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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Auch zieht man nicht Bogreben, sondern man bedient sich des sogenannten Bockschnitts, wie solcher schon laut Zeugniß der „Anthologia Graeca“ bei den alten Hellenen im Gebrauche war und es bei den heutigen Griechen noch ist. Man rasirt jedes Jahr den Stock ab bis auf den Stamm oder Strunk, welcher dadurch immer stärker und kräftiger wird und einen mächtigen, gewundenen schwarzen Knorz (truncus) bildet. Man überläßt es ihm, alljährlich neue Schößlinge, Bogen und Reben zu treiben, wovon er reichlichen Gebrauch macht. Am Rande des Weinberges stehen zierliche Pfirsichbäume, deren Früchte sehr gut zu dem Wein schmecken. Der Weinberg des deutschen Bauern in Harságy hat einen Vorzug vor unseren. An seinem oberen Ende steht ein Häuschen. Es bildet zugleich den Eingang zu dem in den Lehmboden gegrabenen Keller, worin der Wein lagert. Außer dem Kellerhals befindet sich in dem Hause ein größerer Raum für die zur Weinbereitung erforderlichen Gegenstände und dahinter ein trauliches Stübchen zum Trinken. Mit dem letzteren sollten wir unsere Bekanntschaft machen. Während wir an den Weinbergen und den Weinhäuschen entlang fuhren, lud uns der Besitzer eines der letzteren, einer der wohlhabendsten Bauerngutsbesitzer von Nágy-Harságy, der Alt-Richter Michael Meyer, oder wie man hier sagt: Herr „Meyer Michel“ ein, abzusteigen. Wir folgten seiner gütigen Einladung und kehrten, nachdem wir den wohlgepflegten und mit rothen Kadarka-Trauben bepflanzten Weinberg mit gebührender sachkundiger Sorgfalt inspicirt hatten, in dem Hinterstübchen des Weinbergshäuschens ein, wo wir eine Anzahl kluger alter Zecher vereinigt fanden. Es waren der Gemeindenotar von Nágy-Harságy und mehrere dortige Bauerngutsbesizer, welche in vergnüglicher Tafelrunde ihren Sonntag Abend zubrachten bei Wurst, Schinken und heurigem (das ist 1884er) Rothwein. Herr Meyer stieg fleißig in den Keller und füllte den Heber. Dieser Heber war nicht ein gläsernes Instrument wie bei uns, sondern die Frucht eines kurbisartigen Schlinggewächses. Diese Frucht hängt an einem langen und hohlen Stiel, der in einem Kolben endet, abwärts. Wenn man sie von ihrem Inhalt reinigt und aushöhlt und trocknet, dann aber am Ende des Kolbens ein kleines Loch macht, gegenüber dem großen Loch an dem anderen Ende der Röhre, dann hat man einen vortrefflichen „Hebér“, wie der Ungar das deutsche Wort ausspricht. Auch Flaschen oder Kalebassen, ähnlich der korsischen „Zucca“, macht man aus dieser Frucht. Man nennt diese kleinen Weinbehälter „Kabák“.

Wir hielten einen frischen und kühlen, fröhlichen Trunk mit den deutschen Landsleuten, in dem so nahe an der südlichen Drau gelegenen Komitat von Samogy, und wenn wir mit unseren mit rothem Kadarka-Wein von 1884 gefüllten Gläsern anstießen, dann brachten wir dem „Magyar-Ország“ ein Eljen; aber neben der Patria hungarica gedachten wir auch der Germania Mater und brachten ihr ein gebührendes Vivat, und wir gedachten endlich auch des edlen Grafen Andrassy, der im Jahre 1870 Oesterreich-Ungarn zurückhielt, als es der Graf Beust zum Verbündeten Napoleon’s machen wollte im Kriege wider Deutschland.


Verdächtig.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Der Fremde preßte die Lippen zusammen, sein Gesicht hatte sich auffallend verfinstert, seine Hand ballte sich und die Augen blitzten so zornig auf, als habe er Lust, den enthusiastischen Verehrer der schönen Schauspielerin den Abhang hinunterzuwerfen, den sie gerade passirten, aber ein Blick auf das harmlos gutmüthige Gesicht des Sprechenden brachte ihn zur Besinnung. Er zuckte nur die Achseln und ging dann weiter vorwärts, ohne eine Antwort zu geben.

Herr von Below bemerkte das nicht, er war sehr mittheilungsbedürftig und es störte ihn durchaus nicht, daß der Zuhörer, den er in seine Herzensangelegenheiten einweihte, ein ganz Fremder war. Er schwatzte vergnüglich weiter.

