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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Königs zu dienen – welchem Bekenntniß sie eine kräftige Verwünschung des „Usurpators“ hinzufügten. Dem dritten aber sank angesichts des Todes das Herz und er ließ sich zu dem Geständnisse herbei, daß er im August mit Georges Cadoudal am Felshange von Biville an’s Land gestiegen und durch Wälder und über Haiden hehlings nach Paris gekommen, um einen Mordanfall auf Bonaparte mitzumachen. Außerdem gab er verschiedene von den Geheimquartieren und den vertrauten Kneipen an, welche den Chouans von Cadoudal’s Bande Unterschlupf gewährten.

So hatte sich denn Fouché’s Polizeinase und nicht minder die Berechnung des Ersten Konsuls bewährt. Es war einiges Licht in das Dunkel gebracht. Man wußte jetzt, daß der hochgefährliche Chouanshäuptling Georges in Paris wäre. Man kannte die Landungsklamm von Biville, sowie die Schleichwege und Rastorte zwischen dort und der Hauptstadt. Ebenso etliche von den Bergewinkeln der Verschwörer in den Vorstädten.

Zu dieser Aufklärung fügte der Zufall, dieser Leibzwerg der Riesin Historia, welcher hinter den Falten ihres blutpurpurnen Mantels häufig so schelmisch lachend oder auch so boshaft grinsend hervorguckt, noch eine weitere.

Die Bucht und Kluft von Biville mußte die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden auf sich gezogen haben. Denn wir erfahren, daß gerade in den Tagen, wo die vergeblichen Zusammenkünfte zwischen Pichegru und Moreau in Paris stattfanden und die Regierung mittels der gemeldeten Kriegsgerichtsprocedur von dem Bestehen eines Mordkomplotts Kunde erhielt, dort am Felsgestade der Normandie zwischen Gendarmen, welche den Paß bewachten, und Chouans, welche zu landen versuchten, ein Feuergefecht geliefert worden war. Ein für seinen Dienst gut beanlagter Gendarm hatte nach beendigtem Schüssewechsel einen aus einem Chouangewehr gekommenen Papierpfropf aufgehoben und auf demselben den Namen Troche geschrieben gefunden. Nachforschungen auf dieser Spur ergaben, daß dies der Name eines in Eu wohnenden Uhrenmachers, welcher einen Sohn hatte, dessen Gebaren schon seit einiger Zeit der Polizei verdächtig vorgekommen war. Der junge Troche wurde demzufolge in aller Heimlichkeit aufgehoben, nach Paris gebracht und einem Verhör unterzogen, welches ihn alles gestehen machte, was er wußte. Und er wußte nicht wenig.

Denn dieser junge Mensch war es, welcher den Briefwechsel zwischen den Verschworenen in Paris und den Emigranten in London vermittelt hatte. Er war es auch, welcher die verschiedenen Schübe der Komplottgenossen an der Klamm von Biville empfangen und sie von dort weitergeführt hatte. So im August von 1803 den Georges Cadoudal und dessen Reisegefährten, so dann im Januar von 1804 den Trupp, bei welchem Pichegru, De Rivière und die Polignacs sich befanden. Wer diese Herren waren, hatte Troche nicht erfahren und konnte sie daher nur allgemein als „vornehme“ bezeichnen, welche von ihren Begleitern sehr respektvoll behandelt worden seien – namentlich einer. Im Februar, gestand der Gefangene schließlich noch, sollte wiederum eine Landung stattfinden und er, Troche, wäre beauftragt, auch diese Ankömmlinge zu empfangen und weiterzugeleiten.

Im Besitze von allen diesen Nachweisen begann die Polizei auf der ganzen Linie von Paris bis Biville eine außerordentliche Thätigkeit zu entwickeln. Nicht so fast unter der Leitung von Réal als vielmehr unter der von Fouché, welchen Bonaparte wieder zu Gnaden angenommen hatte und stillschweigend als wirklichen, obzwar vorderhand noch unbetitelten Polizeiminister schalten ließ. In den ersten Februartagen gelangen zwei wichtige Fänge. In einer der signalisirten Weinkneipen wurde nach verzweifelter Gegenwehr ein junger Chouan, Picot geheißen und in Cadoudal’s persönlichen Diensten stehend, dingfest gemacht. Kurz darauf der Edelmann Bouvet de Lozier, welcher sich „Generaladjutant der königlichen Armee“ titulirte und als der Leutnant von Georges anzusehen war. Beide Verhaftete waren schwer bewaffnet und mit beträchtlichen Geldsummen in den Taschen betroffen worden. Durch Picot erfuhr man eigentlich nicht mehr, als man schon wußte. Dagegen kamen aus dem Munde des Herrn Athanase Hyacinthe Bouvet de Lozier Angaben, welche die ganze Verschwörung klarstellten und den General Moreau schwer belasteten.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar machte Bouvet in seinem Gefängniß einen Versuch, sich zu erhängen. Das mißlang und der Gefangene wurde dadurch in eine an Raserei gränzende Aufregung versetzt. Er schrie nach dem Wärter und erklärte diesem, daß er sofort zu Protokoll vernommen zu werden verlangte, bevor er für die Sache seines rechtmäßigen Königs sterben würde. Der Staatsrath Réal wurde herbeigeholt und erstaunte nicht wenig über das, was der wüthende Mann hervorsprudelte. Réal ließ den Großrichter und Justizminister Régnier benachrichtigen und in dessen Gegenwart wurden sodann die Geständnisse des Gefangenen protokollirt, welcher als richtiger Franzos sich in Positur warf und theatralisch anhob: „Ein Mann, der von den Pforten des Grabes kommt und noch bedeckt ist mit den Schatten des Todes, will Rache nehmen an Leuten, welche durch ihre Treulosigkeit ihn mitsammt seiner Partei in den Abgrund gestürzt haben.“[1]

