Seite:Die Gartenlaube (1885) 683.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

kann man sein’ Brudern dengerst nimmer haben, als ich den Ferdl hab’. Is schon wahr – ganz warm geht’s mir allweil von einander in mir drin, wann er da is. Ja – und haben könnt’ er von mir, was er g’rad möcht’. Weißt – und drum hab’ ich auch schon öfters dran ’denkt – bei uns herin wird’s ja auch von Jahr zu Jahr besser mit die Sommerleut’ – no – und da ließet ich ihm a saubers Häusl hinsetzen, hart an d’ Straßen, und da könnt’ er sich nachher einrichten auf’n Glanz und könnt’ a Werkstatt aufmachen und an Laden. Meinst net?“

„Da hast Recht! Da hast Recht! Bist halt a Teufelskerl, Finkenbauer – ich sag’s allweil! Und schau – was Schöners kann’s ja nie net geben in der Welt, als wie wenn Geschwisterleut’ so zu einander halten. Unser Herrgott hätt’ aber auch ’s Kleeblatt net schöner z’sammtragen können, als wie Dich, Dein’ Ferdl und die Hanni dazu. Aber sag’, was is denn mit Deiner Schwester, wie gcht’s ihr denn? Ich mein’, sie müßt’ bei unserer Frau Gräfin drin in der Stadt a schöns Bleiben haben. Und hinpassen thut s’ auch an so an Platz, Dein’ Hanni – weißt – sie is ja selber so fein und so gar net bäurisch – ja – könnt’ schier gar selber a Herrische sein. Ich hab’ mir s’ diemal gar net anz’reden traut, wenn s’ mir so begegnet is in ihrem stadtischen G’wandl und mit ihrem Muttergottesg’sichtl. Wie geht’s ihr denn, han?“

Der Bauer schwieg; sein Gesicht hatte den Ausdruck sorgender Betrübniß angenommen; mit ernsten Augen blickte er nieder und nickte dazu mit dem Kopfe langsam vor sich hin.

Der Jäger schien diese Veränderung nicht zu gewahren und auch auf seine Frage keine Antwort zu erwarten. Seit geraumer Zeit schon war er nur mit getheilter Aufmerksamkeit bei der Sache gewesen. Immer wieder waren seine Blicke hinüber gewandert zu der nahen Scheune, und immer war dabei ein so seltsam unruhiges Zucken über seine Lider und Wangen gehuscht. Während nun der Bauer schwieg, hob er lauschend den Kopf, als bemühe er sich, die Worte des munteren Gesanges zu verstehen, der aus dem Innern der Scheune tönte.

„Is jetzt das net die Emmerenz?“ frug er plötzlich. „Die singt ja heut’ drauf los, als ob s’ ’zahlt werden thät’ dafür!“

Seufzend blickte der Finkenbauer auf; sein herbgeschlossener Mund verzog sich zu einem leisen Lächeln, und während er eine dicke Rauchwolke vor sich hinpaffte, sah er mit zwickernden Augen auf den Jäger und sagte: „Hätt’ leicht g’meint, daß Du der Enzi ihr Stimm’ soweit schon kennst, daß D’ nimmer drum fragen mußt!“

„Hast g’meint?“ frug der Jäger ganz verwunderten Tones, indem er an seinem Rucksackriemen zu nesteln begann. „No weißt, von die paarmal her, wo ich d’ Emmerenz im letzten Sommer g’sehen hab’, droben auf der Alm, da kannst a Stimm’ gar leicht vergessen. Der Winter is gar lang.“

„Ja, ja,“ nickte der Finkenbauer, dessen Lächeln sich verstärkte. „Aber gelt, sauber kann s’ singen, mein’ Oberdirn’?“

„Ja – das muß man ihr zub’stehn, das kann s’!“ sagte der Jäger, während er zur Höhe blickte, als wäre vom Wetter die Rede. „Aber – ich mein’, Du wirst auch sonst kein’ Grund zum Klagen haben. Wenigstens hab’ ich d’ Emmerenz noch nie net anders g’sehn als mit rührige Händ’, allweil fleißig und allweil lustig bei ’r Arbeit.“

„Ja, was hast denn?“ lachte jetzt der Finkenbauer laut auf. „Lobst ja das Deandel über’n Schellenkönig!“

„Gar net, gar net,“ plauderte der Jäger mit dem möglichsten Anscheine von Gleichgültigkeit vor sich hin.

„Geh, geh weiter, thu’ net gar a so!“ schmunzelte der Bauer. „Es is ja doch kein’ Schand’ net, wenn Du ’s einb’stehst, daß D’ seit dem letzten Frühjahr schon der Enzi z’ G’fallen gehst.“

„Ich?“ fuhr der Jäger auf und machte zwei Augen, groß und rund wie Thalerstücke. Dann verzog er die Nase und schüttelte den Kopf: „Na – na – das Deandl wär’ mir für mein Gusto schon alles z’ viel g’schnappig.“

„No – da schau – und ich hätt’ g’meint, da passet s’ g’rad zu Dir. Wenigstens wärst Du der Rechte, der ihr ’nausgeben könnt’ mit gleicher Münz’.“

„Meinst? Meinst? Meinst?“ lachte jetzt der Jäger, daß ihm die Schultern wackelten und die Thränen in die Augen sprangen.

