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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Gidi nickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann plötzlich richtete er sich auf und henkte die Daumen in die Hosenträger ein. „Du heut’ is fein g’rad a Jahr’, daß wir zeei uns zum ersten Mal g’sehen haben.“

„Was D’sagst! Na – hast Du aber a G’mirk!“ fuhr Enzi mit gezwungenem Lachen auf.

„Ja, g’rad a Jahr!“ plauderte Gidi ruhig weiter, während ein leises Lächeln um seine bärtigen Lippen zuckte. „Und – Du – selb’gs Mal hab’ ich Dir fein g’schaut, wie ich so ’rein bin in Dein’ Hütten und hab’ Dich so dastehen sehen – ja – – gleich hast mir g’fallen!“

Hastig wandte Enzi das dunkel geröthete Gesicht dem Jäger zu. Ihre Augen schossen Blicke wie brennende Pfeile, und in ihrer Rechten schwang sie gleich einem Schwerte den eisernen Schmarrenlöffel. „Du – föppeln laß ich mich fein net!“

„Föppeln? Ah na! Ich will ja nix als wie verzählen –“

„Ich hab’ kein’ b’sondere Freud’ an G’schichten,“ brummte die Dirne und machte sich wieder mit ihrer Pfanne zu schaffen. „Aber no – wenn meinst, es müßt’ sein – meinetwegen – aber gelt, mach’s net wie’s Testament, das anfangt mit der Erschaffung der Welt!“

„No, wär’ net amal so z’wider, so an Anfang – denn g’rad wie der Adam hab’ ich selbigs Mal g’meint, der Herrgott hätt’ mir mein’ Eva g’schickt. Ja – so viel hast mir g’fallen! Und da bin ich halt nachher dag’wesen Tag für Tag. Und gar net z’wider is Dir’s g’wesen! Gern hast mit mir ’plauscht – und wann ich ’runterg’stiegen bin übers G’wänd und hab’ mich ang’meldt mit ei’m Juhschrei, da hast mir zug’jodelt – ja g’rad sakrisch!“

„Ah geh’!“ klang es mit spitzigem Kichern über Enzi’s Lippen.

„Ja, g’rad sakrisch! Und natürlich, wie’s halt so weiter ’gangen is, da hab’ ich mir ’denkt. da brauch’ ich ja gar net z’reden, das gibt sich ja ganz schon von selber, denn das hab’ ich bald g’merkt, wie gut als D’mir worden bist mit der Zeit – ja, arg gut!“

Enzi stieß das Holzscheit, das sie von der Erde gehoben, in die Kohlen, daß eine knisternde Funkengarbe hoch aufsprühte über die Pfanne, und unter hellem Gelächter stammelte sie: „Jetzt, das is mir ’was Neu’s – ah, ah, ah!“

„Was? Das hast Du gar net g’wußt?“ frug Gidi mit gemächlichen Worten, während er die Dirne mit einem zwinkerndem Vlicke streifte. „No – nachher sag’ ich Dir’s halt jetzt – ja, und – wer weiß, vielleicht könnten wir schon lang mit anander hausen, wenn –“

„Wenn ich mögen hätt’ – wenn ich mögen hätt’!“ unterbrach die Dirne mit zorniger Stimme die ruhigen Worte des Jägers. „Denn das wirst mir doch zugeben, daß ich bei so ’was g’fragt hätt’ werden müssen auch!“

„Schau, Enzi,“ sprach Gidi nach einer Weile mit ernst bewegten Worten weiter, „ich hab’ a gut’s Auskommen, das für zwei reichet – und für mehr auch noch! Aber natürlich – prassen kann man net dabei, ’s Hausen und Sparen muß man ordentlich verstehen – und – wenn man z’frieden sein will, muß halt auch die richtige Lieb’ dabei sein, wo aushalt’ für Leben und Sterben. Hab’ allweil g’meint, es wachst sich so ’was noch aus bei Dir – aber – der letzte Sonntag hat mir d’ Augen aufg’macht. Das is nix, Enzi, das bißl Gernhaben, das ’leicht hinter Dei’m Trotzen noch stecken mag! Das is z’ wenig für achthundert Mark im Jahr, wo d’ Lieb’ an jeden Pfennig strecken muß. Und mehrer is net da bei Dir, das hab’ ich g’merkt am letzten Sonntag – denn – weißt – die Spöttlerei den ganzen Winter über, die hätt’ nix bedeut’t – aber – aber daß D’ mich. am letzten Sonntag vor alle Leut’ beleidigen hast können bis in d’ Seel’ ’nein, daß D’ sagen hast können: an mir mußt Schand’ und Spott derleben und daß Du’s g’rad vor demselbigen hast sagen können, der mir der Z’widerste is im ganzen Thal, schau, Enzi, da draus hab’ ich dersehen müssen, daß ich Dir so viel net werth bin, als ich Dir werth sein müßt’, wenn – wenn wir z’samm’ stehn sollten fürs Leben – und – und daß nix G’rechts mit uns zwei nimmer werden kann. No – arg g’nug is mir’s, das kannst glauben, aber ich werd’s schon verdrucken in mir drin mit der Zeit, und – – Dir liegt ja nix dran! Oder is ’leicht net a so?“

