zeit sich kräftig an der Lösung dieser Fragen betheiligen will, greife die Sache praktisch an und sorge für einen guten Umsatz der Weihnachtsleckereien auf dem Weltmarkte. – r.     


Ein neues Buch über den Congo. Wer in letzter Zeit aufmerksam der Entwickelung der colonial-politischen Ereignisse gefolgt war und sich über die schwebenden Zeitfragen genauer unterrichten wollte, der mußte in unsrer sonst so stattlichen „afrikanischen Literatur“ schmerzlich eine Lücke empfinden. Es fehlte uns ein Buch, welches die jetzige Lage der Dinge an dem vielbesprochenen Congo in klarer und anschaulicher Weise schilderte, das, frei von der Behandlung schwieriger wissenschaftlicher Fragen, uns ein getreues Bild jener Handelsstationen an dem großen afrikanischen Strome bot, aus denen jetzt ein neuer afrikanischer Freistaat gebildet werden soll. Der englische Reisende H. H. Johnston hat sich das Verdienst erworben, diese Lücke auszufüllen, indem er in seinem Werke: „Der Congo. Reise von seiner Mündung bis Bolobo“ die Natur des Landes, den Charakter seiner Einwohner und das Leben in den berühmten Stanley’schen Stationen des Congo in leichter plaudernder Form schilderte. Wir können es mit Freuden begrüßen, daß die Leipziger Verlagshandlung von F. A. Brockhaus das interessante und mit vielen Illustrationen geschmückte Buch in deutscher Uebersetzung herausgegeben und auf diese Weise der deutschen Leserwelt zugänglich gemacht hat. – i.     


Kleiner Briefkasten.

Frau Clara. Zwei Novellen unserer geschätzten Mitarbeiterin Stefanie Keyser: „Der Krieg um die Haube“ und „Glockenstimmen“ (in einem Bande) erschienen im Verlage von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Ein neuer Band erscheint im nächsten Jahre.

G. D. 1058 B. Wenden Sie sich an die Universitätsklinik in Berlin oder Leipzig. Wir können Ihnen zu unserem Bedauern nicht helfen.

B. in Frankfurt a. O., Osc. M.: Nicht geeignet.


Eine neue Einbanddecke zur „Gartenlaube“. Von der Absicht geleitet, unseren Lesern bei nun bald vollendetem Jahrgang für den vollständigen Band ein elegantes, den Anforderungen des heutigen Geschmackes entsprechendes Gewand zu bieten, ließen wir nach der Zeichnung von Prof. Fr. Wanderer in Nürnberg eine neue Einbanddecke anfertigen, von welcher wir nebenstehend eine Abbildung in verkleinertem Maßstabe geben.

Diese Decke ist von olivenbrauner Farbe, in Gold- und Schwarzdruck ausgeführt und dürfte wohl bald von der Mehrzahl unserer Leser mit Vorliebe zum Einband der Gartenlaube gewählt werden. Sie ist durch jede Buchhandlung zu dem billigen Preise von Mark 1,25 zu beziehen. Mit Benutzung derselben ist jeder Buchbinder im Stande, zu verhältnißmäßig billigem Preise einen soliden und eleganten Einband herzustellen. Auch die früheren Decken können zum Preise von Mk. 1,30 noch bezogen werden.


[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht transkribiert.]


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Erst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zahreichen
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 864. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_864.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2024)