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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Abgesehen von dem Schlendrian, ist das Hinderniß gegen eine Aenderung der Zeitangabe hauptsächlich darin zu suchen, daß sämmtliche bestehende Uhren dadurch unbrauchbar werden. Zu bedenken ist auch die Eintheilung des Zifferblattes in 24 Stundentheile, daß bei kleineren Uhren das Ablesen der Zeit in Folge der Undeutlichkeit des Zifferblattes erschweren würde.

Beide Hindernisse hat jedoch Herr Osborne durch eine einfache Vorrichtung anscheinend recht glücklich beseitigt. Seine Uhr weist zwei über einander liegende Zifferblättchen auf; das erste feststehende besitzt, an Stelle der 12 Stundenzahlen, ebenso viel Ausschnitte, durch welche die 24 Zahlen des unteren beweglichen Zifferblattes der Reihe nach sichtbar werden. Von 12 Uhr Nachts bis 12 Uhr Mittags sieht das Zifferblatt der neuen Uhr wie das unserer heutigen Uhren aus; mit dem Schlage der zwölften Tagesstunde wird jedoch das untere Zifferblatt durch ein von der Uhrfeder bewegtes, leicht anzubringendes Werk derart verschoben, daß die Zahlenreihe 13 bis 24 vor den Ausschnitten erscheint. Um Mitternacht aber springt das Zifferblatt von selbst wieder zurück und es werden die Zahlen 1 bis 12 wiederum sichtbar.

Wir wünschen den Bestrebungen des Herrn Osborne den besten Erfolg und hoffen, es noch zu erleben, daß uns ein guter Freund um 20 Uhr zum Abendbrot einladet. In Italien geschieht es ja von jeher. Warum sollte es nicht auch bei uns möglich sein? G. van Muyden.     


Messung der Temperatur im Erdinnern. Zu Schladebach zwischen Merseburg und Kötzschau wurde vor einiger Zeit auf Staatskosten zu wissenschaftlichen Zwecken eine Tiefbohrung ausgeführt, bei der die außerordentliche Tiefe von 1392 Meter erreicht wurde. Dieses Resultat steht in der Geschichte der Tiefbohrungen wohl unübertroffen da. In den Plan der geologischen Untersuchung wurde auch die Messung der Temperatur des Erdinnern aufgenommen und in folgender interessanter Weise ausgeführt: Eine oben offene Glasröhre wurde mit Quecksilber genau bis an den Rand gefüllt und in einer metallenen Kapsel in das Bohrloch hineingelassen. Unter der Wirkung der steigenden Temperatur mußte sich das Quecksilber ausdehnen und ein Theil desselben über den Rand der offenen Glasröhre abfließen. Nachdem man die Glasröhre wieder zu Tage gefördert hatte, zog sich bei der gewöhnlichen Lufttemperatur das Quecksilber wieder zusammen und füllte die Röhre nur bis zu einer gewissen Höhe aus. Jetzt aber nahm man die Glasröhre mit dem Rest des Inhalts, setzte dieselbe in ein Wasserbad und erwärmte so lange, bis das Quecksilber wiederum den Rand der Röhre erreichte. Die Temperatur, welche das Wasser in diesem Augenblicke zeigte, entsprach genau der Temperatur, welche im Innern des Bohrloches das Quecksilber auf eben dieselbe Höhe ausgedehnt hatte, und diese Temperatur betrug in unserem Falle gerade 49 Grad Celsius. Würde nun die Erdwärme mit der Tiefe gleichmäßig zunehmen – was noch nicht erwiesen ist – so müßte bei etwa 3000 Meter Tiefe der Siedepunkt des Wassers, also 100 Grad Celsius, und bei 10 Meilen der Schmelzpunkt von Platina erreicht werden.


Ein neues Heilmittel. Schon seit langer Zeit empfahl man hier und dort gegen das Asthma das Rauchen verschiedenartiger Cigaretten, die in gewissen Fällen in der That dem Kranken einige Linderung zu bringen pflegen. Ein französischer Arzt, Professor Germain Sée, versuchte in letzter Zeit, das wirksame Mittel in jenen Cigaretten zu erforschen, und gelangte zu dem Resultate, daß dasselbe in einer chemischen Verbindung, dem Pyridin, bestehe, die sich beim Verbrennen verschiedener Pflanzen bildet. Er ließ die Kranken im verschlossenen Zimmer reines Pyridin athmen und fand, daß schon nach kurzer Zeit die meisten asthmatischen Beschwerden bei seinen Patienten schwanden und ruhiger Schlaf wiederkehrte. So viel bis jetzt festgestellt werden konnte, ist die Wirkung des Pyridins keine dauernde, so daß nur eine vorübergehende Linderung der Beschwerden und keine Heilung der Krankheit durch das Einathmen desselben erzielt werden kann. In geringen Mengen entwickelt sich das Pyridin auch beim Rauchen gewöhnlicher Cigarren und Cigarretten.


Unruhige Gäste.

Ein Roman aus der Gesellschaft.
Von Wilhelm Raabe.
(Fortsetzung.)

