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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 20.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Frau mit den Karfunkelsteinen.

Roman von E. Marlitt.
(Schluß.)


28.

Die Frau Amtsräthin hatte am andern Tage noch nicht ausgetrotzt. Sie war für Niemand sichtbar; nur das Stubenmädchen durfte bei ihr aus- und eingehen, und als der Landrath Mittags vom Amte zurückkam und um Zutritt bitten ließ, da wurde ihm der Bescheid, daß die Nerven der alten Dame noch allzu sehr erschüttert seien, sie bedürfe für einige Tage der ungestörtesten Ruhe. Er zuckte die Achseln und machte keinen weiteren Versuch, in das selbstgewählte Exil seiner Mutter einzudringen.

Nachmittags kam er herunter in die Beletage. Er hatte sein Pferd satteln lassen und war im Begriffe auszureiten.

Margarete war allein in dem für den Großpapa bestimmten Wohnzimmer und legte eben die letzte Hand an die behagliche Einrichtung. Am Spätnachmittage sollte sie im Glaswagen nach Dambach fahren, um am nächsten Morgen mit dem Patienten in die Stadt zurückzukehren.

Sie hatte Herbert heute schon gesprochen. Er war in aller Frühe im Packhause gewesen und hatte ihr Morgengrüße von dem kleinen Bruder und seinen Großeltern und die Beruhigung gebracht, daß die gestrige heftige Nervenerschütterung der Kranken nicht im Geringsten geschadet habe; sie gehe im Gegentheil ihrer völligen Wiederherstellung mit raschen Schritten entgegen, wie er von dem Arzte erfahren habe. Nun kam er hier herein, um auch noch einmal Rundschau zu halten. Margarete placirte eben ein schönes, altes, den Lamprechts gehöriges Schachbrett in der Zimmerecke unter dem Pfeifenbrette. Er übersah von der Thür aus den äußerst gemüthlichen Raum.

„Ah, wie das anheimelt!“ rief er, näherkommend. „Da wird unser Patient seine einsame Pavillonstube nicht vermissen! Ich freue mich, daß wir ihn endlich hier haben werden! Wir wollen ihn zusammen pflegen und für sein Behagen und Wohlbefinden treulich sorgen – ist Dir’s recht, Margarete? Es soll ein schönes, inniges Zusammenleben werden!“

Sie hatte sich weggewendet und zog und ordnete an den verschobenen Falten der nächsten Portière. „Ich weiß mir nichts Lieberes, als mit dem Großpapa zusammen zu sein,“ antwortete sie, ohne sich umzusehen. „Aber mein kleiner Bruder hat jetzt auch Ansprüche

Gestörte Gastfreundschaft.0 Nach dem Gemälde von K. Fröschl.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_321.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2024)