Seite:Die Gartenlaube (1885) 051.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

indeß keine Aufnahme fand, wegen des „gar zu schaurigen“ Bildes. Um einem ähnlichen Schicksale zu entgehen, lasse ich diesmal die Skizze des Schädelplatzes weg und gebe die eines friedlichen Stilllebens in der Dorftraße, wie ich es von Goapäna’s Hause aus skizzirt hatte. Der ersehnte Revolver würde mir übrigens selbst im schlimmsten Falle wenig genützt haben. Ich kannte ihn; er hatte mich schon einige Mal schmählich im Stich gelassen, wenn es sich darum handelte, den Eingebornen die Ueberlegenheit von Feuerwaffen zu demonstriren. Statt „bang“ machte er zuweilen nur „pink“, das heißt versagte. Uebrigens was nützt ein Revolver, selbst der beste, wenn man von ein paar hundert Kannibalen und mehr umringt ist? Gar nichts! denn nur ein Schuß und im nächsten Augenblick hat man soviel Speere im Leibe, daß man das Aufstehen vergißt. Ich kenne solche Fälle!

Auch an ein Tauschgeschäft war mit dem wackeren Goapäna nicht zu denken. Die Leute in Maupa haben nämlich die sonderbare Marotte, nur solche Schädel ihrem Museum einzuverleiben, deren Besitzer von ihnen erschlagen wurden. Andere Schädel als die ihrer sogenannten, übrigens häufig heimtückisch erschlagenen Feinde haben keinen Werth für sie. Außerdem hatte man bereits angefangen, Rassenschädel zu sammeln. Die kaukasische fehlte zwar noch, aber sieben Mongolen zierten bereits das luftige Gerüste und hatten sich dieses Schicksal selbst zuzuschreiben. Sie waren in einer Djunke weither gekommen, von Hongkong oder Kanton, und wollten Trepang fischen. Das wäre auch alles ganz gut gegangen, aber sie machten sich mehr um die Weiber von Maupa zu schaffen, als diesen und den Männern lieb war; man hieß sie also gehen. Statt dessen hetzten die Chinesen einen bösen Hund auf die Eingebornen, der Einen arg zurichtete. Das steigerte die Aufregung. Aber auch jetzt wäre es noch gut gegangen, hätte man das verlangte Beil und nicht blos ein paar Stückchen Tabak als Schmerzensgeld bezahlt. Aber die biederen Chinesen forderten das Schicksal heraus, denn statt sich einzuschiffen, kehrten sieben von Bord an Land zurück und feuerten auf die Eingebornen. Auch jetzt wäre es noch gut gegangen! Aber die Söhne des Reichs der Mitte verstanden nicht mit dem Gewehr umzugehen. Es kehrten nur drei der Chinesen an Bord der Djunke zurück, die nun schleunigst unter Segel ging, aber unglücklicher Weise bei Ebbe auf eine Bank lief. Die Eingebornen, durch ihre Erfolge kühn gemacht, stürmten nun das Schiff, und auch jetzt hätte es zehn nur einigermaßen guten Schützen gelingen müssen, sie zurückzutreiben. Die Chinesen schossen zwar, und noch dazu mit Hinterladern, aber ohne nur Einen zu verwunden, und so fielen weitere drei, während sieben im Boote entkamen. Sind die Eingebornen deswegen zu tadeln? Ich glaube nicht, und die Ansicht des Kommandeurs eines englischen Kriegsschiffes, der den Fall zu untersuchen hatte, war gleichlautend.

Was uns anbelangt, so waren die guten Maupaner diesmal nicht auf unsere Schädel erpicht, und wir kamen ungeschoren in Goapäna’s Haus zurück, wo inzwischen das Essen angerichtet war. Das Parlor dient in einem Papuahause zugleich auch als Dining-Room und Küche, das heißt in der Mitte der Diele ist eine fast nie erlöschende Feuerstelle errichtet, auf welcher in mächtigen Töpfen stets etwas brodelt und kocht. Diesmal schien der Inhalt ein ganz besonders reicher, denn es entwickelten sich aus den verschiedenen Töpfen gekochtes Känguru- und Schweinefleisch, Bananen, Jams, Brotfrucht und in Fett gebackene Klöße aus Arrowrootmehl, gewiß eine Fülle, wie sie Tausende daheim sich nur wünschen würden. Auch Suppe, wirkliche „Fleschbrie“ aus Känguruschwanz gab es, und die Speisen waren reinlich und nett in Holzschüsseln und auf frischen Bananenblättern servirt. Die ganze Familie nahm übrigens an dem Mahle theil, und auch ich wurde aufgefordert zuzulangen, eine Gastfreundschaft, die mich überraschte. Denn der Papua verlangt für Alles und Jedes Bezahlung; selbst wenn man einem Kranken Medicin giebt, will er bezahlt sein: fürs Einnehmen! Goapäna wich von dieser Sitte selbst als Held und König nicht ab: er klopfte sich auf den Bauch. Ich wußte, was das zu bedeuten hatte, und bald dampfte der Baubau mit meinem Tabak. Der heftige Qualm mahnte mich zugleich zum Aufbruch, und so schied ich von der Papua-Idylle Maupa und ihrem gewaltigen Häuptlinge. Ich lud Goapäna noch zu einer guten Flasche Liebfrauenmilch in den Bremer Rathskeller ein, den ich, Gott sei’s geklagt, nach meiner inneren Ueberzeugung, als ein unvergleichlich besseres Getränk als die allerbeste Kokosnußmilch beschrieb, bezweifle aber, daß er seine Zusage halten wird. Jedenfalls nahm ich nicht nur die beste Erinnerung an ihn, sondern auch den Abguß seines Heldengesichts in Gips mit.


Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Die Weltuhr.

In dem jetzigen Zeitalter des Dampfes und der Elektricität, in welchem durch Eisenbahnen Entfernungen auf der Erdoberfläche gewissermaßen abgekürzt und durch Telegraphen sogar fast ganz aufgehoben werden, machen sich die Unterschiede der Orts-Zeiten um so mehr bemerklich. Reist man von Berlin nach Paris, so findet man, daß die Taschenuhr, welche nach Berliner Zeit gestellt war, gegen die Pariser Uhren um 44½ Minuten vor geht, während bei einer Reise nach Moskau die Taschenuhr um 1 Stunde 36½ Minuten nach gehen würde. Die Zeitunterschiede werden immer größer, je weiter man nach West oder Ost reist. Am auffallendsten treten dieselben bei Anwendung des elektrischen Telegraphen auf. Wird z. B. eine Depesche in London Mittags 1 Uhr nach New-York aufgegeben, so muß dieselbe Morgens 8 Uhr 4½ Minuten desselben Tages dort sein, während eine Depesche, in New-York Mittags 1 Uhr nach London aufgegeben, dort Abends 5 Uhr 55½ Minuten eintreffen wird, obwohl zur Beförderung der Depesche nur wenige Minuten nöthig sind.

Alle derartige Zeitdifferenzen werden hervorgebracht durch die Verschiedenheit der Orts-Zeiten, welche wiederum bedingt sind durch die Lage der Orte nach geographischer Länge.

Eine Vervollkommnung unserer Uhren, wonach dieselben nicht allein die Zeit des Ortes zeigen, für welchen sie gestellt sind, sondern zugleich auch fortlaufend die lokalen Zeiten der wichtigsten Orte der Erde angeben, ist nun gewiß ganz zeitgemäß.

Bei der oben abgebildeten Uhr, die von Otto Wigand in Zeitz hergestellt wird, ist dies schwierig scheinende Problem in einfachster Weise gelöst. Innerhalb eines in 24 Stunden getheilten Zifferblattes, auf welchem die 12 Tagstunden und 12 Nachtstunden besonders markirt sind, dreht sich eine Scheibe, auf welcher alle diejenigen Orte, für welche die Orts-Zeiten verglichen werden sollen, entsprechend ihrer Lage nach geographischer Länge eingezeichnet sind.

Die Scheibe macht (wie die Erde, welche sie darstellt) in je 24 Stunden einen Umlauf, und mit ihr zugleich auch der Stundenzeiger. Dieser wird über denjenigen Ort auf der Scheibe fixirt, für welchen der Apparat als gewöhnliche Uhr dienen soll. In Berlin wird man also den Stundenzeiger über den Punkt, welcher Berlin bezeichnet, in Petersburg über den von Petersburg feststellen etc. Der Minutenzeiger, welcher, wie bei jeder anderen Uhr, in jeder Stunde einen Umlauf macht, vervollständigt den Apparat zu einer gewöhnlichen Uhr. Ein dritter Zeiger, welcher sich durch seine Form und weiße Farbe deutlich von den beiden anderen unterscheidet, läßt sich leicht auf der Achse drehen und dient zur Vergleichung der lokalen Zeiten. Man hat zu dem Zweck nur nöthig, denselben über den Ort zu stellen, für welchen die augenblickliche Zeit gesucht werden soll, um sofort an seiner Spitze dieselbe ablesen zu können. Zeigt z. B. ein nach Leipziger Zeit gehender Apparat Nachmittags 3 Uhr 10 Minuten, und man will wissen, wie spät es in demselben Augenblick in Sydney ist, so dreht man den weißen Zeiger über Sydney, welcher dann 12 Uhr 25 Minuten Nachts als die gesuchte Zeit angeben wird. Aus der mit eingezeichneten Datumgrenze erkennt man zugleich, daß um diese Zeit in Sydney der folgende Tag bereits angebrochen, während es beispielsweise in Honolulu in demselben Augenblick erst Morgens 3 Uhr 48 Minuten des nämlichen Tages ist. – Auch ohne Uhrwerk dient der Apparat zur Vergleichung und Bestimmung der lokalen Zeiten und ist in dieser Form ebensowohl ein instruktives Lehrmittel für Schule und Haus, wie auch eine zeitgemäße Beigabe für jede Uhr und ein Schmuck für Komptoir und Wohnzimmer.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_051.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)