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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


begleiten. Sie sind die beste, die aufopferndste Tochter, Sie werden die aufopferndste Gattin werden. Glücklicher Lopez, was für einen Preis hast Du in dieser Stunde errungen!“

„Leben Sie wohl!“ rief Guadalupe und sah einen Augenblick zu den dunklen Augen auf, die in bewundernder Liebe auf sie gerichtet waren, und deren Blick sie nur zu gern erwidert hätte. „Leben Sie wohl, ich werde an Sie als an einen Freund denken ...“

Einen Augenblick drückte er die Hand, die sie ihm gereicht hatte, leidenschaftlich an seine Lippen. Dann – ohne sich noch einmal umzusehen - stürmte er zur Thür hinaus.

Der Abschied vom Alten war kurz. Der machte ein Kreuz, als der Friedensstörer endlich zum Hause hinaus war.

Die Nacht verging dem armen Mädchen in dumpfer Qual. „Ich hörte doch immer,“ dachte sie bei sich, „daß das Bewußtsein, eine schwere Pflicht erfüllt zu haben, den Frieden gäbe. Aber in mir ist kein Friede - nichts als Zweifel ... wie soll ich Lopez geloben, ihm ein treues Weib zu werden, mit der Liebe zu einem Andern tief im Herzen ... Ach, warum ist es gar so schwer, recht zu handeln!“

Concha hatte auch nicht viel geschlafen, denn sie hatte zuviel über einen herrlichen Plan nachdenken müssen, auf den ihr Scharfsinn verfallen. Am frühesten Morgen stürzte sie schon zu ihrer lieben Freundin, um diese dafür einzunehmen.

„Du mußt Dich heut so häßlich als möglich machen,“ rief sie sehr eifrig, „dann wird der abscheuliche Lopez vor Dir erschrecken und schnell von Dir loszukommen suchen.“

Und dabei übergab sie Guadalupe ein altes Kleid ihrer Mutter und breitete alles Nöthige vor ihr aus, um sie mit einem hohen Rücken zu versehen. Sie wußte genau aus Papas Atelier, wie man die Körperformen verschönere. Und sie zu verhäßlichen, das beruhe am Ende doch auf denselben Principien, nämlich auf Roßhaaren und Baumwolle.

Lu konnte sich kaum erwehren zu lächeln, die naive kleine Concha meinte es gar so treu. Aber Verstellung lag nicht in ihrem Charakter, und die hilfreiche Freundin mußte ihren scharfsinnigen Plan sammt den alten Kleidern verschmäht sehen.

Wie lang dieser Tag schien, er wollte gar kein Ende nehmen. Die Post von Valladolid war schon eingelaufen und noch immer wollte sich kein Lopez blicken lassen.

Concha frohlockte.

„Vielleicht ist ihm ein Unfall zugestoßen, vielleicht ist die Post zwischen Valdestillas und Olmedo, wo der Weg so einsam ist, von Räubern geplündert und er fortgeführt worden; ach, das wäre zu herrlich!“

Und das lebhafte kleine Ding klatschte bei der Aussicht in die Hände und tanzte in der Stube herum.

„Concha“, rief Lu vorwurfsvoll, „schämst Du Dich nicht, einem Andern, der Dir kein Leid zugefügt und dem die Pflichterfüllung vielleicht gerade so schwer wird, wie mir, Böses anzuwünschen?“

Nein, sie schämte sich nicht einmal, sie hatte nur den einen Wunsch, ihre liebe süße Guadalupe von drohender Gefahr befreit zu sehen. Schließlich hoffte sie noch auf ein Wunder, in Segovia ist dieser Glaube noch in Kraft. Es war ihr gar nicht recht, daß die Eltern sie abrufen ließen, noch ehe es stattgefunden.

Die Sonne war bereits im Sinken und einzelne Sterne wurden schon sichtbar. Lu aber saß einsam in ihrer kleinen Stube wie gestern, als Felipe zu ihr getreten war. Wehe ihr, daß sie ihn hatte abweisen müssen und mit ihm ihr ganzes Glück – für immer war es mit ihm aus ihrer Nähe gewichen.

Aergerlich vom vergeblichen Warten wollte der Vater endlich zum Nachbar hinübergehen, als ein Zug an der Klingel des Thores ihn zurückhielt.

„Gott, verleihe mir Kraft die Stunde zu überstehen -“ betete Lu im tiefsten Herzen, denn sie war nicht einen Augenblick im Zweifel, daß Lopez nun eingetroffen sei.

Schritte näherten sich bald darauf ihrer Thür. Der Vater drückte die Klinke auf und trat mit einem Andern ein.

