Seite:Die Gartenlaube (1885) 585.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Allerlei Hochzeitsgebräuche.[1]

IV.0Bauernhochzeiten im Hansjochenwinkel.
Von W. Meyer-Markau. 0 Mit Illustrationen von H. Dietrichs.


Dorf und Bauernhaus im Hansjochenwinkel.

Gleichsam als ein Stücklein Vergangenheit, das die rastlos forthastende Zeit abseits vom Wege mitzunehmen verabsäumt hat, liegt der Hansjochenwinkel im nordwestlichen Theile des Kreises Salzwedel. Dort gedeiht jener kernige Bauernschlag wendisch-germanischer Abkunft, der schon einmal (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1882, S. 313) den Gegenstand unserer Schilderung bildete. – Die Natur hat die Gegend ziemlich karg ausgestattet; nur der am Horizont sichtbare dunkle Saum ausgedehnter Nadelwaldungen und vereinzelt im Felde stehende knorrige Eichen bilden den natürlichen Schmuck der weiten Ebene. Aber die schwielige Hand des fleißigen Bauern wußte die sandige Scholle in fruchtbares Land zu verwandeln, und dicht aneinander gedrängt leuchten aus dem frischen Grün der Obstgärten wohlhabende Dörfer hervor, mit dem wohlbekannten Giebel des niedersächsischen Hauses, zumeist nach wendischer Sitte in Hufeisenform gebaut. Am eigenartigsten von allen daselbst herrschenden Gebräuchen ist unbestritten die Art und Weise, in der die dortigen Bauern in die Ehe treten. In Folge althergebrachter Sitte herrschen noch heute bei den Hochzeiten im Hansjochenwinkel jener farbige Prunk und jene laute Freude, die in alter Zeit das Volksleben verschönerten. Auch ein wenig urwüchsige Poesie tritt uns hier bei solchen Anlässen entgegen, obwohl die Gründe für die Eheschließung eines Paares fast durchweg sehr wenig idealer Natur sind und zumeist der krasseste Realismus sich breitspurig als Ehevermittler hinstellt. Wenn sich die „Alten“ auf ihrem Bauerngute abgearbeitet haben und demselben nicht mehr vorstehen können, so wird „eingefreit“. Da gilt’s denn vor Allem, eine „passende Partie“ zu finden. Passend ist aber eine solche nur dann, wenn der andere Theil mit seinem Gelde den Hof „heben“ kann, das heißt, wenn er Mitgift genug bietet, um alle Mitbewerber siegreich aus dem Felde zu schlagen. Nun aber sucht sich der Bauernbursch nicht etwa selber die Braut unter den Töchtern des Landes, das besorgen die lebenserfahrenen Alten. In der Regel wird von diesen einer zuverlässigen „Frauensperson“, der „Freiwerberschen“, vertraulicher Auftrag ertheilt, für den Hof die Bäuerin „ausfindig zu machen“. Solcher Liebe Müh’ ist nicht etwa umsonst, nein, dafür bekommt die „Freiwerbersche“ ihr „Freiwerberhemd“ und freie „Köst“ – so nennt man nämlich die Hochzeit.

Ist unter den zur Auswahl gestellten „Bauerndirnen“ der Eltern Wahl auf eine bestimmte gefallen, so kommt die Braut mit den Ihrigen „zum Besehen gefahren“. Dabei wird dann nicht nur Alles, was in Feld und Wald, in Hof und Stallung zu schauen, „durchmustert“, sondern es werden auch Boden und Keller, Kisten und Kasten „in Observanz genommen“. So nebenbei sieht sich bei dieser Gelegenheit das zukünftige Paar oft zum

ersten Mal mit prüfendem Blicke an. Wohl der Braut, wenn sie

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_585.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2024)