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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Jemand erreicht hat. Jede Spur der früheren, bis zur Härte gehenden Bestimmtheit ist hier verschwunden, Alles schwimmt in magischem Lichte. Dabei ist der Ausdruck ebenso wahr. Wie der vordere als der einfältigere der beiden spielenden Jungen sich über das Glück seines triumphirenden Gegners wundert, mit welcher Unbekümmertheit der daneben stehende kleine Galgenstrick sein Stück Brot verzehrt und den Spitz vergeblich auf einen Brocken spekuliren läßt, das ist alles mit einer großartigen Meisterschaft gegeben, die selbst den dürftigen, ewigen Hunger verrathenden Gliederbau der zerlumpten und auch sonst nichts weniger als schönen, halbwilden Jungen mit einem poetischen Reiz zu übergießen weiß.

Man muß die Welt in irgend einer Weise, sei’s mit dem Pinsel, der Feder oder dem Degen erobern oder sich nicht um sie kümmern, um vollkommen glücklich zu sein; zwischen Diogenes und Alexander giebt es keine halbwegs befriedigende Mittelstufe – unsere kleinen Weltbürger aber haben die Höhe des Ersteren hier schon vollständig erklommen.

Leider hat der herrliche Künstler, der uns diese Meisterwerke geschenkt, die Vergänglichkeit alles irdischen Glückes auch an sich selbst erfahren müssen. Als er auf der Höhe des Ruhmes durch eine lange Reihe von unsterblichen Meisterwerken angelangt war, genügte im Jahre 1686, während er an eine „Vermählung der heiligen Catarina“ in der Kapuzinerkirche zu Cadiz die letzte Hand anlegte, ein einziger falscher Tritt, ihn vom Gerüste stürzen und sein ruhmvolles Leben plötzlich einbüßen zu lassen. Fr. Pecht.     


Plauderei. (Mit Illustration S. 4 u. 5.) Plaudern! Das ist seit jeher eins der Hauptbedürfnisse der Menschheit. Die höheren Schichten unserer Gesellschaft haben sogar die Plauderei zu einer besonderen Kunst ausgebildet, und je glatter der Parkettboden, auf dem sich der Mensch bewegt, desto gewandter muß er zu plaudern verstehen. Dasselbe Gesetz waltet auch in der entgegengesetzten Schicht der Gesellschaft, wo es keine strahlenden Kronleuchter giebt. Es äußert sich allerdings hier etwas anders als dort. Die dichterische Kunst hat jedoch die beiden Arten des Plauderns, trotz ihres diametralen Unterschieds, nach Kräften ausgenützt, und wer sie im Leben nicht genau studiren konnte, der findet sie mit gewissenhafter Treue in den Dialogen zahlloser Romane und Dramen phonographirt. Nur die Maler gehen diesem Thema zumeist beharrlich aus dem Wege; denn es ist ein kühnes Unterfangen, mit den stummen Farben Worte und Gespräche zu malen. Nur einem Meister kann dies gelingen, und ein Meister ist es auch, der das Bild, welches unsere heutige Nummer schmückt, getrost „Plauderei“ nennen durfte.

Wie packt uns auf den ersten Blick die anmuthige Scene! In dem alten Mathias mit dem weißen Schnurrbart und der Hahnenfeder auf dem morschen Hut erkennen wir sofort einen guten Bekannten und glauben von seinen Lippen eine seiner Jagdgeschichten zu vernehmen, und auch die lebfrische Emmerenz ist uns nicht fremd und scheint wirklich von der scheckigen Kuh zu erzählen. Gewichtige Dinge sind es gewiß nicht, über die hier so leicht hinweg geplaudert wird.

Aber eine tiefe, wenn auch stumme Zwiesprach wird doch an dem Tische geführt. Die Augen der schmucken Cilly mit dem runden Hütchen erzählen viel Schöneres, als man je im Leben hören kann, und der hübsche Hansei dort im Hintergrunde läßt sich kein Jota dieser geheimnißvollen Sprache entgehen. Was sonst geplaudert wird, dafür haben die beiden jungen Leute kein Ohr, aber wenn alle aufbrechen und sich zum Abschied rüsten, werden sie gewiß dem alten Mathias das wärmste Lob spenden für seine schöne Unterhaltung.