Lu erbebte bis ins Innerste und sah zu Boden, es wäre ihr nicht möglich gewesen, ihrem furchtbaren Geschick entgegenzusehen.

„Da ist mein wackrer Schwiegersohn Lopez,“ hörte sie den Vater sagen, und zwar mit einem ganz eigenthümlichen Tone, den sie sich nicht recht zu erkläreu wußte. „Und da ist die Guadalupe,“ fuhr er zu dem Andern gewendet fort - „Komm hervor, Kind ... komm – sie ist befangen, Lopez,“ unterbrach er sich, „aber so gehört sich’s auch. Das Frauenzimmer muß der Heirath gegenüber immer zurückhaltend sein – he? hab’ ich nicht Recht, Schwiegersohn?“

Der Titel schien ihm schon recht geläufig geworden.

„Wollen Sie mich einen Augenblick mit meiner Braut allein lassen?“

Bei dieser Stimme war Lu sofort aufgesprungen und hatte die Augen erhoben ... es war schon dunkel und dennoch schien es ihr ...

„Ich bringe Licht,“ rief der Alte, lief zur Thür hinaus und ließ die Beiden allein.

„Guadalupe“, sagte der Fremde, näher tretend und warf seinen weiten Mantel ab.

„Aber,“ rief diese, und ihr Herz klopfte zum Zerspringen, „aber Sie sind ja nicht Lopez Canelo ... Sie sind ja ...“

Er nahm aus seiner Tasche einen Brief, ihren Brief hervor und hielt ihn ihr hin.

„Ich habe mir meinen Brief heut aus Valladolid geholt,“ sagte eine wohlbekannte, tiefe Stimme - „denn Sie haben mir selbst geschrieben, daß Ihr Vater bereit sei, sein Versprechen zu halten. Und hier steht Lopez Canelo und fordert die alte Schuld ein.“

„Aber Sie sind doch Felipe“ ... stammelte Lu tiefbewegt, denn die Wahrheit begann ihr klar zu werden.

„Geliebte, Einzige!“ rief er und schloß sie leidenschaftlich in seine Arme „Ich wollte Dich nicht einem alten Gelübde, sondern mir selbst verdanken – so täuschte ich Dich ... kannst Du mir vergeben?“

Jetzt verstand sie ihn, jetzt wußte sie, daß sie dem Auge, das in seliger Liebe auf sie gerichtet war, in Gegenliebe begegnen durfte – daß sie ihn gewähren lassen durfte, sie ans Herz zu drücken.

„Wie hast Du mich gequält!“

„Mein ganzes Leben soll diese Qual sühnen – Gott lohne es Dir, daß Du trotz ihrer standhaft geblieben bist!“

„Kleine folgsame Lu ist glücklich geworden,“ rief der edle Krieger, der jetzt mit dem Lichte herein trat – „als ob ich nicht gewußt hätte, daß ich die kleine folgsame Lu glücklich machen würde!“




Schmerzlose Augenoperationen.

Ueber das Cocain in der Augenheilkunde.
Von Prof. Dr. Hermann Cohn in Breslau.

Die Aufgabe der Aerzte war zu allen Zeiteu die doppelte: Krankheiten zu heilen und Schmerzen zu beseitigen. Leider aber mußte früher oft der Schmerz in Kauf genommen werden, wenn das Ziel einer gelungenen Operation erreicht werden sollte. Allerdings ist seit der Einführung des Schwefeläthers und Chloroforms in die Chirurgie unzähligen Menschen die Wohlthat erfolgreicher Operation zu Theil geworden, während sie völlig empfindungslos in tiefem Schlafe lagen. Allein welcher vielbeschäftigte Operateur hätte nicht auch Todesfälle trotz der größten Vorsicht erlebt!

Aus Furcht vor diesen hat die große Mehrzahl der Augenärzte im letzten Jahrzehnt das Chloroform nur bei Kindern und ungeberdigen Menschen in den schwierigsten Fällen und auch da nur mit einer gewissen Scheu verwendet, zumal eine kleine Reihe von Fällen bekannt geworden ist, in welchen nach wenigen Athemzügen beim besten Chloroform noch vor begonnener Augenoperation oder gleich nach dem ersten Schnitte Kinder oder Erwachsene urplötzlich für immer zu athmen aufhörten und zwar unter den Händen der allersorgsamsten und ausgezeichnetsten Operateure, die vorher Tausende mit Chloroform glücklich operirt hatten.

Aber selbst wenn keine Todesgefahr mit der Chloroformnarkose verbunden war, störte die Narkotisirung doch den Augenarzt, er konnte seine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf die höchst feinen Schnitte, bei denen es sich um Millimeter handelt,

richten; stets mußte er selbst bei den geschultesten Assistenten sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_067.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)