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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

heißen Blicke verschlangen das Mädchen, in dem mit einem Male die Natur des kriegerischen Ahns erwacht schien.

Sie hatte sich wild umgewendet und blitzschnell etwas vom Tische gerafft. „Ihr wollt eine Wehrlose zur Schande zwingen? Pfui über Euch! Hütet Euch, daß nicht Eure Sünde dem Bösen Macht gebe über uns beide. Seht –“ sie hob halb die Rechte mit dem fest umklammerten Messer, welches sie ergriffen hatte – „ich glaube, ich würde Euch tödten, Euch und mir zum ewigen Verderben.“

In dem verzweifelnden Blicke Georg’s lag nichts von Todesfurcht. Es war die bittere Qual der über ihn kommenden Gewißheit, daß die Geliebte sich von ihm scheide, die in seinen Zügen wühlte. Als ihn das Mädchen so sah, schmolz ihre Härte ... mit einem leisen Wehruf warf sie das Messer von sich und schlug beide Hände vor das Antlitz. Da tönte, von einer leisen Stimme genannt, die sie nicht zu kennen schien, ihr Name an ihr Ohr. Georg war vor ihr auf ein Knie gesunken; er streckte die Hände gegen sie aus, aber ohne sie zu berühren. „Fürchte nichts, Hilde, ich schwöre Dir, daß ich Dich nicht gegen Deinen Willen anrühren werde. Aber habe Du Erbarmen ... einen Kuß gönne mir, einen einzigen, letzten ...“

„Seht, ich glaube, ich würde Euch tödten, Euch und mir zum ewigen Verderben.“

Hilde beugte sich über ihn; sie legte die Hände auf seine Schultern; einzelne schwere heiße Tropfen rannen über ihre Wangen und unendliche Sehnsucht bebte in den erschütternden Lauten, mit denen sie sprach: „Ja, Du magst es wissen, daß mir das Herz fast bricht, Du Süßer, immer noch Geliebter ... Wie gerne küßte ich Dich, zur Schmach mir – zu der Du heimlich kommst, die Du zu gering zur ehelichen Liebsten hältst. Aber wie darf ich einen Raub an Deiner verlobten Braut begehen!“

Georg stampfte mit dem Fuße. „Sie ist es noch nicht, Hilde,“ stieß er hervor. Eine plötzliche Gluth der Freude loderte in Hilden auf. Aber nur auf einen Augenblick, dann erstarb die Flamme wieder. „Nicht Deine angelobte Braut?“ fragte sie.

„Noch nicht.“

Der Ton seiner Stimme sagte ihr alles. „Die Stadt spricht davon. Euere Eltern sind lange schon einig. Sie sieht in Dir den künftigen Gatten, und Du bist ihr Liebe und Treue schuldig, wir müssen scheiden,“ sagte sie leise, mehr wie zu sich selber als zu ihm.

Fast schüchtern hatte sich Georg nun ihrer Hand bemächtigt, und nahe an ihrem Ohr flüsterte er leidenschaftlich: „Wir müssen scheiden, Du sagst es. Aber laß mich hoffen. nicht für immer, Hilde ... bei Gott, ich kann es nicht ... komm, Hilde, komm – laß uns Alles vergessen, nur das Eine nicht: daß wir uns lieben!“

Hilde hatte kein Wort weiter. Wie nach Erlösung aus dieser Qual dürstend, hilfesuchend, richtete sie das Antlitz empor, während Georg heiße Küsse auf ihre Hände drückte. Da endlich kam ihr Beistand. Die Thür wurde leise aufgeklinkt und ihr Vater trat ein.

(Fortsetzung folgt.)


Marokkanische Marktscenen.

Die Völker arabischen Stammes, die wir Mauren, Sarazenen, Kabylen nennen, hatten auf ihren Kriegszügen und Meerfahrten im Laufe der Jahrhunderte alle Küsten des Mittelmeeres erobert, besiedelt, durch ihre eigenartige, höhere Kultur die frühchristliche verdrängt. Längst sind die Herrschersitze der Sarazenen mit ihren phantastischen Prachtarchitekturen von den christlichen Europäern wieder zurück erobert: Palermo, Granada, Malta und kleinere Mittelpunkte maurischen Lebens zeigen dem Wanderer nur noch wenige kostbare Reste der entschwundenen märchenhaften Herrlichkeit und Pracht. Langsamer und sehr viel später haben die Bekenner des Islam am Südgestade des Mittelländischen Meeres den Rückzug anzutreten begonnen. Wer den Orient nicht im äußersten Osten aufsuchen wollte, wo die Araberstämme gemischt mit den verschiedensten anderen Völkergruppen leben, der fand in Algier, Tunis, Tripolis, Fez und Marokko die reine Rasse, die sich Kultur, Lebensgewohnheiten und Sitten streng erhalten hatte. Algier aber ist seit länger als einem halben Jahrhundert von den Franzosen erobert und zu kolonisiren versucht worden. Im letzten Jahrzehnte sind dieselben auch in Tunis eingedrungen, haben den Staat des Bey nach ihrer Weise zu civilisiren begonnen. Tunis war vordem schon stark herunter gekommen. Von der früheren Kraft und Tapferkeit des Korsarenstaates

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_252.jpg&oldid=- (Version vom 24.9.2020)