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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 29.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Trudchens Heirath.

Von 0W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Die ersten Sonnenstrahlen legten sich wie rothes Gold auf die Spitzen des Waldes, der sich bis zu dem weißen im Villenstil gebauten Hause herandrängte; Riesenwächtern gleich standen vor der massiven Gartenmauer prachtvolle Eichen auf dem Rasengrund. Ein schmaler wenig betretener Pfad führte zwischen ihnen dahin, wie man ihn findet an Stellen, die eigentlich nicht begangen werden sollen. Noch gaben die stolzen Bäume wenig Schatten, die Eiche belaubt sich zuletzt; jung und kraus erschienen die Blättchen an den knorrigen Aesten und stachen reizend ab gegen die dunklen Edeltannen jenseit der Gartenmauer, untermischt mit dem zarten schleierartigen Laub der Birke.

Wie traumverloren lag „Waldruhe“ in dieser Morgenstille. Die grünen Jalousien waren sämmtlich geschlossen, gleich schlafschweren Augen; auf dem Dache sonnte sich eine Reihe bunter Flüchtertauben. Der Rasenplatz vor dem Hause schien verwildert, kaum noch von dem grasbewachsenen Wege zu unterscheiden, der von der Gitterpforte zum Treppenhause führte. Aus dem Nebengebäude stieg leichter Rauch zum blauen Himmel empor, und eine Katze saß zusammengekauert auf dem hölzernen Bänkchen zur Seite der Hausthür. Kein Laut ringsum, als der jauchzende Triller der Lerchen, die unsichtbar im blauen Aether standen.

Da kam unter den Eichen eine schlanke Frauengestalt daher. Sie ging langsam, und ihre Blicke schweiften bald nach links über die grünende Saat hinweg ins Land hinaus, bald hingen sie an den Bäumen. Sie mußte schon einen weiten Weg gemacht haben; das feine Gesicht sah müde aus, unter den Augen lagen braune Schatten, und der Saum ihres Kleides war feucht wie die kleinen halbhohen Lederschuhe, die unter dem grauen Falbelrocke hervorsahen. Sie ging direkt auf das Gitterthor zu, faßte mit den unbehandschuhten Händen die rostigen Stäbe und blickte auf das Haus, etwa in der Stellung eines neugierigen Kindes; aber ihre Augen sahen zu ernst dafür. Neben ihr stand schweifwedelnd ein brauner Hühnerhund und richtete wie fragend die klugen Augen zu ihr hinauf, aber sie achtete des Thieres nicht, das ihr so treulich gefolgt. Ihre Gedanken hatten nur ein Ziel.

Sie war nie wieder hier gewesen seit jenem Tage, an dem sie in verzweifelnder Angst hergelaufen, um – zu spät zu kommen. Noch erschien Alles wie damals – eben so verlassen. Sie zog die Glocke, wie schwer das ging! Ja, die


Stillvergnügt.   Zwischen Lachen und Weinen.   Heiße Zähren.
Unser Junge beim Momentphotographen.
Photographie von Boissonnas in Genf. Verlag von Hugo Grosser in Leipzig.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_469.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)