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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Unter der Ehrenpforte.
Von Sophie Junghans.
(Fortsetzung.)


Es war am Nachmittage des folgenden Tages, als in der Arbeitsstube des Bürgermeisters dieser und der alte Külwetter zusammen saßen. Sie hatten Geschäfte verhandelt, denn Herr Peter Külwetter hatte eine Lieferung leichten scharlachenen Tuches zum Ausschlagen der Gerüste für die Stadtmusici neben der Ehrenpforte in der Schloßgasse. Die Sache ging eigentlich das Oberhaupt der Bürgerschaft nichts an, sondern gehörte in den amtlichen Bereich des Stadtkämmerers. Aber Herr Külwetter nahm durchaus keinen Anstand, auf die Verwandtschaft pochend, seinen Herrn Vetter, den Bürgermeister selber, mit allen Einzelheiten des Geschäftes zu behelligen, weil er natürlich für den ausbedungenen Preis sich nicht wehe thun, sondern möglichst leichte Waare liefern wollte.

Das Geschäft war beendet; Doktor Tiedemars hatte mit seinem feinen Lächeln dem Gevatter noch zu guter Letzt anempfohlen, daß das Tuch aber wenigstens von Mittag bis Abend halten müsse, und Peter Külwetter den bürgermeisterlichen Witz gebührend belacht. Er war aufgestanden und am Hinausgehen, da wendete er sich noch einmal um und sagte, auch mit seinem trockenen, meckernden Lachen:

„Was ich noch sagen wollte – es hat da zwischen dem Georg und der Rosine, dem Gänselchen und dem Gänser, gestern einen kleinen Spahn gesetzt. Weßhalb? Je nun, Euer Leichtfuß scheint am unrechten Orte seine Weide gesucht zu haben, und die Rosine ist dahinter gekommen. Pah, nicht der Rede werth – unsereins ist ja auch kein Mönch gewesen, nicht wahr? Nun, mein Mädchen ist auch vernünftig und will ihm nichts nachtragen. Aber wär’s nicht doch gut, wir machten nun bald die Sache fest? Gleich nach dem Einzug, nicht wahr? Dann hört das Herumvigiliren des Burschen, was Euch ja auch nur Euer gutes Geld kostet, von selber auf.“

„Nun, bei Gott! Einen schlimmeren Streich hätte uns Dein vermessener Leichtsinn nicht spielen können.“ (S. 282.)


„Ich werde heute noch mit dem Georg reden,“ sagte Doktor Tiedemars gehalten; die Nachricht über seinen Sohn schien ihm nicht sonderlich gefallen zu haben. „Und dann – laßt mir nur Zeit bis nach dem Einzug, Gevatter, dann mögen Verspruch und Hochzeit so nahe, wie es nur statthaft ist, auf einander folgen. Die Weiber sind ja ohnedies mit Allem längst bereit.“

Herr Peter empfahl sich und rieb sich draußen zufrieden die Hände. „Wo steckt denn der Georg, Frau Gevatterin? Daß man den doch einmal zu sehen kriegte, wenn man hier ins Haus kommt!“ rief er, als er an der Küche vorüberkam, der drinnen wirthschaftenden Bürgermeisterin zu. Der sitze heute den ganzen Tag in seiner Stube über den Büchern, rief ihm die Frau hinaus.

„Ueber den Büchern? den ganzen Tag? so?“ meckerte der Alte vor sich hin. „Nun, ich lasse ihm meine Empfehlung machen, dem jungen Herrn!“ damit trollte er sich nickend und die Hände reibend hinaus.

Der Bürgermeister hatte sich nach dem Weggange des Gevatters wieder an die Amtsgeschäfte begeben, aber es war eine leichte Wolke auf seiner Stirn geblieben, und als gegen Abend Georg bei ihm eintrat, blickte er dem Sohne mit einer gewissen Zufriedenheit zwar, daß jene Angelegenheit nunmehr zur Erledigung kommen sollte, aber doch etwas ernster als sonst entgegen.

„Habt Ihr Muße mich anzuhören, Vater, in einer Sache, deren Aufschub ich nicht länger auf mich nehmen möchte?“ begann Georg.

Der Alte neigte langsam das große Haupt, und deutete, indem er seinen Sessel etwas vom Schreibtisch fortrückte, auf den noch in der Nähe stehenden Stuhl, auf welchem vorhin Herr Külwetter gesessen hatte ... „Es trifft sich, daß auch ich etwas mit Dir zu besprechen habe ... ich wollte Dich gerade rufen lassen,“ sagte er dabei.

Georg blickte rasch auf, in einiger Betroffenheit über den Ton des Vaters, und suchte dabei in dem klugen Gesicht desselben zu lesen. „Der alte Külwetter war hier, Vater ... hatte er ein besonderes Anliegen an Euch?“

„Ja,“ sagte der Bürgermeister trocken. „Er beklagte sich über Dich und bat mich, den Termin Euerer, das heißt Deiner und Rosinens, Hochzeit zu beschleunigen, was ich ihm auch zugesagt habe.“

Es ging wie eine Flamme über das Gesicht des jungen Mannes, aber er schwieg noch, preßte sogar die Lippen fester auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_281.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2019)