Seite:Die Gartenlaube (1885) 434.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


einzusprengen. Nur beim Aufsteigen war er immer etwas schwierig. Da mußten meine Burschen ihn stramm an der Nasenstange festhalten, bis ich im Sattel war. Losgelassen, schoß er dann jedesmal ein paar Galoppsprünge vorwärts, fiel aber gleich darauf in ein ruhigeres Tempo, um fortan ganz ausgezeichnet zu gehorchen. Außerdem hatte er die üble Gewohnheit, gegen Neger, die Furcht vor ihm zeigten, mit den Hörnern loszugehen. Daher auch sein Name, den meine Leute ihm gaben. „Maluco“ (sprich Malukku) ist ein portugiesisches Wort, bedeutet ursprünglich „närrisch“ oder „verrückt“ und wird in Angola meistens im Sinne von „böse“ oder „wild“ gebraucht. Ja, Malukku ist auch noch dadurch merkwürdig, daß er eigentlich ein viel größerer Afrikareisender geworden ist, als ich selbst, indem er, nach meiner Rückkehr aus Lunda in die Hände meines berühmten Freundes Wißmann übergegangen, bis in die Nähe von Nyangwe gelangte.

Die Ochsenreiterei nimmt unter den vielen legitim gewordenen Grausamkeiten, die sich der Mensch den dienstbar gemachten Kreaturen gegenüber erlaubt, eine hervorragende Stelle ein.

Naseneisen der Reitochsen.

Nur bei ganz zahmen und schwächlichen Ochsen kann man des oben beschriebenen Naseneisens entbehren und sich mit einem einfachen durch die Nase gezogenen und hinter den Ohren zusammengebundenen Stricke begnügen, um an diesem links und rechts die Zügel zu befestigen. In solcher lotterigen Weise pflegen z. B. die Neger ihre elenden, kleinen Thiere aufzuzäumen. Bei kräftigen und etwas wilden Ochsen, wiez. B. mein Malukku einer war, ist das Naseneisen unumgänglich nöthig. Bei Malukku mußte man in der ersten Viertelstunde die Zügel immer fest anziehen, damit er stets in Fühlung mit der ihn bändigenden Vorrichtung blieb, sonst erlaubte er sich, mit den Hörnern nach rückwärts zu stoßen.

Sowohl Schritt wie auch Trab und Galopp sind bedeutend langsamer, als beim Pferde. Der Tritt aber ist viel sicherer. Die kurzen massigeren Knochen und die breiteren Gelenke des Rindes nehmen nicht so leicht Schaden auf den schlechten steinigen Wegen und auf dem rauhen löcherreicheu Boden der Savannen. Die vielen ausgedehnten Sümpfe würde ein Pferd nie überstehen.

Das Traben der Ochsen ist im Anfange unangenehm, indem man dabei beständig um seine Längsachse hin und her gedreht wird. Im Galopp wird man lebhaft vorwärts geworfen und hat das Gefühl, als müsse man auf die zuweilen sehr spitzen Hörner stürzen. Portugiesische Ochsenreiter, seien sie nun weiß oder schwarz oder braun, dahin galoppiren zu sehen, ist gewöhnlich ein heiterer, aber selten eleganter Anblick. Arme und Beine klappen im Takte der Gangart flügelartig auf und nieder. Die meisten Ochsen beginnen nach kurzer Zeit scharfen Reitens laut zu keuchen, sodaß man daran allein schon die Annäherung eines Kavaliers gewahr wird, ehe dieser selbst zwischen dem hohen Grase auftaucht. Denkt man sich dazu noch das johlende Geschrei hintendrein laufender Diener, das Bellen von Hunden und das häufige Klatschen der Peitsche, so hat man einen kleinen Begriff der lustigen Stimmung, die so eine Ochsenkavalkade mit sich bringt.

Es giebt natürlich Reitochsen der verschiedensten Qualität, und ihr Preis schwankt dementsprechend zwischen 17 bis 170 Mark.

Außer Malukku besaß ich noch einen zweiten Reitstier, welcher zwar minder vorzüglich war, aber doch noch zu der besseren Klasse gehörte. Während Malukku schön emporstrebende Hörner besaß, trug dieser sie abwärts gebogen, was, im Verein mit einer gewissen stumpfsinnigen Sanftmuth, den Namen „Mboffo“ oder „Boffo“, ein Negerwort, welches soviel bedeutet wie „unbewaffnet, unmännlich“, zur Folge hatte. Malukku und Boffo haben mir, ohne jemals krank zu werden, zwei Jahre lang auf meinen Reisen gedient, und mit ihnen waren mein Schicksal und meine Arbeiten ebenso lange innig verknüpft.

