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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Blätter und Blüthen.


Ein Turnfest. Noch ist der Festjubel nicht verrauscht, der im verflossenen Sommer in den Straßen Dresdens widerhallte; noch zittern seine Klänge in den Herzen deutscher Turner nach, die jenseit der Reichsgrenzen heiß um die Erhaltung ihrer Nationalität kämpfen, und wiederum wurde während der letzten Tage in den Mauern der sächsischen Hauptstadt ein Turnfest abgehalten, welches trotz seines lokalen Charakters doch eine allgemeine Beachtung verdient.

Am 17. Januar feierte der „Turnverein für Neu- und Antonstadt-Dresden“ das fünfundzwanzigjährige Jubiläum seiner Gründung, nahm von Nah und Fern Glückwünsche entgegen und durfte mit Stolz zurückblicken auf ein Vierteljahrhundert ernster Arbeit und erfreulichster Erfolge.

Das Vereinshaus des Turnvereins in Neu- und Antonstadt Dresden.

Im Jahre 1861 begann der Jubilar seine Thätigkeit mit nur siebzig Mitgliedern, aber auf eigene Kraft vertrauend, wuchs er mit der Zeit zu einer stattlichen Gemeinschaft heran, die heute über 600 aktive Mitglieder zählt und dank ihrer vortrefflichen Einrichtung zum Brennpunkt der turnerischen Bestrebung der Heimathstadt geworden ist. Es ist ihm gelungen, aus den kleinen Mitgliederbeiträgen und Veranstaltungen zu Gunsten des Vereins ein Vermögen von ungefähr 60 000 Mark anzusammeln, er besitzt ein eigenes Heim, ein großes mehrstöckiges Haus, an welches sich seit 1881 eine großartige Turnhalle anschließt – eine Halle, in welcher gleichzeitig 300 Manu den Turnübungen obliegen können, und welche die stattlichste und wohleingerichtetste unter allen Turnhallen Deutschlands sein dürfte.

Die „Neue Turnhalle“.

Wie selten ein anderer Verein, hat es gerade dieser verstanden, alle Stände, niedrige und höchste, in sich zu vereinigen, und war stets von einem Geiste beseelt, der das Gute, Edle und Wahre hochhält und für allgemeine Interessen rege Theilnahme bekundet. So werden gegenwärtig außer den Mitgliedern 400 Kinder, 125 männliche Personen bis zu achtzehn Jahren und 60 Damen von dem Verein im Turnen unterrichtet, so ist in seinem Schoße eine Sängerschaft entstanden, deren Leistungen oft allgemeine Anerkennung fanden, und so verfügt er über eine reiche, fleißig benutzte Bibliothek.

Möge der Muster-Verein noch lange blühen, „frisch, frei, fröhlich, fromm“ sein hohes Ziel verfolgen, möge er nach wie vor beitragen zur Kräftigung wahrer Vaterlandsliebe und Förderung echten Bürgersinnes!


Zwei Familien. (Mit Illustration S. 89.) Genau drei Wochen vor Ostern war es, als Mutter die sorglich gesparten Eier in das weiche Nest unter dem Herd legte und die große schwarze Henne darauf setzte. Drei Wochen sind eine lange Zeit. Wenn auch die Kinder anfangs noch oft unter den Herd geguckt und der Henne den und jenen Leckerbissen zugesteckt hatten, schließlich war das stille reglose Thier von ihnen gänzlich vergessen worden. Da eines Tags, wie Mutter eben den großen Kessel mit dem Badewasser vom Feuer nehmen will, hört sie zu ihren Füßen ein leises Piepen. Vorsichtig hebt sie die Henne vom Neste und, o Freude! – da kribbelt und krabbelt es in allen Farben durch einander, schwarz, gelb, braun und scheckig zwischen den zerbrochenen Eierschalen! Die Mutter zählt und zählt wieder, ja – weiß Gott! – das ganze Dutzend ist vollzählig, nicht ein einziges taubes Ei war im Neste, und wie munter zappeln die kleinen Kücken schon und purzeln, kopfüber, kopfunter, vom Neste herunter auf die Dielen. Nicht fünf Minuten vergehen, so ist die ganze Menschenfamilie in staunender Bewunderung versammelt um die piepende, pickende Hühnerfamilie, sogar der Vater verschmäht es nicht, die Sonntagspfeife im Munde, behaglich dem lustigen Treiben zuzuschauen.

Aber wie meisterhaft hat uns Weese die Art des Eindruckes geschildert, die jeder einzelne dieser Zuschauer empfängt! Das kleine Mädchen, welches so zärtlich das letztausgekrochene noch feuchte Küchlein in ihren Händen wärmt, wird die treueste Hüterin der Hühnerfamilie sein, während ihr bequem am Boden hingestreckter Bruder in seinen Schelmenaugen schon jetzt mehr als einen Schabernack ahnen läßt, den er sich später im Hühnerhof erlauben wird. Der älteste Knabe sieht mit ruhig gesetzter Miene zu, vielleicht überlegt er gar schon, wie viele Sonntagsbraten da mit der Zeit heranwachsen. Die Mutter aber drückt instinktiv ihr eigenes Nesthäkchen fester an die Brust und lächelt der treuen Mutter dort unten sympathisch zu. Entschieden kann es in der Thier- und Menschenwelt schwerlich zwei glücklichere Familien geben, als die beiden, welche unser Bildchen verewigt. C. Michael.     


