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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Fleischkost angewiesen, die bei ihnen mannigfache Verdauungsstörungen hervorruft, zumal die hungrigen Träger das Fleisch oft halbroh verzehren.

Dr. G. A. Fischer’s Karavane von einem Nashorn angegriffen.

Da ferner das Wasser in gewissen Distrikten sehr knapp ist, so müssen oft acht- bis zehnstündige Märsche zurückgelegt werden, ehe man einen Wasserplatz erreicht. Unter den den Fremdlingen drohenden Gefahren ist eigentlich nur die Feindseligkeit der Eingeborenen von Belang; wilde und gefährliche Thiere geben in Afrika nur selten Veranlassung zu Unglücksfällen; giftige Schlangen sind im Allgemeinen selten; von meiner 230 Mann starken Karavane wurde während eines achtmonatlichen Aufenthaltes im Innern nicht ein einziger unter den barfuß durch dick und dünn laufenden Leuten von einer Schlange gebissen. Der Löwe geht dem Menschen bei Tage immer aus dem Wege, und Nachts halten Dornenverschanzung und Wachtfeuer diesen und andere Raubthiere zurück. Die einzigen Thiere, welche ungereizt auf den Menschen losgehen, sind sonderbarer Weise alte männliche Büffel und die Nashörner. Letztere greifen jedoch den sich heranschleichenden Jäger nicht an; sobald sie ihn wittern oder bemerken, nehmen sie die Flucht, wie ich wiederholt zu beobachten Gelegenheit hatte. Dagegen scheinen ihnen die langen Züge der Karavanen ein großes Aergerniß zu bereiten. Zweimal wurde die unsrige von Nashörnern angegriffen, das eine Mal von einen Pärchen, das andere Mal von einem einzelnen Thiere. Wie rasend kommen sie auf die Karavane zugestürmt, mit gesenktem Kopf, zischend und fauchend, einer dahin brausenden Lokomotive vergleichbar. Das von der Hand Mützel’s gefertigte Bild veranschaulicht eine solche Situation. Sobald der Ruf: „Faru, Faru!“ (d. h. Nashorn) erschallt, bemächtigt sich der Karavane eine allgemeine Panik, die Träger werfen ihre Lasten fort, die Einen suchen Bäume zu erklettern, die Anderen sich hinter Büschen zu bergen, die Dritten sich durch die Flucht zu retten. Den Eseln, auf die es jene Ungethüme besonders abgesehen haben, werden schleunigst die Lasten abgeworfen, um ihnen die Flucht zu erleichtern. Ist dazu keine Zeit mehr vorhanden, und entziehen sie sich nicht durch rasche seitliche Wendungen den hierzu ungeschickten Angreifern, so werden sie aufgespießt und in die Luft geschleudert. Finden die wüthenden Thiere auf ihrem Wege kein lebendes Wesen vor, so beschnüffeln sie für einen Augenblick die auf dem Boden liegenden Kisten und Kasten und stürmen dann in gerader Richtung weiter. Die Mohammedaner behaupten, wenn man beherzt stehen bleibe, werde man nicht angegriffen; das Thier mache dann wenige Schritte vor dem Menschen Halt und wühle mit dem Horne den Boden auf, sodaß man Zeit habe, es durch einen wohlgezielten Schuß ins Genick niederzustrecken. Es dürften sich aber wohl Wenige finden, die beherzt, kaltblütig und ruhig genug sind, sich hierauf einzulassen. – – –

Der Vulkan „Dönjö Ngai“ (Gottesberg).

Nachschrift der Redaktion. Die interessanten Mittheilungen unseres geschätzten Mitarbeiters, dem wir u. A. auch unsere Illustrationen zu dem Artikel Sansibar in Nr. 6 der „Gartenlaube“ verdanken, werden von unseren Lesern gewiß mit besonderer Freude begrüßt werden. Jene wenig erforschten Länder an der ostafrikanischen Küste (erst in diesen Tagen ist in London das erste ausführlichere Werk über dieses Gebiet unter dem Titel „Durchs Massai-Land“ [Throuh Masai Land] von Joseph Thomson erschienen) sind für unsere Kolonialbestrebungen in letzter Zeit besonders wichtig geworden. Vor einigen Wochen hat bekanntlich Dr. Gerhard Rohlfs als Generalkonsul des Deutschen Reiches in Sansibar seinen Einzug gehalten und dem Sultan sein Kreditive überreicht. Die Aufgabe des rühmlichst bekannten Afrikaforschers wird vornehmlich darin bestehen, den bereits aufblühenden nicht unbedeutenden deutschen Handel und die neuen deutschen Kolonialunternehmungen in jenen Ländern thatkräftig zu unterstützen. Der Anfang dazu ist bereits gemacht worden. An der Ostküste von Afrika, in der Nähe von Sansibar, weht nunmehr eine Flagge, der wir dasselbe Glück wünschen, das dem Stanley’schen Banner geleuchtet, die Flagge der „deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft“, die einen schreitenden Löwen im rothen Felde zeigt, dessen Hintergrund mit einem Sternbild geziert ist. Diese neue Gesellschaft hat in Usegua, Usagara etc. an 2500 Quadratmeilen Land erworben und gedenkt dort nicht allein Handel zu treiben, sondern auch Tabak, Thee, Opium etc. zu bauen. Auch hier werden jedoch die Deutschen zunächst nur Kapital und Intelligenz verwenden können, da auch diese Länder, soweit bis jetzt Nachrichten vorliegen, zur Gründung von Ackerbaukolonien nicht geeignet zu sein scheinen und weiße Arbeiter in den Plantagen nicht beschäftigt werden können. Trotzdem ist eine gewisse Aussicht vorhanden, daß die Arbeiterverhältnisse an der Ostküste von Afrika sich günstiger gestalten werden als in Miseren an der Westküste gelegenen Kolonien, daß dort unseren Landsleuten gelingen wird, die Eingeborenen zur Arbeit heranzuziehen und ihnen die Segnungen der wahren Civilisation zu bringen.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_212.jpg&oldid=- (Version vom 16.3.2024)