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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 52.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Edelweißkönig.

Eine Hochlandsgeschichte. Von Ludwig Ganghofer.
(Schluß.)

Als Luitpold und Ferdl aus dem Walde auf die Almenlichtung traten, sahen sie schon die blinkenden Fenster der Hütte und hörten schon die Leute reden, welche die hell erleuchtete Thür umstanden, Sennerinnen der nächsten Almen, Kühwehrer und Schafhüter. Je näher sie der aufgeregten Gruppe kamen, desto deutlicher hörten sie eine Stimme aus all den andern heraus. „Der Dori!“ flüsterte Ferdl und lauschte wieder den Worten des Burschen. „Ja – und so hat jetzt d’ Enzi dem Gidi ’s Leben g’rett’,“ hörte er ihn sagen. „Die is zum neiden! So a Glück hat halt an andrer net – und wann er sich auch d’ Augen drum ausschaut. Und wann er ’s Glück haben könnt’ – nachher verschlaft er’s!“

Schon wurden die Leute auf die Beiden aufmerksam, die sich ihnen näherten. Da reichte Luitpold seinem Gefährten schweigend die Hand zu langem und festem Drucke. Sie verstanden sich auch ohne Worte.

Während Luitpold der Thür zuschritt, huschte Ferdl hinter eine Mauer hochaufgeschichteten Brennholzes. Als er die Hütte umgehen wollte, kam er an einem offenen, erleuchteten Fensterchen vorüber und verhielt die Schritte. Da drinnen sah er auf dem Kreister der Sennerin den Jäger liegen; das blutleere Gesicht zeigte in der Umrahmung des dichten, schwarzen Bartes eine erschreckende Blässe; doch war es nicht entstellt von irgend einem Ausdruck des Schmerzes, es lag vielmehr ein still glückseliges Lächeln über diese Züge gebreitet, während die matt glänzenden Augen mit regungslosen Blicken auf das Gesicht der Dirne gerichtet waren, die mit zitternden Händen ein feuchtes, dickgefaltetes Tuch über die entblößte Schulter des Jägers breitete.

„Wie das wohl thut, Enzi, wie das wohl thut!“ glitt es mit müden, zitternden Worten von Gidi’s Lippen.

„Geh, geh, thu mir nur g’rad net reden! Ich bitt’ Dich, halt’ Dich doch stad!“

„No ja – aber gelt – – jetzt hast mich halt dengerst ’reing’holt in Dein’ Hütten – so oder so!“

„Na, na!“ fuhr Enzi schluchzend auf. „Jetzt is er halbert hin – und kann von so ’was reden!“

„Aber geh’ – das bißl Blut! Ich muß ja schier dem Valtl noch a Vergeltsgott sagen – ’leicht hätt’ ich sonst – gar z’lang – auf Dich warten müssen. Aber – was ich sagen will – is Keiner net da, der ’nüberspringt zu mir in d’ Hütten? Mein junger Herr Graf, der könnt’ sich ja sorgen um mich – wann er derwacht und – und ich bin net da bei ihm.“

„Jesus Maria! Dein Graf – war – war in der Hütten!“ hörte Ferdl die Dirne stammeln, während sie mit aschfahlem Gesichte zurücktaumelte vom Lager. Doch sah er mit dem gleichen Blicke, wie Luitpold über der Schwelle des Stübchens erschien, und da wandte er sich vom Fenster und eilte mit lautlosen Schritten

Nach dem Gottesdienste. Originalzeichnung von E. Ravel.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 865. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_865.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2023)