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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Eine sehr ergiebige Einnahmequelle für die sansibarer Spekulanten bildet, wie schon angedeutet, bis auf unsere Tage der Sklavenhandel, der aber durch die Engländer neuerdings doch ziemlich lahmgelegt wurde. 1874 wurde dieserhalb von dem Sultan mit England ein Vertrag abgeschlossen, welcher freilich den Sklavenhandel mit einem Male nicht wohl zu beseitigen im Stande war. Ein großes englisches Wachschiff liegt im Hafen mit 200 Mann Besatzung. Mehrere kleine Dampfbarkassen kreuzen immerfort zwischen Sansibar und der Küste und untersuchen jedes ihnen begegnende arabische Fahrzeug. Finden sich Sklaven auf demselben, so wird es ohne Weiteres fortgenommen, und die Eigenthümer wandern ins Gefängniß. Unsere Abbildung zeigt ein Häuflein elender halbverhungerter Sklaven, die, eben den Händen der arabischen Händler entrissen, vorläufig auf dem erwähnten Stationsschiffe untergebracht sind, um später an die verschiedenen Missionsanstalten vertheilt zu werden.

Unter den Einkünften des Sultans bildet die Verpachtung des Zollhauses auf der Insel für zwei Millionen Mark den Hauptposten. Es besteht nämlich eine Steuer von fünf Procent auf sämmtliche Importartikel. An allen Küstenplätzen befinden sich außerdem Zollpächter, meist Indier, die von allen Exportwaaren Abgaben erheben, deren Höhe ganz in dem Belieben des Sultans steht. So ruht auf dem Elfenbein die Steuer von 1,30 Mark pro Pfund; auch wird für die Gewürznelken, die nur auf Sansibar und der kleinen Insel Pemba gedeihen, noch ein Extrazoll erhoben. Der Sultan hat außerdem – entgegen den Bestimmungen der Handelstraktate – den Handel mit Pulver zu seinem Monopole gemacht. Ein nicht unbeträchtliches Einkommen erzielt er dann ferner aus seinen Zucker-, Gewürznelken- und Kokosnußplantagen, sodaß sich seine Gesammteinnahmen auf etwa fünf Millionen Mark belaufen dürften.

Der Sultan Saïd Bargasch wird von Reisenden, welche zur Audienz bei ihm vorgelassen worden, als eine wohlgebaute Gestalt mit sympathischen Gesichtszügen, unverkennbar von arabischem Typus, mit vollem schwarzen Barte, geschildert. Bei feierlichen Gelegenheiten besteht sein Anzug aus dem gewöhnlichen arabischen langen Gewande, einem langen schwarzen Kaftan ohne alle Ausschmückung darüber, einem Turban und einer Leibbinde von dem schönsten indischen Seidenstoffe. Im Gürtel steckt ein auf das Reichste verzierter krummer Dolch. Die Füße endlich sind mit goldüberladenen Sandalen bekleidet. Die Zuvorkommenheit, mit welcher die Europäer jederzeit von dem orientalischen Herrscher aufgenommen werden, hat schon oft die Anerkennung der vom Hofe europäischer Fürsten entsandten Botschaften gefunden.

Das Palais des Sultans ist ein stilloses unschönes Gebäude, das auf der Frontseite Verandas führt und mit hölzernem buntbemalten Gitterwerk verziert ist, sodaß es den Eindruck macht, als habe man ein ländliches deutsches Garten- und Vergnügungslokal vor sich. Es steht durch eine Brücke mit dem nahegelegenen Harem in Verbindung, einem massiven, schmucklosen Bau, in dem einige vierzig Weiber ein wahres Gefängnißleben führen. Der Stadttheil, in dem diese sultanlichen Gebäulichkeiten sich befinden, liegt im sogenannten Europäerviertel, inmitten einer großen Anzahl theils von Europäern, theils von der arabischen Aristokratie bewohnten reinlichen Steinhäusern. Enge, jedoch gut asphaltirte und schmutzfrei gehaltene Gassen durchschneiden dieses Quartier noble.

Obwohl die Europäer sich meistens nur so lange in Sansibar aufhalten, als sie benöthigen, um ein entsprechendes Vermögen zu erwerben, so richten sie sich doch nach Möglichkeit elegant und bequem ein. Die Gebäude, die sie innehaben, sind gewöhnlich Besitzthum der Handelshäuser und gehen von einem Vertreter auf den anderen über. Die Anlage des Baues ist halb portugiesisch, halb spanisch. Den reingehaltenen, gepflasterten, oft mit üppigen Pflanzen gezierten Hof umschließen im Erdgeschoß die Komptoirs und Vorrathsräume. Im ersten Stocke befinden sich dann die in Bau und Ausstattung ganz dem heißen Klima angepaßten Wohnzimmer. Der Lieblingsaufenthalt der Hausbewohner in den Abendstunden ist aber die Terrasse auf dem flachen Dache des Gebäudes. Von einem hölzernen Aufbau genießt man da eine prachtvolle Rundschau über die Stadt, den Hafen und die weite See. Auch kleine Liebesabenteuer spinnen sich häufig gerade hier von Terrasse zu Terrasse zwischen den Wasungus (Europäer) und den dunkeläugigen Frauengestalten der Nachbarschaft an. Die seinerzeit vielbesprochene Entführung einer sansibarischen Prinzessin durch einen deutschen Kaufmann war ebenfalls die Folge einer solchen Dachbekanntschaft. Die Dame hat später ihr ständiges Domizil in einer deutschen Großstadt aufgeschlagen, die allerdings vor Sansibar noch Manches voraus hat, und wo sie jedenfalls den Zorn des Sultans über die Mésalliance in Gestalt der landesüblichen Bastonnade nicht zu fürchten brauchte.

