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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Köst also nicht vornehm genug, weil zu wenig Gäste geladen waren. Hinter der Braut standen die Brautjungfern, nächste Verwandte von Braut und Bräutigam, mit zwei Brautlichtern.

Brautjungfer mit Brautlicht.

Diese Brautlichter waren damals Tännchen, aufgeputzt mit breiten, sehr langen rothen und grünen Seidenbändern, mit künstlichen Blumensträußen und recht vielem „Knittergold“, das „tüchtig knittern mußte, so als der Wind ging.“ Auf den Aesten des Tannenbäumchens steckten Christbaumlichter, und der Stiel war mit Buchsbaum umwunden. Neuerdings hat auch hierin die Kunst über die Natur obgesiegt, mit Rosmarin oder gar mit künstlichen Blumen umwundene Gestelle haben den Christbaum vom Brautwagen verdrängt.

Ganz hinten auf demselben saßen die „Korbmütter“, zwei Frauen nächster Verwandtschaft, die einen großen Korb vor sich stehen hatten, aus welchem sie den Zuschauern Kuchen, „Kubel“-(Weißbrot-) Schnitte, Aepfel und Pfeffernüsse zuwarfen. Dem Brautwagen folgten die älteren Hochzeitsgäste als „Nachfolger“. Je mehr solcher Wagen, desto „großartiger“ die Köst. Auf dem allerletzten derselben fuhren Vater und Mutter der Braut, bei denen Pferde und Wagen ungeschmückt bleiben mußten. Wenn der stattliche Zug langsam durch die Fluren dahin fuhr, hörte man schon aus weiter Ferne die schmetternde Musik, das Juchzen der Burschen, das Kreischen der Mädchen und das Schießen vom Brautwagen herunter.

Auf der „Grenzmarke“ des Dorfes, das die neue Heimath der Braut werden sollte, hielt der Zug an. Der Hinterfuhrmann stieg vom Pferde, trat an den Wagen neben die Braut und fragte:

„Jungfer Braut, willst Du lieber rückwärts oder vorwärts?“

„Man vorwärts!“ war deren Antwort, und dabei reichte sie dem Frager ein Taschentuch, in das ein Geldgeschenk von einem halben bis zu zwei Thalern gebunden war. Und der Brautzug ging wieder vorwärts. Sobald derselbe ins Dorf einbog, standen die Gemeindehirten an der Dorfstraße und jedem derselben warf die Braut einen Apfel mit einem hineingesteckten „Viergroschenstück“ zu.

Auf dem Hofe des Hochzeitsgutes hatten Braut und der auf sie wartende Bräutigam zum Schluß der Fahrt noch ein Kunststück auszuführen. Die Braut mußte nämlich, bevor der Wagen still stand, sich über die Leiterbäume hinweg ihrem zukünftigen Herrn und Gebieter in die Arme werfen, wofür er seine Zukünftige regelrecht zu „fangen“ und ins Haus bis hinter den Feuerherd zu tragen hatte. Für die übrigen Fahrgenossen stellte man zum bequemen Herabsteigen eine Leiter hin. Allein diese machten von derselben nicht früher Gebrauch, als bis man ihnen Grog und „Butterkuchen“ nach oben gereicht. Die geleerten Gläser zurückzugeben, wäre recht unschicklich gewesen, nein, die wurden vom Wagen aus „in tausend Stücke kaput geschmissen“. Für das junge Paar stand indessen im Hause eine Suppe fertig, in welche – gesegnete Mahlzeit! – „von Allem, was in der Wirthschaft vorkommt“ (soll heißen: Stückchen von der Pferde-, Kuh- und Schafkrippe) hinein gemischt sein mußte. Wenn die Suppe gut mundet – ich darf jetzt in der Gegenwart reden, da diese Sitte und der damit verknüpfte Aberglaube bis auf den Tag besteht – so gedeiht die künftige Wirthschaft gut; im entgegengesetzten Fall sieht’s damit schlecht aus.

Tanz im Zelte.

Der Brautwagen von heute sieht nüchterner, prosaischer aus. Derselbe fährt bereits am Sonntag vor der Köst. Daß dazu eine Kalesche oder auch eine Kutsche genommen wird, ist schon berichtet. Der Kutscher ist der Bruder des Bräutigams, die Auswerfefrau, die neben diesem sitzt, ist stets eine verheirathete Person aus allernächster Verwandtschaft desselben. Im zweiten Stuhle sitzen die Brautleute, denn heutzutage holt sich der junge Bauer seine Bäuerin selber. Zwischen dem ersten und zweiten Stuhle stehen oder sitzen die Brautjungfern mit den Brautlichtern, wofern diese auf dem Wagen nicht gänzlich fehlen. Vor dem Wagen reiten sämmtliche „jung’ Kerls“ von den eingeladenen Hochzeitsgästen als Vorreiter. Sie alle sind wie der Brautfuhrmann bunt bebändert und haben künstliche Blumensträuße an den Mützen. Selbst die Pferde sind in entsprechender Weise geschmückt. Den Brautzug eröffnen hoch zu Roß spielende Musikanten. In allerjüngster Zeit fahren auch wieder Hochzeitswagen hinier dem Brautwagen her, was dem langen Zuge von Reitern und vielen Wagen ein recht stattliches Ansehen verleiht.

Zwei „nächste Verwandte“ der Brautleute jagen in vollem Galopp vorweg in das Haus des Bräutigams und fragen „Vater und Mutter“, ob sie die Braut als Schwiegertochter aufnehmen wollen. Die bejahende Antwort wird schleunig zurückgebracht, und auf der Grenze erfolgt dann die Brautfrage in hergebrachter Weise, ebenso wird auch jetzt noch beim Brautzuge geschossen, nur nicht mehr vom Wagen hinunter, sondern hinter ihm drein. Unterwegs sperren oft Bursche und Kinder die Straße für den Brautwagen mit Leinen und Ketten oder auch wohl mit Guirlanden ab, und der Bräutigam muß sich mit Geld, Branntwein und Kuchen freien Weg erkaufen. Im Uebrigen verläuft die Einkehr der Braut in ihr neues Heim wie seit Alters her.

An demselben Sonntag vor der „Köst“ fahren jetzt auch die „Kisten- oder Schabb- (Schrank-) Wagen“, deren bis zu drei,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_587.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)