Den großen Vortheilen, welche das Berittensein auf einer Reise gewährt, stehen freilich auch manche Nachtheile zur Seite, die hauptsächlich in der großen Schwierigkeit liegen, die Reitochsen über die Sümpfe und Wasserläufe zu bringen. Es ist oft erstaunlich, wie tief diese Thiere in morastigen Boden einsinken und wie häufig sie stecken bleiben, wo der mit hundert Pfund belastete Träger noch ziemlich gut durchkommt. Meistens müssen sie vollständig abgesattelt werden, und nicht selten kostet es stundenlange Anstrengungen, bis eine Sumpfstrecke, vielleicht nicht breiter als hundert Meter, die noch dazu gar nicht schlimm aussieht, passirt ist. Namentlich mein phlegmatischer Boffo machte uns bei solchen Gelegenheiten viel zu schaffen. Er hatte ein merkwürdiges Talent, in Morastlöcher zu gerathen, und zeigte sich dann jedesmal in seiner ganzen Unmännlichkeit, indem er verzweiflungsvoll stecken blieb, ohne einen Versuch zu machen, wieder herauszukommen, während Malukku, der Streitbare, voller Aufregung alle Kraft aufwendete, sich durchzuarbeiten. Ganz dieselbe Scene, die man bei uns um gefallene Droschkenpferde sich abspinnen sieht, umgab dann auch Boffo.

Noch schwieriger waren zuweilen die Flußpassagen. Wo man nicht mehr durchwaten kann, muß für die Karawane entweder eine Brücke gebaut werden oder man bedient sich der Kähne eingeborener Häuptlinge zum Ueberfahren. Da aber in jenen Theilen Afrikas, von denen hier die Rede ist, sowohl die Brücken als auch die Kähne so mangelhaft beschaffen sind, daß sie kaum für die zweibeinigen und vernunftbegabten Menschen einige Sicherheit gewähren, so läßt man die Ochsen am besten schwimmen, indem man sie ins Wasser treibt und durch das Knallen der Peitsche, durch Steinwürfe und durch Geschrei so lange beunruhigt, bis sie sich entschließen, dem anderen Ufer zuzusteuern. Ist drüben das Ufer günstig zum Landen, so geht diese Arbeit leicht und ohne Anstand von statten. In der Regel jedoch ist hüben und drüben der Fluß von dichten Waldlinien eingesäumt, die über und unter dem Wasserspiegel eine Menge sperriger Aeste vorstrecken. Dann heißt es oft, lange nach einer besseren Stelle suchen und diese erst einigermaßen von Hindernissen, die niemals ganz fehlen, säubern. Wo der stachelige Rotang mit seinen Widerhaken tragenden Ranken in größerer Zahl das Uferdickicht durchsetzt, kostet diese Pionierarbeit manches Stück Haut und Kleidung.

Ist schließlich alles fertig, so vereitelt nicht selten das theure Rindvieh selber den Erfolg der sorgsamen Vorbereitung. Während Boffo immer ziemlich gerade dem jenseitigen Ufer zusteuerte, ließ sich Malukku, der sonst so Vortreffliche, oft von der Strömung erfassen und tiefer hinabtreiben, als wir berechnet hatten. Konnte er dann nicht landen, so schwamm er zurück, wurde noch weiter hinabgetrieben und verschwand uns einmal sogar gänzlich, sodaß wir ihn bereits für verloren hielten. Wo es angeht, läßt man die Ochsen deßhalb am besten neben dem Kahne her schwimmen und nimmt sie mittels des Naseneisens in seine Gewalt.

Die angedeutete Schwierigkeit des Rindviehtransportes im uncivilisirten Innerafrika erklären genugsam das fast gänzliche Fehlen von Rinderheerden. Nur zwei Potentaten habe ich kennen gelernt, die deren besaßen. Muatiamwo, der große Lundakönig, erfreute sich des seltenen Reichthums von sechs Stieren und einer Kuh. Die Stiere erkannte man an ihren durchlöcherte Nasescheidewänden sofort als ehemalige „Bois cvallos“, die Muatiamwo durch verschiedene schwarze Händler aus den Küstengebieten erhalten hatte. Die Kuh brachte ihm vor vier Jahren ein Kiokohäuptling zum Geschenk. Der vorige Muatiamwo soll mehr als vierzig Rinder besessen haben, aber nach seinem Tode, während des Interregnums allgemeiner Trauer und Gesetzlosigkeit, das in der Regel solchen Ereignissen folgt, wurden sie insgesammt aufgefressen. Der andere Potentat, bei dem ich Rinder antraf, ist der Lundafürst Kahungula. Dieser hat gleichfalls nur eine einzige Kuh neben fünf Stieren. Im nördlichen Mataba waren diese Thiere so gänzlich unbekannt, daß nicht einmal ein eigenes Wort für sie existirte. Die Eingeborenen, die dort herbeikamen, um Malukku und Bosso anzustaunen, nannten dieselben „große Ziegen“.

Den Europäern bleibt es somit vorbehalten, den Segen des Rindes, jenes Urkapitals der Menschheit, auch über Südafrikas Tropenstriche immer mehr auszubreiten. Wenn dereinst künftige Generationen die Ebenen Südamerikas für den Getreidebau in Anspruch nehmen, dann wird mittlerweile der dunkle Kontinent in den Stand gesetzt sein, statt ihrer die Rolle des großen Fleischlieferanten auszufüllen.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_434.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)