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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Schmerzblick und Händeschütteln, und ehe noch der am Horizont schwebende Sonnenball völlig unter war, war das Grab geschlossen und mit Asterkränzen überdeckt.

Eine halbe Stunde später, es dämmerte schon, war Eccelius wieder in seiner Studierstube, das Sammetkäpsel auf dem Kopf, das ihm Frau Hradscheck vor gerade Jahresfrist gestickt hatte. Die Bauern aber saßen in der Weinstube, Hradscheck zwischen ihnen, und faßten alles, was sie an Trost zu spenden hatten, in die Worte zusammen: „Immer Kourage, Hradscheck! Der alte Gott lebt noch“ – welchen Trost- und Weisheitssprüchen sich allerlei Wiederverheirathungsgeschichten beinah unmittelbar anschlossen. Eine davon, die beste, handelte von einem alten Hauptmann v. Rohr, der vier Frauen gehabt und beim Hinscheiden jeder Einzelnen mit einer gewissen trotzigen Entschlossenheit gesagt hatte: „Nimmt Gott, so nehm’ ich wieder.“ Hradscheck hörte dem allem ruhig und kopfnickend zu, war aber doch froh, die Tafelrunde heute früher als sonst aufbrechen zu sehn. Er begleitete Kunicke bis an die Ladenthür und stieg dann, er wußte selbst nicht warum, in die Stube hinauf, in der Ursel gestorben war. Hier nahm er Platz an ihrem Bett und starrte vor sich hin, während allerlei Schatten an Wand und Decke vorüberzogen.

Als er eine Viertelstunde so gesessen, verließ er das Zimmer wieder und sah, im Vorübergehen, daß die nach rechts hin gelegene Giebelstube halb offenstand, dieselbe Stube, drin die Verstorbene nach vollendetem Umbau zu wohnen und zu schlafen so bestimmt verweigert hatte.

„Was machst Du hier, Male?“ fragte Hradscheck.

„Wat ick moak? Ick treck em sien Bett öwer.“

„Wem?“

„Is joa wihr ankoamen. Wedder een mit’n Pelz.“

„So, so,“ sagte Hradscheck und stieg die Treppe langsam hinunter.

„Wedder een … wedder een … Immer noch nicht vergessen.“

(Fortsetzung folgt.)

Die Wirbelstürme oder Cyklonen der tropischen Meere.

Eine Seefahrt ist heutzutage eine ganz gewöhnliche Sache. Wie die Postwagen auf einer Landstraße, so fährt der heutige eiserne Dampfer über den Ocean, ununterbrochen, Tag und Nacht arbeitet die gewaltige Maschine und zwingt den Koloß durch Wogen und Wind seinem Ziele entgegen, so daß am Tage, wo er „fällig“, der „Steamer“ auch regelmäßig in Sicht ist. Fast wörtlich gilt dies für die meist befahrenen Routen zwischen Nordamerika und Europa. Von den „Schrecknissen“ des Meeres, die er sich drinnen im Binnenlande so grauenvoll ausgemalt, merkt der Reisende auf unseren transatlantischen Dampfern eigentlich nichts, und selbst wenn es heißt, daß Sturm aufgekommen ist und das Schiff ungewöhnlich stark stampft und rollt, sieht sich das Ganze doch nicht so gefährlich an, wie man daheim geglaubt hat. Auch die Officiere des Schiffes legen auf solchen Sturm wenig Gewicht und erklären auf Befragen wohl dem neugierigen Reisenden, daß nicht sowohl Sturm als vielmehr Nebel ihnen Sorge mache. Nebel und „unsichtiges“ Wetter verlangen weit mehr Opfer an Menschenleben und Schiffen, als die Stürme, das kann so ziemlich Jeder hören, der einmal von Europa nach Nordamerika oder umgekehrt fährt. Wer jedoch hieraus schließen wollte, daß überhaupt die Stürme des Oceans der modernen Schifffahrt nicht eben sehr gefährlich seien, der würde sich sehr irren. Es giebt nämlich Meerestheile, in welchen Orkane von solch zerstörender Gewalt auftreten, daß daneben unsere nordatlantischen Stürme meist sehr harmlos erscheinen.

Glücklicher Weise sind jedoch diese Meerestheile verhältnißmäßig nicht allzu ausgedehnt, und auch das Auftreten jener Orkane ist ein relativ seltenes. Kämen sie so häufig vor wie etwa die Stürme des nordatlantischen Oceans, so wäre ein geordneter Schiffsverkehr in jenen Meerestheilen überhaupt nicht möglich.

