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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

ja vier da zu sein pflegen. Alle nur erdenklichen Möbel, wie sie in eine Bauernwirthschaft passen, sind auf den Wagen zu finden, worunter vor Allem das buntbebänderte Spinnrad mit einem feinen Wocken nicht fehlen darf. Mit besonderem Kunstgriff sind an vielen Orten die Betten in schneeweiße Laken gebunden; es muß nämlich von jedem Bettstücke ein Zipfel vorstehen, „damit man nachzählen kann, wieviel die Braut an Betten hat.“ Auf dem vordersten Kistenwagen sitzen wiederum zwei „Korbmütter" mit ihren Gaben für Jung und Alt.

Die heutige Köst dauert in der Regel nur noch zwei Tage, früher dagegen wurde sie drei, vier, selbst acht Tage gefeiert. Die Einladung dazu erfolgt durch den Schenken vierzehn Tage vorher in formgerechter Weise mit Grüßen von den Brautleuten und denjenigen Alten, welche die Köst „ausrichten“. Am Hochzeitsmorgen kommen die Gäste zum Hochzeitshause gefahren. Sobald ein „Köstenwagen“ in den Hof einfährt, begrüßen ihn die Musikanten mit einem Tusch. Darauf treten Braut und Bräutigam an ihn heran, geben jedem darauf Sitzenden eine „Klapphand“ und „nöthigen“ alle gemeinsam ins Haus. Dort wird den Ankömmlingen Kaffee mit Kuchen und sofort hinterdrein Frühstück verabreicht, bei welch letzterem der „Tiegelbraten“, ein recht wohl schmeckendes Essen aus Kaldaunen, eine bedeutende Rolle spielt. Dabei kreisen Schnapsglas und Bierkrug.

Das Fahren der Schabbwagen.

Um zwei Uhr Nachmittags findet die Trauung statt. Der Zug zur Kirche, oder in Filialdörfern ohne eine solche wohl auch in die Scheune des betreffenden Gehöftes, setzt sich nach einer ganz bestimmten Rangordnung zusammen, bei der die Brautlicht tragenden Brautjungfern vorauf gehen. Unmittelbar darauf folgen die Brautleute. In der Kirche stellen sich die Brautjungfern mit den brennenden Brautlichtern hinter das Brautpaar. Bei dem Trauakte lenkt leider der Aberglaube die beiden zunächst Betheiligten von ihrer Andacht oftmals gänzlich ab. Da bemüht sich zunächst die Braut, zwar so unmerklich wie möglich, aber doch aus allen Kräften, dem Bräutigam auf den Fuß zu treten. Glückt ihr dieses, so ist ihr für die Ehe die Herrschaft im Hause sicher. Doch auch dann ist sie dessen gewiß, wenn sie beim Ringewechsel die Hand oben bekommt. Selbstredend sucht der Bräutigam beides nach Kräften zu verhindern. Ferner müssen Braut und Bräutigam „von Allem, was gesäet wird,“ einige Körner in Stiefeln und Schuhen tragen, weil das die Fruchtbarkeit ihrer Felder erhöht, „denn so kriegt das Korn ja den Segen mit.“ Auch zerknickt die Braut ein im Taschentuch verborgenes Stöckchen in möglichst kurze Enden, „damit ihr Mann sie später nicht schlagen kann.“ Endlich steckt man der Braut ein „Viergroschenstück“ in die Haare, damit sie ihr ganzes Leben hindurch viel Geld hat, und was dergleichen Gebräuche mehr sind.

Inzwischen sind die Speisetafeln zu der nun folgenden Hauptmahlzeit in Stuben und Kammern, auf der „Diele" des sächsischen Wohnhauses, auf den Tennen der Scheune und je nach Bedarf auch noch in Zelten angerichtet. Da dampft die unerläßliche Hühnersuppe und der Gänsebraten neben dem dicken Reis, Gelbsauer, Bohnen und Pflaumen, die besonders zugerichtet sind. Mit Grog und Hochzeitskuchen werden die von der Kirche heimkehrenden jungen Eheleute und Trauzeugen an der Hausthür empfangen, und nun vertheilen sich an einzelne Tische die Hochzeitsgäste, die vorsorglich ihre „Köstenmesser und Gabeln“ mitgebracht haben, in der löblichen Absicht, ihnen wenig Ruhe in der gemeinschaftlichen Scheide zu gönnen. An der Ehrentafel sitzen bei den Brautleuten die allernächsten Familienglieder außer den Vätern und Müttern, die mit „aufzuwarten“ haben, ferner „Priester und Kantor oder Küster“. Selbstverständlich fehlt die Tafelmusik nicht, für welche die Musikanten sofort auf einem Holzteller mit darauf gestecktem, halb zusammen geklapptem Taschenmesser ihre „Gaben“ von den Gästen heischen. Nach den Musikanten „sammeln“ der Koch auf einem fast meterlangen Abschaumlöffel von Messing, der Schenke in einem zerbrochenen Schnapsglase mit Branntwein darin, die Schüsselwäscherin auf einer Scherbe, worauf ein Bündelchen Stroh über Scheuersand liegen muß.

Nach der Hauptmahlzeit setzen sich die Alten wieder um die abgeräumten Tische, um ihren „Schafskopf“ oder ihr „Wendisch“, „Drei-Kart’“, ihr „Solo“ und ihren Skat „abzuklopfen“. Die Jugend tanzt. Und wie!

Da kommen zunächst die „Ehren- oder Brauttänze“ an die Reihe. Dieselben werden sämmtlich nur von zwei Paaren getanzt und zwar weiblicherseits von der Braut und abwechselnd von einer der beiden Braut- oder „Kranzjungfern“. Die Braut und die Kranzjungfer tragen dabei in hochgeschwungener Rechten die angezündeten Brautlichter, die bei jedem einzelnen Tanze „ausgetanzt“ werden müssen, was wegen des Luftzuges nicht allzu lange zu währen pflegt. Der Braut ist die Reihenfolge ihrer Tänzer ganz genau vorgeschrieben: auf den „Hinterführmann“ vom Brautwagen folgt der „Vorderführmann“ und sodann immer so weiter in derselben Abwechselung zwischen beiden Verwandtschaften nach dem Grade derselben in absteigender Linie. Den Beschluß bei den Brauttänzen bilden die Dorfinsassen, welche sämmtlich zur Hochzeit geladen werden, denn

„Nachbar vor der Thür
Geht aller ‚Freundschaft‘ (Verwandtschaft) für."

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_588.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)