Schulbäder. Unter den Reformen, die zum Zwecke der Gesundheitspflege in den Schulen angestrebt werden, verdient auch die Einrichtung einfacher Bäder in Schulgebäuden Beachtung und Nachahmung. Unter deutschen Städten besitzt Göttingen schon seit längerer Zeit Schulbäder, in welchen die Bade-Einrichtung aus drei Douchen mit ebenso vielen darunter angebrachten Zinkwannen besteht. Die Schüler und Schülerinnen baden während der Unterrichtszeit, und dank der eingeführten Bade-Ordnung kann eine mäßig stark besuchte Knabenklasse während einer Stunde unter den drei Douchen erfrischt werden. Für Mädchenklassen ist ein längerer Zeitraum erforderlich.


Zwei Denkmale. Während aus dem Norden unseres Vaterlandes eben ein warmer Aufruf ergeht, Beiträge für ein würdiges Fritz Reuter-Monument einzusenden, hat sich im Süden ein zweites Komité gebildet, welches die Verehrer der Muse Ottilie Wildermuth’s dafür gewinnen will, dem Andenken an die beliebte Dichterin ebenfalls ein einfaches Denkmal zu widmen. Die tief gemüthvollen und von echtem Humor belebten Dichtungen Reuter’s und die schlichten, innigen Erzählungen Ottilie Wildermuth’s sind zum Gemeingut des deutschen Volkes geworden, das jetzt auch gemeinsam Gelegenheit zur Bethätigung seines Dankes hat. Beiträge für das Reuter-Denkmal sind an Dr. Gustav Moeriës in Magdeburg, Gr. Münzgasse 2, für das Wildermuth-Monument an den Bankier Jäger in Tübingen, Uhlandstraße 2 zu richten.


Der Volta-Preis. Zu den höchsten Ehrenpreisen, welche für wissenschaftliche Arbeiten ausgesetzt sind, gehört der zu Ehren Volta’s, des berühmten Forschers auf dem Gebiete der Elektricitätslehre, gestiftete. Er beträgt 50 000 Franken und soll im Jahre 1887 für die beste Entdeckung zuerkannt werden, kraft welcher die Elektricität mit besonderem Vortheil zu verschiedenen Zwecken verwendet werden kann. Die Entscheidung ruht in Händen der Akademie der Wissenschaften in Paris; das Preisausschreiben ist jedoch gewissermaßen international, da Bewerber aller Nationen zugelassen werden. — i.     


Ein Tiroler Freiheitskämpfer, der im Jahre 1809 als Adjutant Hofer’s eine hervorragende Rolle gespielt hat, ist am 28. December 1885 zu St. Leonhardt im Passeyer gestorben – Josef Holzknecht, der Schwiegersohn Andreas Hofer’s und Kampfgenosse Speckbacher’s und Haspinger’s.


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

Anfrage. Ein beliebtes Spiel der Kinder ist, mit Bildern überzogene Würfel nach entsprechenden Vorlagen zusammenzusetzen. Leider werden diese Spielzeuge gar bald beschädigt. Aber durch Aufkleben neuer Bilder könnte geholfen werden. Ueberzeugt, daß wir im Interesse vieler Hausfrauen sprechen, richten wir an Lieferanten solcher Bilder die freundliche Bitte, ihre Adresse gefälligst der Redaktion der „Gartenlaube“ mittheilen zu wollen. B. in K.     

Antiquarius in Kr. Wir werden das betr. Unternehmen fortführen, aber nicht in den Zwischenräumen von fünf, sondern von zehn Jahren, da sonst die Ergänzungsgebäude zu schwach ausfallen würden.

Postkarte aus Hamburg. Wir haben bereits Anordnung getroffen, daß vom Jahrgang 1886 ab statt der schwarzen Jahreszahl auf dem Rücken der Einbanddecke eine vergoldete kommen soll, wodurch das Finden der einzelnen Jahrgänge wesentlich erleichtert wird.

K. P. in B. Herr Musikdirektor G. Rauchenecker, dessen Komposition zu dem Rittershaus’schen Chorliede preisgekrönt wurde, ist von Kassel nach Barmen verzogen.


Inhalt: Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 77. – Der erste Versuch. Illustration. S. 77. – Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“. I. Astrolabe-Bai bis Festungs-Kap. Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen). S. 83. Mit Illustrationen S. 81, 83, 84 und 85. – Die Andere. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 86. – Die Morphiumsucht. Von Obermedicinalrath Dr. Landenberger (Stuttgart). S. 90. – Blätter und Blüthen: Ein Turnfest. Mit Abbildungen. S. 92. – Zwei Familien. Von C. Michael. S. 92. Mit Illustration S. 89. – Schulbäder. – Zwei Denkmale. – Der Volta-Preis. – Ein Tiroler Freiheitskämpfer. – Kleiner Briefkasten. S. 92.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_092.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)