„Sie wundern sich darüber, nicht wahr? Ja, ich muß es auch von meiner ganzen Verwandtschaft hören, daß es eine Mißheirath ist, wenn ein Freiherr von Below sich mit einer jungen bürgerlichen Schauspielerin vermählt, aber ich mache mir gar nichts daraus. Valeska Blum ist von tadellosem Rufe, aus guter Familie – ihr Vater war Professor am Gymnasium der Residenz – und sie lebt mit einer alten Verwandten in einer Weise, daß selbst die schlimmste Klatschsucht ihr nichts vorwerfen kann – ich heirathe sie unter allen Umständen.“

„Aber ich denke, die Dame will Sie nicht,“ warf der Reisegefährte ein, der seine augenblickliche Erregung überwunden hatte und die Sache jetzt von der komischen Seite zu nehmen schien.

„Ja, sie hat mich allerdings schon zweimal abgewiesen, und ich glaube, sie ist nur deßhalb so Hals über Kopf nach Seefeld gereist, weil sie fürchtet, ich käme zum dritten Male – aber ich komme doch! Die Tante, das alte Fräulein Blum, hat mir die Spur verrathen, und da bin ich ihnen schleunigst nachgefahren.“

„Das ist in der That eine bewundernswerthe Konsequenz!“

Der Majoratsherr merkte nicht die Ironie in diesen Worten, er nahm die Bemerkung wörtlich und fühlte sich geschmeichelt dadurch.

„Ja, konsequent bin ich, das ist wahr,“ entgegnete er mit Selbstgefühl. „Das ist eine meiner Haupteigenschaften, und deßhalb kümmere ich mich auch nicht um die Proteste all der Vettern und Basen, obgleich sie mir mit der allerhöchsten Ungnade drohen. Man wird bei Hofe allerdings eine derartige Heirath ungern sehen.“

„Gewiß,“ sagte der junge Fremde mit einem eigenthümlich bitteren, fast schneidenden Tone. „Unser Hof stellt in solchen Fällen die Ahnentafel als unverbrüchliches Gesetz auf, aber das Herz ist ein Revolutionär, es wirft bisweilen Ahnen und Traditionen und Hausgesetze über den Haufen und erkämpft sich triumphirend sein Recht.“

„Ganz meine Meinung!“ stimmte Herr von Below bei. „Sie haben das sehr schön ausgedrückt. Sie gefallen mir überhaupt. Wer sind Sie denn eigentlich? Vermuthlich ein Maler.“

„Ich – nein! Weßhalb?“

„Weil Sie so auf die Waldromantik versessen sind. Ich finde sie sehr unbequem, das heißt in der Wirklichkeit, auf den Bildern habe ich nichts dagegen einzuwenden.“

„Sie sind im Irrthum,“ sagte der Fremde mit einem flüchtigen Lächeln. „Ich bin kein Künstler, ich stand bisher in der Armee und gedenke, mich jetzt der Landwirthschaft zu widmen.“

Der Majoratsherr wurde aufmerksam. Landwirthschaft! Das war sein Fach, das interessirte ihn, und er sah sich seinen Begleiter darauf hin genauer an. Der junge Mann sah ganz anständig aus, er hatte sogar etwas Vornehmes, allerdings wanderte er zu Fuß, war also jedenfalls ein armer Schlucker, dem seine Reisekasse nicht erlaubte, einen Wagen zu benutzen, aber das störte nicht das Wohlwollen, das Kuno von Below für ihn empfand, ihm gefiel die männlich ernste Erscheinung, und dann hatte sich der Fremde so freundlich seiner angenommen und sich erboten, ihn auf den rechten Weg zu bringen, ohne zu wissen, daß er die Ehre hatte, den Majoratsherrn von Waltersberg zu führen.

„Also Landwirth!“ wiederholte er. „Und Sie haben vermuthlich noch keine Stellung, da Sie eben erst vom Militär entlassen sind. Haben Sie denn auch etwas Ordentliches gelernt?“

„Nun, ich hoffe es wenigstens.“

„Dann will ich Ihnen einen Vorschlag machen – kommen Sie zu mir nach Waltersberg. Im Herbst wird dort der Posten des zweiten Inspektors frei, eine sehr gute Stellung. Dreihundert Gulden Gehalt, freie Station und eine Gratifikation zu Weihnachten. Was meinen Sie dazu?“

Ueber die Lippen des Fremden ging wieder ein verdächtiges Zucken, als kämpfe er mit einem unwiderstehlichen Lachreiz.

„Sie sind sehr gütig, Herr von Below, ich fürchte nur –“

„Nun, was Ihnen noch fehlt, können Sie ja lernen!“ unterbrach ihn Below, der sich veranlaßt fühlte, der Bescheidenheit des jungen Mannes zu Hilfe zu kommen. „Mein erster Inspektor ist sehr tüchtig und wird Sie schon in die Schule nehmen. Etwas derb ist er allerdings, die feinen wildledernen Handschuhe, die Sie da

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 692. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_692.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2024)