Und dazu klang aus dem Innern der offenen Scheune die frische muntere Stimme der Emmerenz:

„Gasseöngehn is mein Freud’,
Gasselngehn hab’ ich gern,
Wann schön der Mon’schein scheint
Und blitzen d’ Stern’!

Wann ich z’ Nacht munter wer(d)
Und Buaben singen hör’,
Möcht’ ich halt aussi glei’,
Wär’ gern dabei!

Wann ich kein Schneid net hätt’
Hätt’ ich beim Tag mein G’frett,
Hätt’ ich bei’r . . .“

Da plötzlich brach die Stimme mitten im Gesange ab, ein halb erstickter Aufschrei wurde hörbar, ein Gepolter, dann ein klatschender Schlag – und gleichzeitig ließ sich die zornige Stimme des Mädchens vernehmen: „Da hast a Bußl, Du Haderlump, Du heimtückischer!“

Mit gerunzelter Stirn blickte der Finkenbauer nach der Scheune, aus deren Thor ein Knecht getreten war, der außer dem unsauberen, an den Ellbogen zerrissenen Hemde nur eine verblichene, vielfach geflickte Soldatenhose am Leibe trug. Die lautlosen Tritte der nackten Füße verliehen seinem Wesen etwas Schleichendes. Auch ging er leicht gebückt und hielt dabei den Kopf mit den borstig abstehenden, semmelfarbigen Haaren zwischen die Schultern gezogen. Das Gesicht mit dem starken Schnurrbarte, dessen spiralenförmig gedrehte Spitzen bis auf die Brust niederhingen, hätte man hübsch nennen können, wenn ihm nicht der kleine, schiefe Schnitt der Augen einen Ausdruck von lauernder Verschlagenheit gegeben hätte. Dazu war jetzt die eine Hälfte dieses Gesichtes unnatürlich geröthet – und der Bursche schien alle Eile zu haben, diesen rothen Backen in der Stallthür verschwinden zu lassen.

„He! Was hat’s denn da ’geben?“ rief ihm der Finkenbauer zu.

„Was wird’s ’geben haben? Nix!“ brummte der Knecht.

Schon wollte der Bauer erwidern, als ein scharfklingendes Kichern ihn veranlaßte, nach dem Jäger umzublicken – und was er nun in den grauen Augen desselben funkeln sah, das war die Schadenfreude eines glühenden Hasses. Herb und schneidend klang auch das Lachen, mit welchem der Jäger jetzt dem Knechte zurief: „Ja, was is denn, Valtl? Mir scheint ja gar, Du hast den Sonnenschein ’kriegt, am Abend und unter’m Dach?“

Der Bursche erwiderte keine Silbe; einen stechenden Blick nur schoß er nach dem Jäger und verschwand dann in der schmalen Thür des Pferdestalles. Durch eine Spalte des Scheunenthores klang aber nun die streithafte Stimme der Emmerenz: „Gelt, Jaager, geh fein Du auch in’ Schatten. Weißt – d’ Sonn’ macht dürr – und schaust ja so wie so schon aus wie a Zwetschgen am Nicklstag!“

„Hörst es, die hat Dich g’schwinder derkennt!“ lachte der Finkenbaucr, und lachend stimmte der Jäger ein; aber das war nun wieder ein offenes, munteres Lachen, und hell und lustig klangen seine Worte, als er nach der Scheune zu rief:

„Geh, laß Dich doch wenigstens a bißl anschaun. Mußt ja heut’ sakrisch sauber sein, weil schon im Reden so süß bist, als wärst a halbes Jahr lang mit die Immen g’flogen.“

„Da kannst Recht haben!“ klang es aus der Scheune entgegen. „Aber weißt – wenn ich auch vom Honigmachen nix g’lernt hab’, könnt ich bei die Immen ’leicht was profitirt haben vom Stechen.“ Und kichernd schlugen die Worte des Mädchens über in Gesang:

„Der Immstock steht hinterm Haus,
D’ Imm’ fliegen ein und aus,
Büberl, gelt, rühr’ net dran,
Weil der Imm ’s Stechen kann!“

Ueberleitend in einen Jodler entfernte sich die Stimme gegen die Tiefe der Scheune.

Der Jäger aber sang lächelnden Mundes entgegen, freilich mit einer so sehr gedämpften Stimme, daß seine Worte nur dem Ohre des Bauern noch verständlich waren:

„Daß der Imm stechen kann,
Das schreckt mich weni’,
Wann der Imm g’stochcn hat,
Laßt er sein’ Höni’.“

Da schüttelte sich der Finkenbauer vor Lachen. „So! Sauber! So is recht – schön hin und schön her! A kleine Hacklerei, das hab’ ich allweil gern – das macht ei’m lachet, und ’s Lachen halt’ d’ Leber g’sund. Aber weißt ’was, Jaager? Ich mein’

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_683.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2022)