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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

auf den Inseln des neu-britannischen Archipels zu Hause. Nach den Berichten des Reisenden Hübner ist die Duck-Duck-Ceremoine eine Art religiösen Umzuges, der etwa eine Woche dauert, und wobei die Verkleideten Sammlungen vornehmen, an denen sich auch die anwesenden Europäer durch Darreichung von Tabak und Muschelgeld betheiligen müssen. Der Träger der Verkleidung wird bis an die Kniee mit Laubkränzen umhüllt und ihm dann die Kopfmaske aufgesetzt; verliert er diese oder fällt er, so wird er getödtet. Kinder und Weiber dürfen ihn nicht sehen, müssen sich also während des Umzuges verborgen halten. Die erwachsenen Männer führen aber während des Spiels Tänze und Scheinkämpfe auf.

Todten- und Tanzmasken der Eingeborenen von Neu-Britannien.

Interessant ist die Beschreibung des Duck-Duck, die der englische Reisende J. Powell in seinem Werke „Unter den Kannibalen von Neu-Britannien“ (in deutscher Uebersetzung von Dr. F. M. Schröter 1884 bei Ferdinand Hirt u. Sohn in Leipzig erschienen) bietet:

Der Duck-Duck kann nach diesem Berichte als die personificirte Justizverwaltung bezeichnet werden; er ist gleichzeitig Richter, Polizist und Henker zusammen, legt alle Streitigkeiten bei und bestraft alle Uebelthäter.

Diese geheimnißvolle Macht ist in Wirklichkeit ein einziger vom Häuptling dazu bestimmter Mann. Sein Körper ist bis über die Lenden herunter in Blätter gehüllt; Kopf und Gesicht bedeckt ganz und gar ein auf den Schultern aufsitzender großer Helm, in seiner Form einem Lichtauslöscher ähnlich. Der Helm besteht aus Flechtwerk, so daß sein Träger athmen und sehen kann, ohne selbst gesehen zu werden, und ist mit einem scheußlichen Gesichte bemalt. Diese sonderbare Gestalt wandert durch den Busch, jedes Dorf besuchend; und wenn jemand von seinem Nachbar beleidigt oder geschädigt worden ist, so zahlt er dem Duck-Duck so und so viel Diwarra (Muschelgeld) behufs Beilegung der Sache. Der Beamte geht fort zum Hause des Angeklagten und verlangt Rückgabe der gestohlenen Habseligkeiten oder Schadenersatz. Gehorcht der Angeklagte nicht sofort, so zündet der Duck-Duck dessen Haus an oder durchbohrt ihn im äußersten Falle mit dem Speere.

Wenn die jungen Männer alt genug sind, so werden sie gegen Zahlung von etwa 100 Faden Diwarra in das Geheimniß eingeweiht; können sie diese Faden nicht ermöglichen, so müssen sie dem Duck-Duck stets aus dem Wege gehen.

Derselbe Reisende giebt uns auch eine Erzählung über die Entstehung des Duck-Duck-Systems wieder, wie sie im Munde der Eingeborenen fortlebt und die folgendermaßen lautet:

„Viele Monsune ist’s her, da zankte sich ein junger Mann mit seinem Vater und seiner ganzen Familie und ging eigenmächtig in den Busch. Da er nichts zu essen hatte, wurde er sehr hungrig und verfiel zuletzt auf ein Mittel, sich Eßfleisch zu verschaffen.

Er machte sich einen großen Kopfputz aus Rohr, malte ihn mit Betelnußsaft und brachte Augen auf ihm an wie die des Kasuars. Er bekleidete sich dann mit Blättern, sodaß seine Hände vollkommen frei und doch nicht sichtbar waren, nahm eine Keule und wanderte fort durch den Busch, wobei er, um die Leute zu erschrecken, Lärm machte. So überraschte er viele Knaben und Mädchen, welche er tödtete und aß. Schließlich wurde das so arg und Jedermann war so entsetzt, daß des jungen Mannes Vater, ein großer Krieger und Häuptling, das Ungeheuer zu besiegen beschloß. Er überwältigte den Duck-Duck im Kampfe und warf ihn zu Boden; da rief der Besiegte aus, er sei des Häuptlings Sohn, und wenn der Vater ihn leben lassen werde, so wolle er ihm zeigen, wie er mächtig werden und viel Diwarra bekommen könne.