Wir haben aus diesem Tage eigentlich wenig mehr von dem Verkehr unter den Leuten im Pfarrhause zu berichten. Der Gast kam, außer beim Mittagstisch, bis zum Abend kaum noch zu einem längern Gespräch mit seinen stillen Wirthen. Der Pastor hielt sich in seiner Studirstube, und Phöbe schien der Unterhaltung mit dem neuen Freunde nunmehr sogar vorsätzlich aus dem Wege zu gehen. So war der Letztere bis zum Abend so ziemlich auf sich allein angewiesen und benutzte die Muße, die nächste Umgebung des Dorfes und seines wunderlichen, darin erworbenen Grundbesitzes möglichst genau kennen zu lernen. Das war wohl der Mühe werth, und es ging ihm kaum ein Schritt in der schönen Wildniß verloren. Aufs Gerathewohl durchstrich Veit die Thäler und stieg zu den Höhen empor, jetzt im dunkeln Walde zwischen rauschenden Wassern, jetzt über baumlose, steinige, mit phantastischen Steinblöcken bedeckte Haiden schreitend, bis er endlich bei sinkender Sonne von dem Gipfel einer steilrecht abfallenden Felswand aus die kleine Menschenansiedelung und ihren Friedhof wieder dicht vor sich hatte.

Nicht nur vor sich, sondern auch unter sich. Im Haidekraut ausgestreckt sah er nicht ohne innerlichste Betroffenheit in die unendliche Weite und auf den winzigen Punkt da unten, wo eben ein einzelner Mensch den Spaten in den Boden stieß und das erste Rasenstück aus der Grasnarbe aushob.

„Wer Dir vorgestern um diese Stunde hiervon gesagt haben würde, Veit von Bielow!“ – –

Ja wie war das vorgestern um diese Tageszeit gewesen?

Da hatte auf einer andern, weitberühmten Berg- und Felsenhöhe mit anerkannt romantisch-prächtiger und anmuthig-großartiger Aussicht sowohl in das Gebirge wie auf das offene Land ein ähnlich bunter Touristenzug, wie der vom gestrigen Abend auf der Vierlingswiese, vor dem vielstöckigen, palastähnlichen Gasthause angehalten und für den im Reisehandbuch anempfohlenen Sonnenuntergang, die Nacht und den möglichen heitern folgenden Sonnenaufgang Quartier genommen. Buntfarbiges Volk auch, doch was die Farbe der Kleider anbetraf, nicht ganz so bunt wie die Herrschaften von gestern. Viel vornehmere Leute, sehr vornehme Leute waren es gewesen, die da vorgestern Abend vor dem Hotel ihre Wanderstäbe und Schirme abgestellt hatten oder von den Reitthieren gestiegen waren. Und Veit Bielow war dort von den neuen Ankömmlingen als ein guter alter Bekannter, ja als ein langjähriger Freund jubelnd begrüßt worden und hatte der schönsten jungen Dame in der Gesellschaft die Hand küssen und ihr beim Absteigen von ihrem Maulesel behilflich sein dürfen. Er hatte auch seinen Platz bei Tische neben derselben erhalten. Das unvermuthete Zusammentreffen mit dem beliebten, heitern, geistreichen Lebensgenossen hatte Jedem im Kreise einen erhöhten Schwung gegeben; und es war für Stunden gewesen, als ob diesen allen nie ein Leid nahe getreten sei, als ob ihnen selbst ein Verdruß niemals nahe treten könne.

Auch war die Sonne wirklich prachtvoll untergegangen. Wahrlich als lachender Phöbus Apoll war der Feuerstern aus dem wolkenlosen Blau in den fernsten Duft und Dunst der Erde hinabgesunken, und der Professor und Freiherr hatte neben der schönen jungen Dame allein auf dem äußersten Felsvorsprung an der Brüstung gelehnt, und sie hatten in den Sonnenuntergang hinein von früherem Zusammentreffen

in engen Hütten und im reichen Saal –
im leichten Zelt, auf Teppichen der Pracht
und unter dem Gewölb der hohen Nacht[WS 1]

geplaudert. Fräulein Valerie war sehr freundlich, ja fast herzlich und nicht nur wie immer schön und stattlich, sondern ausnahmsweise auch unendlich anmuthig in ihrem Behagen gewesen.

„Und nun, da ich einmal wieder die Hand auf Sie gelegt habe“, hatte sie gesagt, als er ihr den Arm bot, um sie zur Abendtafel zu führen, „bleiben Sie gefälligst die nächsten Wochen drunten im Bad in meiner Nähe, mein werther Ritter Benedict. Ich habe es dringend nöthig, daß sich ein vernünftiger Mensch meiner zu Tode gelangweilten Seele annehme, Signore Professore. Papa hat uns diesmal mit einer Geleitschaft von Vettern, Kousinen und braven Freunden umgeben, die in Hinsicht auf ‚Viel Lärm um Nichts‘ nichts zu wünschen übrig läßt. Onkel Leonato ist fürchterlich, Hero wie immer lieb, aber kaum zu ertragen in ihrem holden Wechsel zwischen Herzweh und Kopfweh – eh, und Kousin Claudio aus Florenz, trotz seinem zärtlichen Verhältniß zu unserm blonden Kinde mehr für den Cirkus Renz als sonst was geeignet, und jedenfalls mir entsetzlich, einerlei ob er mich von seinem Neigen vom Herzen zu Herzen oder von seinen Pferden und Hunden unterhält. Das Erstere gewöhnlich zu Fuß neben meinem Esel, das Andere, noch furchtbarer, von oben herab für mein mäßiges Verständniß, aus dem Sattel des seinigen. Viel Lärmen um Nichts! viel Lärmen um Nichts! Bringen Sie, bester Baron, uns keinen frischen Luftzug von Padua nach Messina mit,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zitat aus „Auf Miedings Tod“ (Goethe).
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_525.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2024)