Seite:Die Gartenlaube (1885) 516.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Aus dem Nachlaß von Karl Stieler. Der litterarische Nachlaß von Karl Stieler ist veröffentlicht worden. Er ist nicht umfangreich, denn der Dichter gehörte zu den Glücklichen, deren Werke gesucht waren und sofort Absatz fanden. So konnten seine „nachgelassenen Werke“ in zwei kleinen Bänden vereinigt werden, die vor Kurzem im Verlage von Adolf Bonz u. Komp. in Stuttgart erschienen sind.

„Kulturbilder aus Bayern“ ist der Titel des einen Werkchens, in dem uns eine ausgewählte Sammlung der Vorträge geboten wird, welche Karl Stieler in den verschiedensten Städten Deutschlands über das Volksleben seiner Heimath mit großem Erfolg gehalten hatte. Es sind treffliche Essays, in denen der Prosaist Stieler in seinen besten Eigenschaften vor uns tritt und von welchen der Herausgeber derselben Karl Theodor Heigel mit vollem Recht sagen durfte: „Die herzliche Freude, die mit der wiederholten Lektüre der Essays verbunden war, wird Jeder, der den Reiz der harmonischen Kunstgebilde auf sich wirken läßt, mir nachempfinden. Beschreiben läßt sich die Blume eines leichten und doch feurigen Weines nicht.“

„Ein Winter-Idyll“ heißt das andere Werkchen, das in anmuthigen Versen das Lebensglück des Dichters schildert, wie es ihm einst unter dem Dache seines väterlichen Landhauses entgegen lachte. Ursprünglich beabsichtigte Stieler, in diesem Winter-Idyll sein ganzes Leben, auch die Begegnungen mit seinen Freunden, zu beschreiben, es ist ihm aber die Ausführung dieses Planes nicht mehr möglich gewesen; was er schaffen konnte, bezieht sich nur auf seine engeren Familienverhältnisse. Um so besser, möchten wir sagen, denn durch den reinen Herzenszug, der durch das ganze Werkchen geht, muthet uns dasselbe wundersam traulich und herzgewinnend an. Stieler war ja der Glückliche, der das Resultat seines Gebens in die schlichten Worte fassen konnte:

„Wenn ich daheim bin, werden sie wohl fragen,
Was ich erlebte? – Doch dann schweig ich still.
Was ich erlebte? … Nichts. – Nur ein Idyll.“

Doch besser als alles Loben und Erwägen wird ein kleines Citat aus jener Dichtung unsere Leser den echten Werth derselben erkennen lassen. „Kinderzeiten“ lautet der Abschnitt, aus dem wir das folgende Genrebildchen herausgreifen:

„Und einmal wieder schien die Sonne warm,
Ich saß im Gärtlein auf der Mutter Arm
Und sah ins Blau und sah hinab zur Erden.
Da frug sie lachend: ‚Sag, was magst du werden?‘
Ein erstes Kind, das man so kindisch liebt,
Man frägt’s ja gern schon, eh’s noch Antwort giebt.
‚Was magst du werden, Du mein kleiner Fant?
Gewiß ein Maler oder Musikant?‘
Da rollt die Post vorbei mit hellem Ton.
‚Am Ende gar ein kleiner Postillon?‘
Doch trotzig schüttelt’ ich das winz’ge Haupt,
Das kaum der erste blonde Flaum umlaubt.
‚Ja was denn sonst?‘ scherzt mir die Mutter vor
Und hebt im Spiel die schlanke Hand empor.
‚Zuletzt ein Dichter? – Wart’, du arges Blut!‘
Da nickt das Köpflein fest und resolut.
Sie aber lacht: ‚Schaut nur den Unband an,
Der dichten will und – noch nicht sprechen kann!‘“

Eltern- und Gattenliebe, die herrlichen Blumen, die uns freundlich blühen am dornenvollen Wege des Lebens, wie innig wahr hat sie Stieler in seinem Idyll besungen! Er hat es aus seinem Herzen und für sich gedichtet, er schuf uns aber, ohne es zu ahnen, ein verklärtes Bild eines echten Familienlebens, das in tausend Herzen Wiederklang findet!

Das ist die reine letzte Gabe des heimgegangenen Dichters!

J.     

Die Stiefelkontribution zu Koblenz. Nach dem Rückzuge der Koalitionstruppen und dem von der Republik Frankreich im Jahre 1794 mit Preußen abgeschlossenen Separatfrieden waren die Soldaten der untheilbaren Republik unter General Hoche Herren der zum Trierer Kurfürstenthume gehörenden Stadt Koblenz. Nicht genug, daß dem Magistrat derselben eine hohe Kontributionssumme auferlegt ward, erging an ihn der Befehl, innerhalb 24 Stunden mehrere hundert Paar Stiefel zu liefern, da die Armee der Sansculotten sich der „Beschuhung“ noch nicht zu entäußern gelernt und großen Mangel an Fußzeug litt. Aber der befohlene Termin sah die Leistung nicht erfüllt, auch ein zweiter blieb ergebnißlos. General Hoche, der für die rechtzeitige Lieferung verantwortlich war, verfiel auf ein ebenso perfides als brutales Mittel, zum Ziele zu gelangen. Er ließ durch Plakate und Ausrufer eine allgemeine Volksversammlung auf einem der Märkte verkünden, zu deren Theilnahme jeder männliche Einwohner von Koblenz berechtigt war, sobald er das achtzehnte Jahr überschritten.