Eine Papierstatistik der „Gartenlaube“. Ein Leser unseres Blattes richtete vor Kurzem an uns die Frage, wie viel Papier zum Drucke der „Gartenlaube“ seit ihrer Gründung wohl verbraucht wurde. Um seine Neugierde zu befriedigen, stellten wir eine Berechnung zusammen, die zu so überraschenden Resultaten führte, daß wir beschlossen haben, sie auch weiteren Kreisen an dieser Stelle bekannt zu geben.

Vom Jahre 1853 bis zum Schlusse des Jahres 1885 sind von der „Gartenlaube“ zusammen 356 980 000 Nummern gedruckt, welche die Zahl von 6 856 000 Jahrgängen oder Bänden ergeben, während die Zahl der Druckbogen rund 900 000 000 beträgt. Würde man diese Bogen in einer Linie an einander legen, so könnte man mit denselben 14½ Mal die Erde am Aequator umspannen. Die Länge dieses Papierstreifens würde die Länge sämmtlicher Eisenbahnlinien der Welt nicht nur decken, sondern dieselbe noch um rund 200 000 Kilometer übertreffen. Mit diesem Papierstreifen könnte man auch den Mond mit der Erde verbinden und dann den Rest desselben noch fünfmal um die Erde wickeln.

Würden wir aber alle Bogen ausbreiten und mit denselben eine Fläche zu bedecken suchen, so kämen wir zu dem gewiß überraschenden Resultat, daß wir mit ihnen nicht einmal den Bodensee überspannen und kaum das 316 Quadratkilometer große Fürstenthum Reuß älterer Linie bedecken könnten.

Noch überraschender fällt folgender Vergleich aus: Legen wir die einzelnen Bände auf einander, so erreichen wir dadurch die imposante Höhe von etwa 320 000 Metern, welche die Höhe des höchsten Berges der Erde, des Gaurisankar[WS 1] 36 Mal und diejenige des Mont-Blanc beinahe 67 Mal übertrifft. Würden wir aber alle Bände in einem Raum unterbringen, welcher der großen Cheopspyramide entspricht, so müßten wir wahrnehmen, daß diese ganze Papiermasse nur hinreichen würde, um den dreißigsten Theil derselben vollzupfropfen! Wenn ferner das größte deutsche Kriegsschiff „König Wilhelm“ vor die Aufgabe gestellt werden sollte, alle Bände nach einer Insel zu schaffen, so müßte es 16 Mal vollgeladen werden, bis es den Transport bewerkstelligte. Und das Gewicht dieser Bände? In runder Summe dürfte es 190 000 000 Kilogramm betragen und, auf gewöhnliche Lowrywagen der Eisenbahn verpackt, 4250 derselben füllen. 85 Eisenbahnzüge zu je 50 Wagen wären nöthig, um diese Gewichtsmasse zu befördern. Wollte aber ein Mensch versuchen, alle Seiten, die in den 6 856 000 Bänden enthalten sind, zu zählen, so würde er das niemals zu Stande bringen; denn selbst wenn er Tag und Nacht zählte und zur Nennung jeder Zahl nur eine Sekunde brauchte, so würde diese Arbeit doch die Zeit von 228 Jahren, 3 Monaten, 23 Tagen und 8 Stunden erfordern.



Allerlei Kurzweil.


Bilder-Räthsel.



Inhalt:

[ Inhalt der Nr. 1 des Jahrgangs 1886, hier nicht wiedergegeben.]




[ Werbung des Verlags für den neuen „Gartenlaube-Kalender“, hier nicht wiedergegeben.]



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist der Mount Everest. Zur Namensverwechslung siehe die Wikipedia.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_020.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2023)