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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

den Augenblick Ruhe vor ihm. Später – mag er meinetwegen kommen.“

„Wirklich? Also hast Du nichts dagegen, wenn er uns dann folgt?“

„Nein, liebe Tante.“

„Gott sei Dank!“ sagte die Tante aufathmend. „Ich fürchtete schon, Du wolltest mit dieser Flucht in die Berge es ihm unmöglich machen, seine Bewerbung fortzusetzen. Valeska, bedenke, welches Los Du mit der Hand dieses Mannes zurückweisest! Er ist reich und unabhängig, ist Freiherr von altem Adel, Majoratsherr –“

„Und Du möchtest um jeden Preis einen Freiherrn von altem Adel zum Neffen haben,“ warf Valeska lachend ein.

Die alte Dame gerieth etwas in Verlegenheit bei dieser wohlgegründeten Behauptung, faßte sich aber rasch und entgegnete mit großer Würde: „Ich möchte das einzige Kind meines seligen Bruders geliebt und glücklich sehen!“

„Geliebt – vielleicht! Aber glücklich mit einem Manne wie Kuno von Below –?“

„Weßhalb nicht? Er ist ein guter Mensch.“

„Von Muttern“.0 Nach dem Oelgemälde von Robert Warthmüller.
Photographie im Verlage von Fr. Hanfstängl in München.

„Gewiß, aber auch nichts weiter. Harmlos und gutmüthig wie ein Kind und dabei unglaublich hartnäckig in seinen Neigungen, wie alle beschränkten Menschen. Wenn ich ihn zweimal fortschicke, so kommt er zum dritten Male wieder und fängt genau da wieder an, wo er das lezte Mal aufgehört hat. Solche Männer liebt man nicht.“

„Aber man heirathet sie bisweilen.“

„Wenn man um jeden Preis eine sogenannte Partie machen will, allerdings. Ich habe meine eigenen Ansichten in diesem Punkte.“

„Ja, das weiß der Himmel!“ seufzte die alte Dame. „Thörichte überspannte Ansichten, die niemals der Wirklichkeit Rechnung tragen. Weil Du eine gefeierte Künstlerin bist und das Publikum Dich auf Händen trägt, bildest Du Dir ein, es müsse im Leben zugehen, wie in Deinen Rollen. Du träumst von irgend einer idealen, romantischen Liebe, und weil der arme Below diesem Jdeal nicht entspricht, wird er verächtlich bei Seite geschoben, und doch ist er von allen, die Dich umschwärmen und Dir huldigen, der Einzige, der Dir mit einem wirklich ernsten Antrage naht.“

„Ich bedaure trotzdem, die Ehre dieses Antrages ablehnen zu müssen. Gieb Dir keine Mühe, Tante! Ich weiß es, Du bist im Komplott mit Below, er hat an Dir eine unermüdliche Bundesgenossin, aber es ist umsonst, ich bleibe bei meinem Nein.“

Die Erklärung klang entschieden genug, aber die alte Dame ließ trotzdem ihren Lieblingsplan nicht fahren. Sie hatte es sich nun einmal in den Kopf gesezt, die Tante des besagten Majoratsherrn zu werden, und da weder das Majorat noch der alte Adel sonderlichen Eindruck auf die eigensinnige Nichte machten, so wurde der Angriff von einer anderen Seite versucht.

„Mein liebes Kind, ich habe ja doch nur Dein Glück, Deine Zukunft im Auge. Ich weiß es ja, wie wenig Du mit Deinem reizbaren Stolze, mit Deinen idealen Anschauungen für dies Leben geschaffen bist, das Vielen so beneidenswerth erscheint und unter seinen Blumen doch so viele Dornen birgt. Ich fürchte, Du hast das längst selbst eingesehen und stehst doch erst im Anfange Deiner Künstlerlaufbahn. Du besitzest nichts als Dein Talent und daß auch dies nicht im Stande ist, Dich vor Kränkungen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 673. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_673.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2022)