An die Europäerstadt schließt sich das Bazarviertel. Dasselbe ist zumeist von Indiern bewohnt und erschreckend unreinlich, übelriechend und widerlich. Beschreiben läßt sich das ungeordnete Wesen dieses Stadttheils kaum. Die herumwimmelnden Menschen scheinen gleichwohl sich ganz behaglich dabei zu befinden, da sie nicht müde werden, ihre freie Zeit zwischen Unrath und Gestank mit Tanz und Gesang ganze Nächte hindurch zuzubringen.

Sehr unansehnlich sind die wenigen öffentlichen Gebäude und Moscheen der Stadt, deren Inneres in maurischem Stile gehalten ist. Auffallender erscheint die große Zahl von allerwärts mitten in den belebtesten Vierteln befindlichen Friedhöfen. Fast jede reichere Familie besitzt nämlich ihren eigenen Beerdigungsplatz wo thunlich in unmittelbarer Nähe des Hauses. Die Gräber erfreuen sich gleichwohl keiner entsprechend sorgfältigen Pflege.

Erquickend ist ein Spaziergang in nächster Umgebung von Sansibar, etwa nach der Nasimoja, einem ehemaligen Palmenhain, von dem heutzutage freilich nur dürftige Ueberreste noch vorhanden sind. Wer übrigens diesen kleinen Ausflug nicht zu Fuß machen will, kann dies leicht zu Pferde thun. Besitzt doch der Sultan einen vorzüglichen und prächtigen Marstall, dessen Pferde Fremden und Einheimischen immer zur Verfügung stehen. Es kostet das nur ein kleines Trinkgeld an die Stalldiener. Vor eben diesem fürstlichen Marstall hat merkwürdiger Weise ein großes Schwein seinen ständigen Platz, um etwaige böse Geister, welche Gelüste tragen, in die Pferde zu fahren, von solchem Vorhaben abzuleiten. Liebhaber von Schweinebraten, der den Mohammedanern bekanntlich verboten ist, können sich für gutes Geld hier auch den im Morgenlande seltenen Genuß eines gebratenen Spanferkels verschaffen, da dieselben ganz nach Bedarf von den Marstallwächtern abgegeben werden.

Das zur Landesvertheidigung bestimmte „stehende Heer“ besteht aus etwa 1400 Söldnern, welche meist aus dem südlichen Arabien stammen. Im Falle eines Krieges würde diese in den kleinen Forts auf Küste und Insel vertheilte schwache Schaar allerdings nicht genügen; in solchem Falle sind jedoch die arabischen Grundbesitzer verpflichtet, nach Maß der Größe ihrer Besitzungen eine Anzahl Sklaven zu stellen, und es soll in kurzer Zeit die für sansibarer Verhältnisse außerordentlich bedeutende Macht von 20- bis 30 000 Mann zusammengebracht werden können. Reiterei besitzt das kleine Heer nicht, wohl aber etwas schlechte Artillerie, welche von persischen und türkischen Kanonieren bedient wird. Neben diesen irregulären Truppen hat sich der Sultan in den letzten Jahren auf Veranlassung der Engländer eine sogenannte Garde angeschafft, die, an 1500 Mann stark, durchweg aus gepreßten Negern oder Sklaven besteht, die Officierstellen sind meist mit Komeroleuten[WS 1] besetzt. Nach englischem Muster gekleidet, wird sie auch von einem englischen Marine-Officier befehligt. Nach unseren Begriffen von militärischer Disciplin und Tüchtigkeit genügt diese Truppe auch nicht den allerbescheidensten Ansprüchen, in den Augen der Araber und Neger dagegen leistet sie ganz Außerordentliches in Gehorsam und militärischen Exercitien.

Ebenso kann die Seemacht Sansibars nicht beträchtlich genannt werden. Sie besteht aus der schönen Korvette „Glaskow“ zu 22 Kanonen und drei kleineren Bugsirbooten „Star“, „Deerhound“ und „Sultana“, von welchen ersteres in Hamburg erbaut ist. In kriegstüchtigem Zustande sind diese Schiffe aber keineswegs; vor allem fehlt es an wohlgeschulter Mannschaft. Eine große Anzahl früher erworbener Schiffe ist durch Vernachlässigung gänzlich unbrauchbar geworden und verloren gegangen. In letzter Zeit hat aber der Sultan begonnen, sich eine Handelsflotille anzulegen, mit der er zwischen Madagaskar, Sansibar, Aden und Bombay fährt. Sie besteht aus fünf zum Theil großen Dampfern: „Urzanza“, „Swordsman“, „Akola“, „Malaka“, „Marka“. Hervorgehoben muß werden, daß alle diese Schiffe mit deutschen Kapitänen, Steuerleuten und Ingenieuren besetzt sind.

Zu seinem besonderen Vergnügen hält sich der Sultan nebenbei eine 50 Mann starke Leibgarde, die nach Art der indischen Sipoys

Anmerkungen (Wikisource)

  1. richtiger wohl: Komoroleuten
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_099.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2024)