Seite:Die Gartenlaube (1885) 687.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Deßhalb besaß wohl Kloster Eberbach (noch heute bekanntlich der berühmte Kabinets-Keller) ein großes Faß, nicht aber das ebenso weinberühmte Johannisberg, weil letzteres keine Berechtigung zur Zehent-Erhebung hatte. Das Eberbacher Faß, welches 400 Ohm Wein zu fassen vermochte, hat seine besondere Geschichte. Es ist dahin, ein Opfer des – Bauernkrieges. Als die rheingauischen Bauern während jenes Krieges in Wehr und Waffen auf dem sogenannten „Wachholder“ vor Eberbach lagerten, da tranken sie nach der Chronik vom 2. bis 25. Mai des Jahres 1525, also in drei Wochen nicht nur jenes große Faß, sondern außerdem nicht weniger als 80 Stück guten Rheinweines aus. Das Faß wurde bei dieser Gelegenheit leider zerstört.

Johann Kasimir, Pfalzgraf und Administrator der Pfalz, ließ 1591 in Heidelberg ein Faß, das 132 Fuder bergen konnte, und Kurfürst Karl Ludwig 1664 sogar ein solches für 204 Fuder Inhalt erbauen, da das erstere, weil es lange „trocken“ gestanden, während des Dreißigjährigen Krieges verfault war. Die Schilderung des letzteren Fasses giebt die Chronik in folgenden Worten: „Man steiget auf einer Treppe von fünfzig Staffeln hinauf. Oben trift man einen zwanzig Schuh langen Altan mit einem Gelänter an, worauf sechs Personen ganz gemächlich tanzen können. Es ist dieses Faß ausserdem mit allerley Bildhauer-Arbeit gezieret. Vornen steht das Churfürstliche Wappen, oben darauf sitzet der Abgott Bacchus von ziemlicher Größe, einen großen Kelch in der Hand haltend und mit verschiedenen Satyren wie auch anderen Bildern von versoffenen Leuten umgeben. Es ist anbey so hoch, daß ein Mann mit einem Spieß aufrecht darin stehen kann. Vierundzwanzig eiserne Reiffen halten es zusammen, und es fasset zwey hundert und vier Fuder, drei Ohmen und vier Viertel Wein in sich.“

Bei der Zerstörung der Stadt und des Schlosses Heidelberg durch die Franzosen wurde das Faß unbrauchbar gemacht – es hatte nahezu vierzig Jahre leer gelegen – aber Kurfürst Karl Philipp wollte sich seines Hauses Stolz erhalten, er ließ es 1716 erneuern und im Jahre 1728 mit oberrheinischem Landwein füllen. Ein neues Wappen, eine doppelte Treppe, verschiedene Bilder und neue Verse zierten den renovirten Bau, so der eine:

„Klopff nur nicht mich,
Sonst klopff ich Dich,
Klopff hier nicht an,
Sonst musst Du dran.“

Dieser Vers bezieht sich auf die am ganzen Rhein verpönte Unart, in den Kellern an Fässer zu klopfen. Es gilt noch heute nicht für wohlanständig, bei einem Besuche im Keller die Fässer durch Klopfen zu prüfen, ob sie voll oder leer sind. Den echten Rheingauer erfaßt bei einer solchen „unrheinischen That“ ein gelinder Schauer.

Das große Faß in Heidelberg.
Nach einer Photographie im Verlage von Edmund von König in Heidelberg.

Im Jahre 1751 aber erbaute im Auftrage des Kurfürsten Karl Theodor der Küfermeister Joh. Jakob Engler das dritte, das jetzige Faß, welches 80 000 Gulden gekostet haben soll. Es ist größer als die beiden früheren, die nicht so dauerhaft gewesen sein dürften, und faßt 236 Fuder Wein zu 1000 Trinkflaschen, also 236 000 Flaschen. Es mißt in der Länge 9 Meter, im Durchmesser 6,90 Meter, und seine einzelnen Dauben sind 26 Centimeter dick. Vom Boden des Kellers gerechnet, erreicht es eine Höhe von 8 Meter. Neben einem Theil des Handwerkszeuges, mit dem es gebaut worden sein soll, hält der Zwerg Perkeo, der Hofnarr Karl Philipp’s, jener Held im Weinberge des Herrn, der täglich seine fünfzehn Flaschen auf sich nehmen konnte, die jetzt recht trockene Wacht. Doch – so interessant das „Heidelberger Faß“ auch ist – es ist seit vielen, vielen Jahren (1764) leer.

