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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Einer der reizendsten Ausflüge von Ischgl ist der in das Fimberthal, das Amthor in seinem „Tirolerführer“ als „ein wahres Eldorado alpinen Hochgenusses“ bezeichnet. Besonders lohnend ist die Partie über die Alpe Vid, die allerdings etwas beschwerlicher ist, dafür uns aber eine Fülle der herrlichsten, hochalpinen Landschaftsbilder vor Augen führt. Von Ischgl aus steigt der Weg über den Kalvarienberg anfangs etwas steil empor, dann aber zieht er sich fast eben durch Wald und Wiese an der


Abtragen des Alpennutzens.

Wallfahrtskapelle Pardatsch vorüber bis zur zwei Stunden entfernten Alpe Boden. Häufig begegnen uns auf diesem vielbegangenen Wege fromme Beterinnen, die der malerisch gelegenen Kapelle zueilen, hin und wieder auch ein rothwangiges Mägdelein, das trotz schwerer Last eilig dahinschreitet, um das Erträgniß der Alpenwirthschaft zu Thal zu tragen. Wer aber den Weg über Vid einschlagen will, muß bei dem großen Feldkreuz, das sich in einiger Entfernung von Pardatsch links erhebt, den durch den Wald aufwärts führenden Pfad verfolgen. Bald bleibt der Wald zurück wir erblicken die ersten Heuhütten, und immer bergan schreitet der Fuß in dem weichen Wiesenteppich, der sich weit zu unsern Füßen ausbreitet.

Endlich ist die Alphütte erreicht, und während uns der freundliche Senne ein einfaches Mahl bereitet, versenken wir uns in den Anblick der uns umgebenden Natur, deren bestrickendem Zauber sich unsere Sinne willenlos gefangen geben. Fast zögernd betritt der Fuß die von saftigem Madaun bedeckten Matten, die von einer Fülle der seltensten Alpenblumen durchzogen sind und dem Botaniker eine reiche Ausbeute von außerordentlicher Schönheit und Mannigfaltigkeit gewähren. Ueberall sind fleißige Hände beschäftigt das duftende Bergheu einzutragen, manchmal trifft der langgezogene Juhschrei der Heuenden unser Ohr; denn trotz der schweren und mühseligen Arbeit, welcher Männer und Mädchen vom Grauen des Morgens bis in die sinkende Nacht obliegen, sind sie fröhlich und guten Muthes, wenn nur das Wetter günstig ist. Das einfache Mahl bereiten sie in eigenen Kochhütten, deren äußerst kunstlose Konstruktion uns der Künstler in dem nebenstehenden Bilde vorführt. Die Milch zum Kochen liefern ihnen die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_364.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)