Da schenkte ihm der Häuptling das Leben, und das Ungeheuer, welches so viele erschreckt und getödtet hatte, wurde seinem Besieger unterthan. Hinfort lebte der Duck-Duck allein in einem Tabuhause, und Jeder fürchtete sich, dem Platze nahe zu kommen.

Wenn irgend jemand so kühn war, dem Häuptlinge nicht zu gehorchen oder ihn zu beleidigen, so nahm der Duck-Duck Rache und ließ ihn seine Unbesonnenheit bitter bereuen.

Das wirkliche Geheimniß der Furcht der Leute beruhte darauf, daß sie nicht wußten, was jener Duck-Duck war; sie schrieben ihm übermenschliche Kräfte zu, und dies gab ihm natürlich großen Vortheil, namentlich im Falle eines Kampfes. Weiber und Kinder erhielten den Befehl, ihm aus dem Wege zu gehen, da er sie sonst gewiß tödten würde, wenn er sie im Busche träfe. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen.

Im Verlaufe der Zeit stellte sich die Nothwendigkeit heraus, andere in das Geheimniß einzuweihen. Dies geschah stets unter dem Eid der Verschwiegenheit, und so verbreitete sich die Sache von einem Platze zum andern.“

Diese Erzählung erinnert uns daran, daß die Südsee-Insulaner ihren eigenen Sagen- und Märchenschatz besitzen und auch für die Erzeugnisse fremder Litteraturen nicht unempfänglich sind. So lebte einst ein Europäer recht flott mit Kind und Kegel auf einer der Inseln und seine Hauptbeschäftigung bestand in dem Recitiren der Märchen von „Tausend und einer Nacht“, für das ihn die Eingeborenen reichlich belohnten.

Die Bure zu Lega auf Viti Levu.

Der Duck-Duck führt uns außerdem in eine andere Eigenthümlichkeit der Oceanier ein: er zeigt uns ihre Vorliebe für Masken, welche den meisten Naturvölkern eigen ist. Diese Masken finden namentlich bei Aufführung von Tänzen, die oft dramatischer Natur sind, Verwendung. Der Tanz ist überhaupt das eigentliche Theater des Südsee-Insulaners. Er ist wohl hier und dort zu einem elenden Cancan herabgesunken, oder widert uns bei Menschenschlächtereien an; oft aber ist er harmloser Natur und manchmal sogar graziös und schön in der Gruppenbildung und einzelnen Bewegungen. Wer hätte z. B. nicht von jenen Tanzmaskeraden gehört, bei denen die Eingeborenen das Leben einzelner Thiere und Vögel, wie z. B. die Lebensgeschichte des Känguru oder des Pelikan darstellen? Das sind urwüchsige Ballete, bei welchen die Masken gut verwendet werden können.

Die von uns abgebildeten Masken stammen sämmtlich von Neu-Britannien her. Die erste derselben ist eine echte Schädelmaske, die aus einem wirklichen Oberschädel besteht, an den der Unterkiefer angefügt ist. Durch Auftragung von Kittmasse wird ihr eine Aehnlichkeit mit den Zügen des Verstorbenen, die sie wiedergeben soll, verliehen. Daß diese Masken mit dem Todtenkultus zusammenhängen, ist nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls sind sie wirklich getragen worden, denn man findet an der Hinterseite des Unterkiefers ein Querholz für die Zähne des Tragenden. Als in Pompeji im vorigen Jahre bei den großen Festen das Bild eines altrömischen Begräbnisses wieder aufgeführt wurde, da sah man auch den Mimen im Zuge, der eine Maske des Verstorbenen trug.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 085. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_085.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2024)