„Als edler Bildungsdurst die Welt
Erfüllt mit edlem Streben,
Rief mich ein Kurfürst und ein Held
Als Burgfaß hier ins Leben.
Noch steh ich fest, wo Alles fiel,
Des Pfälzer Geists ein Funken;
Groß in Gedanken, flott im Stil
Und gänzlich – leer getrunken.
O wär’ ich voll heut, Mann und Glas
Füllt’ ich mit Rheinweinmassen;
Doch weh und ach! – dem Hauptwort ‚Faß‘
Fehlt längst sein Zeitwort ‚fassen‘.“

 V. v. Scheffel.

Auch die Rathsherren der Hansestädte wollten, der Sitte der Zeit entsprechend, ihre großen Fässer haben – sie haben es indessen zu solchen Ungeheuern wie die rheinischen Klöster und Fürstenkeller nicht gebracht. Selbst Mephisto dürfte sich eines kleineren „Gebindes“ zu seinem vielberühmten Ritte aus Auerbach’s Keller bedient haben. – Uebrigens hatte auch die Festung Königstein in Sachsen ein großes Faß, welches im Jahre 1680 angefertigt und 1725 erneuert wurde. Dasselbe hatte nach dem Maß jener Zeiten „16 Ehlen weniger 6 Zoll, oder 31½ Werkschuh in der Länge, und 11 Ehlen weniger 4 Zoll in der Höhe“. (Es war 34 Fuß lang, 24 Fuß hoch.) 37 Staffeln führten hinauf zu einer mit eisernem Gitter umgebenen Gallerie. Vorn befand sich das kurfürstliche Wappen in Holzschnitzerei mit „französischer Ueberschrift umgeben“. Bacchusfiguren fehlten auch hier nicht, ja das Faß war zum Theil vergoldet. 131 eiserne Reifen hielten den Bau zusammen, „276 Fuder, 7½ Eimer und 3 Maß“ soll es gehalten haben, das Fuder zu zwei Eimern gerechnet. Es war somit größer als das Heidelberger Faß, es „faßte“ 600 Eimer mehr und diente wohl gefüllt in Kriegszeiten dazu, die Festung Königstein mit Wein zu versorgen. Das Faß wurde faul und baufällig und zerfiel nach und nach. Herzog Ulrich von Württemberg ließ gleichfalls 1546 für seinen Schloßkeller in Tübingen ein Riesenfaß bauen, wie sich denn auch deren noch mehrere in den württembergischen Schloßkellern finden. So ein solches in dem Schloßkeller zu Ludwigsburg, welches sogar älter und größer als das Heidelberger Faß ist. Es wurde auf Befehl Herzogs Eberhard III. 1719 bis 1720 durch den Hofküfer J. W. Ackermann erbaut und vom Hofbildhauer A. C. Seefried mit weit reicherer Schnitzerei als das Heidelberger geziert. Das Faß hat Raum für 300 württembergische Eimer (etwa 110 220 Rheinweinflaschen), enthielt vormals ebenfalls Zehentwein und ward noch 1847 mit Most gefüllt. 20 Eichenstämme, 5 Stämme Hagenbuchen und ein Birnstamm wurden zum Bau verwendet. Leider ist das Faß schwer zugänglich und lagert in einem für seine Höhe zu niedrigen Raume.

Rheinischer Scherz läßt wohl die Frage stellen, wie diese Fässer denn eigentlich bei den engen Thüren in die Keller gekommen sind, und die Antwort ist stets: erst sei das Faß, dann der Keller gebaut worden. In Wahrheit aber wurden diese

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_687.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2018)