Seite:Die Gartenlaube (1885) 036.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


der Walküre ist etwas traumhaft Undefinirbares ausgedrückt, und das ist vielleicht eine der vornehmsten Ursachen, warum uns das Werk so fesselt. es giebt uns zu denken oder doch zu sinnen.

Die beiden Gesichter sind ganz aus Schilling’scher Schule, weibliche Anmuth und Innerlichkeit und männliche Kraft und Charakteristik in gemessenen Linien. Es ist eine künstlerisch verklärte Realistik, eine echt deutsche Kunst, die uns hier entgegentritt.

Kruse ist der Sohn eines Hamburger Holzbildhauers, also einer von der Zunft. Schon mit dem zehnten Jahre begann er seine künstlerische Laufbahn in der väterlichen Werkstatt. Der Direktor der Hamburger Gewerbeschule, O. Jessen, erkannte zuerst das hervorrragende Talent, er verschaffte dem jungen Mann Stipendien zum Besuch der Dresdener Kunstakademie. 1876 trat Kruse in das Schilling’sche Atelier ein, und der Meister vertraute ihm sofort hervorragende Arbeiten an. An der Germania (Niederwalddenkmal) arbeitete Kruse mit noch vielen Anderen, aber die wunderliebliche Figur der Mosel hat er allein ausgeführt.

In der Nebenzeit während dieser Arbeiten ist unser Kunstwerk, das wir hier besprachen, und ein Gegenstück dazu entstanden, welches eine Walküre darstellt, die den gefallenen Helden nach Walhalla emporträgt. Fertig gestellt ist nur das erstere und zwar im Auftrag des Hamburger Kunstfreundes C. Heinszen, der dasselbe auf der Uhlenhorst in Ueberlebensgröße aufstellen ließ. 1883 errang sich der 27 Jahr alte Künstler die große goldene Medaille auf der akademischen Ausstellung in Dresden. Th. Gampe. 


 Verschmähte Freiheit.
 (Mit Illustration S. 29.)

„Flieg’, mein Vöglein, nun flieg hinaus!
Draußen schlagen die Buchen aus,
Schau’, wie das Feld in Blumen steht!
Draußen ist Frühling voll Lust und Prangen;

5
Hier ist alles so dicht verhangen,

Hier ist ein Winter, der nie vergeht.
... All’ die Bücher, so groß und stolz,
Sorglich gemalt mit reichen Farben,
Sind nicht so reich, wie des Feldes Garben,

10
Und nicht so schön, wie das grünende Holz.

Laß’ mich, daß ich darinnen lerne –
Du, mein Vöglein, flieg’ in die Ferne!

Warst mir seit Jahren ein treuer Genoß,
Wenn mir so einsam die Zeit verfloß;

15
Heut wo der zuckende Frühlingsstrahl

Ueber mein Herz strömt mit einem Mal,
Möcht ich dir, Kleiner, die Freiheit geben,
Die sie genommen aus meinem Leben.
Grüß’ mir die Welt und die Waldesgänger,

20
Fliege, mein lockender Sehnsuchtssänger!


Du aber willst nicht – sträubst das Gefieder,
Setzest dich zögernd am Gitter nieder,
Und ist die Welt doch so weit und froh –
... Einstmals ging es mir ebenso.

25
Liebte ein Mägdlein und sollt’ es nicht,

Sollte wandern und wollt’ es nicht;
Sagte wohl auch: flieg’ fort, mein Herz!
Und es flog immer heimathwärts.
Frühling weckt die Erinnerung ...

30
Ich bin alt – aber du bist jung.

Flieg’ mein Vöglein, mein Sehnsuchtssänger,
Grüß’ mir die Welt und die Waldesgänger!“
Grüß’ mir die Welt und die WaldesgKarl Stieler.


Vor den Schützen. (Mit Illustration S. 33.) Giebt’s wohl unter den eßbaren Geschöpfen auf Gottes weiter, schöner Erde eines, welches solcher Massenvertilgung ausgesetzt wäre, wie der arme Freund Lampe? Man hetzt ihn, schießt ihn, legt ihm Schlingen, packt ihn, schlägt ihn mit dem Knüttel todt, erlegt ihn aber auch mit „Anstand“; er wird zuweilen roh verschlungen, zuweilen zierlich gebraten, mit Rothkraut fein säuberlich verputzt, und herzuzählen sind die, welche lecker nach so einem Häschen sind, sei’s Mensch, sei’s Thier.

Kein Wunder daher, wenn „vor den Schützen“ ganze Bataillone dieser „Löffelgardisten“ hingemäht werden – und doch ein schöner Tod, denn jeder derselben kommt nachher dahin, wo ein ordentlicher Gardist hingehört: zur Köchin in die Küche, allerdings mit dem kleinen Unterschiede, daß der „Löffelgardist“ zur passiven Rolle beim Essen bestimmt ist. –r.     