Hauptsächlich sind es drei Regionen auf unserer Erde, wo Orkane mit größter Heftigkeit aufzutreten pflegen, nämlich Westindien, der Indische Ocean und die Chinesische See. In Westindien nennt man diese Stürme Hurricane, im Chinesischen Meere Teifune, im südlichen Theile des Indischen Oceans auch bisweilen Mauritius-Orkane nach der gleichnamigen Insel, die häufig von ihnen heimgesucht wird. Von großer Heftigkeit sind ferner die Drehstürme der Bai von Bengalen, doch erscheinen sie dort glücklicher Weise seltener als in der Chinesischen See. Auch das Arabische Meer wird nur bisweilen von ihnen heimgesucht. Nach einer statistischen Zusammenstellung von Blanford sind in den letzten 139 Jahren im Bengalischen Meerbusen 115 Wirbelorkane aufgetreten; in manchen Jahren fehlen sie vollständig, in anderen treten sie häufig auf. Die meisten ereignen sich dort in den Monaten Mai und Oktober. Nach Kapitän A. Schück entfallen von 214 Orkanen, die während 85 Jahren in der Chinesischen See beobachtet wurden, 40 auf den August und 58 auf den September. Auch in Westindien sind diese beiden Monate die bei Weitem sturmreichsten, während im südindischen Ocean die meisten Stürme in den Monaten Januar und Februar eintreten.

All diese Stürme zeigen die charakteristische Eigenthümlichkeit, daß bei ihnen der Wind von allen Seiten her um ein Centrum weht, in welchem das Barometer am tiefsten steht. Früher glaubte man, die Bewegung des Windes um dieses Sturmcentrum sei kreisförmig, und man bezeichnete deßhalb alle diese Orkane mit dem Namen Cyklonen oder Kreiselstürme. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, daß der Wind in spiralförmigen Bahnen gegen das Sturmcentrum hinweht, und daß dort die herbeiströmende Luft emporsteigt. Je näher man dem Centrum einer Cyklone kommt, um so mehr fällt das Barometer. Unter normalen Verhältnissen beträgt der Luftdruck am Meeresspiegel ungefähr 760 Millimeter, im Centrum der tropischen Orkane sinkt er dagegen bisweilen auf 700 Millimeter. Von einem solchen Sturmcentrum aus steigt nun der Luftdruck nach allen Seiten, in einzelnen Fällen selbst bis zu vier Millimeter pro Meile. Je stärker aber die Luftdruckunterschiede pro Meile sind, um so heftiger weht der Wind, und bei einem Druckunterschiede von vier Millimetern wird er zum Orkane, dem fast nichts zu widerstehen vermag. Die Richtung, in welcher der Wind um das Sturmcentrum läuft, ist auf jeder Erdhalbkugel unveränderlich dieselbe. Man prägt sie sich am besten auf folgende Weise ein. Denkt man sich auf den Punkt, der das Sturmcentrum bezeichnet, eine Uhr gelegt, so läuft der Wind auf der nördlichen Erdhalbkugel um diesen Punkt in einer Richtung, welche der Bewegung des Uhrzeigers entgegengesetzt ist; auf der südlichen Erdhälfte dreht sich dagegen der Wind in der gleichen Richtung wie der Zeiger der Uhr. Das Centrum dieser Sturmbewegung liegt jedoch nicht still, sondern bewegt sich mit dem ganzen Sturmfelde gewöhnlich nach Westen, wobei es sich vom Aequator entfernt und dem nächsten Wendekreise zustrebt. Auf unserer Erdhälfte geht dann der weitere Zug des Sturmes zunächst nach Norden und hierauf nach Nordosten, auf der südlichen nach Süden und später nach Südosten. Zur Verdeutlichung des Gesagten folgen hier zwei nach Müller reproducirte Kärtchen. Fig. 1 stellt die Bahn eines Hurricanes dar, welcher im August 1837 die Bahama-Inseln und einen Theil der südatlantischen Staaten der Union traf. Der große Pfeil bezeichnet den Weg, welchen das Centrum des Sturmes nahm, die kleinen, successive größer werdenden Kreise zeigen durch die Pfeilspitzen an, in welcher Richtung der Wind um das Centrum wehte. Fig. 2 zeigt in ähnlicher Weise die Laufbahn eines Mauritius-Sturmes, der im März 1809 sich ereignete. Man erkennt an dem eingezeichneten Pfeile der drei kleinen Kreise, daß hier die Drehung des Windes um das Centrum umgekehrt ist wie im obigen Falle, weil nämlich der Sturm auf der südlichen Erdhälfte eintrat. In beiden Fällen sieht man aber auch, wie die Kreise des Orkans mit dem Fortschreiten desselben sich allmählich erweitern, also immer ausgedehntere Strecken der Atmosphäre in die wirbelnde Bewegung hineingezogen werden. Gleichzeitig wird indessen auch die Gewalt des Orkans geringer, bis er zuletzt völlig erlischt.

Nachdem wir jetzt flüchtig die allgemeinen Bewegungen der Cyklonen kennen gelernt haben, drängt sich naturgemäß die Frage auf: Woran kann der Seefahrer erkennen, daß ein Wirbelsturm im Herannahen begriffen ist? Ein wichtiges Merkmal haben wir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_632.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)