„Was fragst denn noch –“ stieß Enzi, ohne sich zu rühren, zwischen den geschlossenen Zähnen hervor, „was fragst denn noch, wenn Du’s eh so g’wiß schon weißt?“

„Ja, ja!“ nickte Gidi zögernden Wortes vor sich hin. „Und – was ich noch hab’ sagen wollen – schlecht mußt net denken von mir wegen dem, was am Sonntag darnach noch g’schehen is. Ich bin Keiner, der Streit und Händel sucht – aber – wenn man so gach im Augenblick sein’ ganze hoffende Freud’ verliert, da muß ja der Mensch wild werden. Natürlich – was hätt’ ich mit Dir denn machen sollen? Bist ja a Deandl! So hab’ ich halt den andern packt – aweil auf Abzahlung, bis ich mit ihm ans letzte Rechnen komm’ – er lauft mir schon amal wo überzwerch, wo er net hing’hört. Jetzt hat er mich derweil verklagt beim G’richt – wegen Körperverletzung. Aber so g’scheit bin ich dengerst in der ganzen Wuth noch g’wesen, daß ich kein Tröpfl Blut verschuldt hab’ an ihm – da wird’s halt nachher ‚grober Unfug‘ heißen, hat der Didididi g’sagt – und da werden s’mich halt einsperren a paar a drei Tag’ oder strafen um a dreißig a vierzig Mark. No – das sind halt nachher die Kurkosten für die einbilderische Krankheit, von der mich am letzten Sonntag kurirt hast. Und wenn ich’s g’nau anschau’, bin ich eigentlich noch ganz billig – –“ Gidi unterbrach sich, während er die Nase schnuppernd in die Höhe hob. „Enzi – gieb acht – Dein’ Schmarren brennt an!“

Die Dirne fuhr auf, als hätte dieses Wort sie aus tiefen Gedanken geweckt, verstanden mußte sie es aber doch wohl haben, das war der Antwort zu entnehmen, die sie dem Jäger gab: „Du mußt ihn ja net essen – es ist ja mein Schmarren, der anbrennt!“ Dennoch griff sie mit hastiger Hand nach dem Pfannenstiele, schüttelte und rüttelte daran und begann mit dem eisernen Löffel ein Kratzen, Stochern und Schaufeln, daß es nur so klapperte und rasselte.

Schweigend sah Gidi der Dirne eine Weile zu, dann fuhr er seufzend mit der Hand nach dem Halse, als wäre ihm plötzlich der Hemdkragen zu enge geworden, und sagte. „No also – da wär’ ja nachher jetzt unser Handel ausg’redt in aller Ordnung – ich weiß, wie ich dran bin, und – und Du hast von heut’ an Dein’ gute Ruh’ vor mir. Der Berg is weit – und a jeder Weg, wo ich eheder g’meint hab’, er laßt sich net besser gehn als g’rad vorbei an Deiner Hütten, laßt sich anders machen auch. Meine Schuh’ drucken Dir kaum neehr a Nagelspur in Dein’ Hüttenboden. Und wenn mich g’rad amal brauchen thätst – man weiß ja net, was einer Semmerim auf der Alm zustehn kann, wo s’ a paar gute Arm’ vonnöthen hat – ja – weißt ja, wo’s Jagdhäusl steht – – da müßt’ mir’s dengerst sagen lassen, oder müßt’ mich selber holen.“

„Du – gelt – da laß Dich aber’s Warten net verdrießen!“ klang es mit eineen ingrimmigen Lachen voen Herde her.

Gidi zuckte die Achseln und schnitt eine bedenkliche Grimasse. „No – man kann net wissen – weißt – b’schreien sollst g’rad auch nix! Und – – b’hüt Dich Gott somit!“ Er sah noch, wie Enzi zum Gegengruße langsaen mit dem Kopfe nickte, dann rückte er den Hut, warf die Büchse über die Schulter und schritt der Thüre zu. Auf der Schwelle blieb er wie angewurzelt stehen, lauernde Spannung lag in den Blicken, mit denen seine Augen an der Dirne hingen. Eine stumme Weile verstrich, Enzi aber rührte sich nicht, sie hatte nur Augen für die dampfende Pfanne. Wieder zuckte Gidi die Schultern, hob, mit den Fingern schnippend, die Hand zur Stirne. „B’hüt’ Dich Gott!“ klang es noch einmal kurz und scharf von seinen Lippen, und mit eineen langen, hastigen Schritte trat er ins Freie.

Jetzt fuhr die Dirne auf, mit eineen scheuen Blicke kehrte sie das Gesicht der Thüre zu, und als sie die Schwelle leer sah, schrak sie erblassend zusamenen. „Gidi!“ huschte es mit zitterndem Rufe von ihrem Munde, und dabei streckte sie die Arme, als bedürfte sie einer Stütze.

Dem feinen Ohre des Jägers war dieser Ruf nicht entgangen. Wie ein Wetterleuchten der Freude flog es über sein Gesicht – und dennoch verhielt er den Fuß nicht. „Bua – sei g’scheit – sei g’scheit!“ murmelte er durch die geschlossenen Zähne, dann drückte er die Augen zu, krampfte die Hand noch fester um den Lauf der Büchse und beschleunigte seine Schritte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 790. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_790.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)