Das Wachsen eines Riesen soll die Mitte December vorigen Jahres in New-Orleans eröffnete internationale Ausstellung feiern, nämlich das Aufblühen und Gedeihen der nordamerikanischen Baumwollen-Industrie. Genau vor hundert Jahren verließ die erste zur Ausfuhr bestimmte Ernte Südkarolinas in Gestalt von 6 Ballen mit ungefähr 400 Pfund Baumwolle den Hafenplatz Charleston, um zum Londoner Markt gebracht zu werden, heute verschifft Charleston etwa eine halbe Million Ballen im Jahre – so großartig nach echt amerikanischer Weise ist die Entwickelung dieses Riesen. Echt amerikanisch ist auch die Art der Eröffnung dieser Ausstellung: ungefähr 1300 englische Meilen davon entfernt befand sich der Präsident, umgeben von Senatoren und Abgeordneten, von Diplomaten und Staatswürdenträgern, im Weißen Hause zu Washington und drückte dort auf den Knopf der elektrischen Leitung, wodurch im selben Augenblicke die zwanzig Dampfmaschinen (mit 4500 Pferdekraft) der Ausstellungsräume in New-Orleans in Bewegung gesetzt wurden, zum Zeichen, daß die Ausstellung nunmehr eröffnet sei und unter dem Schutze des Sternenbanners stehe. Deutschland ist ebenso wie Oesterreich, Italien, Frankreich, Rußland und die Türkei nur schwach auf dieser Ausstellung vertreten.–r.     



Allerlei Kurzweil.


Schach.
Problem Nr. 1.
Von V. Mieses in Leipzig.
SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.


Bilder-Räthsel.


Auflösung des Jahres-Ringes in Nr. 1: Man beginne mit dem im Centrum stehenden „P“ und lasse jene Buchstaben des Satzes: „Des Jahres letzte Stunde etc.“, auf welche die von „P“ ausgehenden Strahlen münden, so auf einander folgen, wie die Punkte auf den Radien in arithmetischer Folge es bezeichnen. Es ergiebt sich das Motto: „Prosit Neujahr!“


Auflösung des illustrirten Vexir-Räthsels in Nr. 1: Man schalte, wie es die Zeichnung angiebt, das Wort „Herz“ nach dem zweiten Buchstaben des Wortes „Schaft“ ein, und man erhält: „Scherzhaft“ (Sc–Herz–haft).


Auflösung des Kryptonyms „Der Stickrahmen“ in Nr. 1: Läßt man die Buchstaben des Wortes „gratulirend“ so aufeinander folgen, daß man mit dem unterhalb der obersten Blume (Horizontalreihe 1) stehenden Buchstaben beginnt und der Reihe nach abwärts bis zur untersten (11.) Horizontalreihe fortsetzt, so erhält man für die obere Guirlande: „Gertrud“ und für die untere: „Lina“.


Kleiner Briefkasten.

Frau J. M. Klosterneuburg. Wir bedauern sehr, Ihnen die gewünschte Stellung nicht verschaffen zu können. Vielleicht wird ein Inserat in einem Lokalblatte des betreffenden Bade-Ortes von Erfolg sein. Ueber das zu wählende Blatt giebt Ihnen jedes größere Annoncen-Bureau Auskunft.

H. B. in Bukarest. Jedermann darf Ringe tragen nach seinem Geschmack, gleichviel ob sie glatt sind oder nicht; folglich kann auch die betreffende Frau thun, was ihr beliebt. –

C. B. Anonyme Anfragen beantworten wir grundsätzlich nicht.

F. K. Hameln a. W. Das erwähnte Heilmittel ist uns nicht bekannt, die Firma, von der es vertrieben wird, jedoch wegen vielfacher Schwindeleien berüchtigt. – Auf Frage 2. ertheilen wir keine Antwort.

A. Sch. in Pola. Vergl. Sie gefl. Jahrgang 1864, S. 27 etc.!

Josef Richard Freudenthal. Wenden Sie sich an einen Arzt!




Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 21. – Die Nihilisten. Von Johannes Scherr. II. Die Propheten des Nihilismus. S. 26. – Karsten Lehr. Ein Beitrag zur Geschichte des seemännischen Aberglaubens. Aus dem Nachlasse von Edmund Höfer (Schluß). S. 30 – Idealstädte. Von Leopold Katscher. S. 32. – Die Novizen des Reichstags. S. 34. – Blätter und Blüthen: Innsbruckerin. S. 35. Mit Illustration S. 21. – Hoffen und Harren. S. 35. Mit Illustration S. 25. – Ein Schüler Meister Schilling’s. Von Th. Gampe. S. 35. Mit Illustration S. 28. – Verschmähte Freiheit. Gedicht von Karl Stieler. S. 36. Mit Illustration S. 29. – Vor den Schützen. S. 26. Mit Illustration S. 33. – Das Wachsen eines Riesen. – Allerlei Kurzweil: Schach. Problem Nr. 1. Von V. Mieses in Leipzig. – Bilder-Räthsel. Auflösungen des Jahres-Ringes, des illustrirten Vexir-Räthsels und des Stickrahmens in Nr. 1. – Kleiner Briefkasten. S. 36.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_036.jpg&oldid=- (Version vom 16.6.2023)