Nicht umsonst hatte der französische Befehlshaber auf die Neugier und die Vorliebe für Zusammenkünfte bei dem leichtlebigen Rheinländervolke gerechnet. Zur bestimmten Stunde war der Markt gedrängt voll von Männern aller Stände, die sich erwartungsvoll um die Rednerbühne scharten, von der herab ihnen der Grund ihrer Berufung mitgetheilt werden sollte. – Wahrscheinlich um jede Störung des Vortrags zu verhindern, geschah es, daß ein Bataillon französischer Soldaten mit klingendem Spiele aufzog und, sich rings um den Markt postirend, nur eine schmale Gasse für die sich entfernenden oder zukommenden Hörer frei ließ. Zugleich aber bestieg ein Vertreter des Befehlshabers die Estrade; unter dem Schweigen der Versammlung begann er mit der Klage, daß der wiederholte Aufschub der Stiefellieferung ohne Wirkung geblieben, und da der General selber gedrängt werde, habe, um der Sache ein rasches Ende zu bereiten, jeder der Anwesenden sich sofort seiner Fußbekleidung zu entledigen und durch die einzige von den Soldaten offen gelassene Gasse von dannen zu gehen. So groß die Entrüstung und der Lärm im ersten Augenblick immer waren, der Anschlag der Gewehre der kreisbildenden Wächter, die den Kordon mit jeder Minute verengten, verlieh den Worten des Beamten verstärkten Nachdruck; mit Ingrimm und geheimem Zähneknirschen entledigten sich die zur Volksberathung versammelten biederen Koblenzer ihrer Schuhe und Stiefel und pilgerten barfuß oder in Strümpfen durch die Reihen der ganz ehrerbietig vor den unbeschuhten Opfern des republikanischen Terrorismus Spalier bildenden Soldaten ihrem Heim entgegen. Die zurückgelassene Hekatombe aber, die den Platz zu einem Schustermagazin umgewandelt hatte, ward sofort von diensteifrigen Händen gesammelt und mittels Fahrzeugs rheinaufwärts geführt. General Hoche hatte seine Aufgabe erfüllt und war malitiös genug, den Koblenzern in einer Bekanntmachung seinen Dank auszudrücken, daß ihm dieselbe von Seiten der würdigen Bürger der Stadt nach Kräften erleichtert worden sei. H. H.     


Aufforderung. In einer der nächsten Nummern unseres Blattes theilen wir den Bericht über die Vergebung von Fahrstühlen an arme Gelähmte mit, zu welcher der Wohlthätigkeitssinn unserer Leser uns die Mittel geboten hat. Da aber alle Bitten um solche Hilfe noch nicht erfüllt werden konnten, so ersuchen wir Diejenigen, welche gebrauchte, aber noch brauchbare Fahrstühle besitzen und entbehren können, dieselben als Geschenk oder gegen billigen Preis uns zukommen zu lassen.

Die Redaktion der „Gartenlaube“.     


Allerlei Kurzweil.


Schach.
Problem Nr. 3. Von Ch. Kondelik in Paris.
SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.


Räthsel.

Als Freund, Genosse und Bekannter,
Als Fremder oder Anverwandter
Stellt es sich öfters bei Dir ein,
Daß Du nicht weilest mehr allein.

Entfernst Du es, bleibt statt der Lücke
Zurück, was Dich zu Deinem Glücke
Bei treuem Fleiß verwandeln kann
In einen grundgelehrten Mann.


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Aufragen werden nicht beantwortet.)

Karl Emil N. in Kottbus. Derartige Vorschläge werden uns ziemlich oft unterbreitet, wir müssen dieselben jedoch aus Rücksicht auf die Gesammtheit unserer Leser ablehnen und sind stets bestrebt, nur das zu bringen, was ein allgemeines Interesse für sich beanspruchen darf.

A. G. in H. Mentor’s „Was willst Du werden? Die Berufsarten in ihren Licht- und Schattenseiten (Darmstadt, C. Köhler’s Verlag)“ ist zu empfehlen. Die Berufsarten des akademischen Studiums werden gleich in der ersten Abtheilung des Werkes besprochen. Die folgenden Abtheilungen betreffen das Geschäftsleben, das Militär- und Seewesen, die Berufsarten der Kunst etc., und den Schluß bildet eine Abhandlung über diejenigen Berufsarten, welche den Frauen offen stehen.

A. D. in Brünn. Die Namensunterschrift Ihres Briefes ist unleserlich. Wir bedauern, das uns Eingesandte nicht verwenden zu können.

H. St. Auf deutschen Universitäten ist derartige Promotion nicht mehr zulässig.

M. G–en. Köln. Ihre für die Expedition Dr. G. A. Fischer’s bestimmten 2 Mark haben wir dem Geographischen Institut von Justus Perthes in Gotha überwiesen.

H. W. in Breslau. Ungeeignet.



[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier z. Zt. nicht übernommen.]


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_516.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)