Auf diese Präambel ließ er umfassende Geständnisse über Thatsachen folgen, die wir bereits kennen. Von Gewicht war besonders die Enthüllung, daß zur für passend erachteten Stunde „Monsieur“ (d. i. der Graf von Artois als Bruder Ludwigs des Achtzehnten so betitelt) in Frankreich erscheinen sollte, um sich an die Spitze der Royalisten zu stellen; fernerweit die Aussage, daß Moreau versprochen, für die bourbonische Sache einzutreten, dann aber sein Wort zurückgenommen hätte, weil er selber nach der Diktatur strebte. Davon hätten aber die Royalisten ihrerseits nichts wissen wollen und das Hin- und Herverhandeln mit dem unzuverlässigen General trüge die Schuld, daß die Ausführung des Anschlags gegen den Ersten Konsul verzögert, die Zeit vertrödelt und die Polizei endlich auf die Fährte der Verschworenen geführt worden sei. Zu diesen Angaben Bouvets lieferte dann ein nochmaliges Verhör Picots die Ergänzung, daß nicht allein Cadoudal, sondern auch Pichegru zweifellos in Paris anwesend sein müsste.

Sobald Bonaparte von den Ergebnissen dieser Verhöre durch Réal in Kenntniß gesetzt worden, am Morgen vom 14. Februar, zauderte er nicht, zu handeln. Er machte es demnach ganz anders als die Komplottbrüder, welche so viele Zeit mit Schwatzen verloren hatten. Auch Georges war ja in dieser ganzen Angelegenheit keineswegs als der zum Vorschein gekommen, für welchen er galt, als der Mann des entschlossenen Zugreifens und des unbedenklichen Anpackens. Er sogar hatte sich aufs Diplomatisiren eingelassen und mußte nun erfahren, daß die Fäden einer Verschwörung um so leichter reißen, je feiner sie gesponnen sind.

In der Nacht vom 14. auf den 15. Februar ward in den Tuilerien eine vom Ersten Konsul berufene Rathsversammlnng gehalten, der die beiden konsularischen Statisten Cambacérès und Lebrun und die Mitglieder des Kabinetts anwohnten. Auch der unentbehrliche Fouché war dabei. Das Mordkomplott stand für die Rathschläger als Thatsache fest. Die Verschwörung erschien ihnen unter dem Gesichtspunkte, daß zur „Beseitigung“ Bonaparte’s und zum Sturze der Konsularregieruug Royalisten und Republikaner eine Verbindnng eingegangen oder wenigstens einzugehen versucht hätten. Pichegru habe dabei den Vermittler gemacht. Leider wäre zur Stunde weder dieser noch Cadoudal in den Händen der Behörden, aber sie wären in Paris und würden wohl aufzufinden sein. Es müßte jedoch von Wichtigkeit sein, die Möglichkeit eines weiteren Verkehrs dieser beiden Komplottchefs mit Moreau abzuschneiden. Daher der Beschluß, den General, sowie die Zu- und Zwischenträger Lajolais und Rolland, ungesäumt verhaften zu lassen. Aber was dann? Cambacérès meinte, Moreau sollte einem Kriegsgericht überwiesen werden. Der Erste Konsul wandte dagegen ein, es würde heißen, er hätte durch ihm blindlings ergebene Officiere seinen „Nebenbuhler“ richten lassen. Daraufhin wurde beschlossen, Moreau vor den Strafgerichtshof vom Seinedepartement zu stellen, aber – die wächserne Konsularverfassuug bot dazu eine Handhabe, wie zu

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_361.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2020)
  1. Meine Darstellung ist hier, wie durchweg, als auf ihre Hauptquelle basirt auf die große Aktensammlung: „Procès instruit par la cour de justice criminelle et spéciale du département de la Seine, séante à Paris, contre Georges, Pichegru et autres, prévenus de conspiration contre la personne du Premier Consul.“ Paris 1804, 8 vols. Was die Episode des an dem Herzog von Enghien verübten Justizmordes angeht, so lieferte mir das Aktenmaterial für meinen Bericht die Sammlung der „Documents authentiques“, welche L. Constant seiner Schrift „Le duc d’Enghien“, Paris 1869, einverleibt hat. Als eine, freilich nicht immer kristallklare Quelle für die Geschichte dieser Episode dürfen auch das 4. und 5. Kapitel vom 1. Bande der „Mémoires de Madame de Rémusat,“ Paris 1880, bezeichnet werden.