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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

es erfolgt auf Kommando des Führers die Zündung der letzteren auf elektrischem Wege.

Es erübrigt nur noch die Beschreibung einzelner Vorrichtungen, die wir bisher nicht erwähnt haben. Zunächst der beiden Behälter A und der Linse A zwischen den beiden Seeleuten. Durch diese Linse und die damit verbundenen Vorkehrungen, auf die wir nicht näher eingehen wollen, wird bewirkt, daß sich der Wasserstand in den Behältern sehr schnell verändern läßt. Es erhöht sich somit die Last bald hinten, bald vorne, und es wird der stampfenden Bewegung des Bootes wirksam vorgebeugt. Die Pumpe d dient, in Verbindung mit Chlor- und Aetzkali, zur Reinigung der ausgeathmeten Luft. Das Bleigewicht X endlich spielt die Rolle des Ballastes und soll die schlingernde Bewegung des Fahrzeuges verhindern. Der Erfinder hat aber auch dafür gesorgt, daß das Gewicht sich vom Innern des Bootes aus loslösen läßt, und zwar für den Fall, daß die Aussaugepumpen den Dienst versagen. Das Fahrzeug steigt dann von selbst wieder an die Oberfläche.

Die elektrische Kraft soll ausreichen um das Goubet’sche Boot vierzehn Stunden lang mit einer Geschwindigkeit von fünf Knoten (etwa neun Kilometer in der Stunde) zu treiben.

Sehr anerkennenswerth ist es, daß Goubet nicht bloß die Zerstörung feindlicher Fahrzeuge, sondern auch friedliche Zwecke ins Auge faßt. Sein Unterseeboot soll ebenfalls zur Untersuchung des Meeresbodens dienen und, an Stelle der dem Wellengang ausgesetzten Rettungsboote, gestrandeten Schiffen Rettungsleinen überbringen, die, an Bojen befestigt, in der Nähe

derselben an die Oberfläche steigen und leicht ergriffen werden können.

G. v. M.     

Blätter und Blüthen.

Das Beschlagen des Faschingspferdes im Gailthale. (Mit Illustration S. 137.) Am Faschingsonntag geht es hoch her in den sonst stillen Dörfern des Gailthales. An diesem Tage muß sich ja in jedem reichen Hause beim Mittagsmahle „der Tisch biegen“, und in allen Häusern werden „Krapfen“ in solchen Mengen gebacken, als gälte es heimkehrende Sieger zu bewirthen. Abends beschließt der Tanz die Freuden des Tages und

„Es schmettert das Blech, es rumpelt der Baß,
Die Geigen tönen ohn’ Unterlaß – –“

bis in die späte Nachtstunde hinein.

Dies Alles bildet jedoch nur ein Vorspiel zu dem letzten Scherz in dieser tollen Zeit, zum Beschlagen des Faschingspferdes, welches am Dienstag nach dem Karnevalssonntag stattfindet. Einige Auserwählte der muthigen Dorfjugend zimmern in einem Stalle aus Holz, Pappe und Stroh das wunderliche trojanische Pferd und vermummen sich für den drolligen Umzug. Ihre Garderobe ist von Groß und Klein dicht umschart wie ein Theater in der Großstadt – alle harren ungeduldig auf das Erscheinen der jungen Faschingsnarren. Endlich sind sie kostümirt, der kleine Tambour schlägt die große Trommel und schreitet gravitätisch aus der aufspringenden Stallthür; ihm folgt das weiße Roß auf vier jungen Menschenfüßen; seine Strohmähne flattert im Winde, froh wiehert es aus einer Oeffnung des langen Papierhalses. Ein stattlicher Soldat in einer Uniform aus den Franzosenkriegen führt es am Zügel. Hinterdrein kommt ein großer Schmied mit Hammer und Zange; seine riesige Blechnase glänzt wie das Eisgefilde des Glockners im Morgenlicht; ihm zur Seite gehen Buben als Bajazzos gekleidet mit großen Sammelbüchsen. Ein hundertstimmiges Freudengeschrei begrüßt diesen Zug, der sich nun unter allerlei Possen und Schnacken zuerst vor das Wirthshaus begiebt, wo der Schmied der Wirthin eine launige Anrede hält, die darauf hinzielt, sie möge ihre Hand aufthun, das Faschingspferd wolle beschlagen sein, denn es hätte auf dem Weg zu ihrem Hause einen Huf verloren. Lachend steckt die Wirthin jedem Bajazzo einige Sechserln in die Sparbüchse und bringt Wein und Krapfen für das Roß und sein Geleit.

Der Schmied hebt nun einen Hinterfuß des Pferdes auf und hämmert so tapfer darauf los, daß es sich bäumt und ausschlägt. Ein schallendes Gelächter begrüßt seine Sprünge, und währenddessen raubt der Soldat der nächsten schmucken Dirne einen Kuß, und wenn sie ihn dafür schlägt – einen zweiten und dritten. Und die Bajazzos sind auch nicht faul, sie üben hundert Bosheiten, bis endlich der Schmied seine Arbeit beendet und der Hausfrau prophezeit, es werde der Segen Gottes nicht von ihrem Hause weichen, weil sie das Faschingspferd mit Silber hat beschlagen lassen. Und unter Trommelschall und Gelächter und Jubelgeschrei ziehen sie mit ihrem Roß von Haus zu Haus, bis der Abend einbricht und der Zug ins Wirthshaus zurückkehrt.

Ob der Gebrauch des Pferdebeschlagens germanischen oder wendischen Ursprungs ist, ob das weiße Roß an Odin’s oder Triglav’s Opferthiere gemahnen soll – wagen wir nicht zu entscheiden; doch freuen wir uns, daß solche Feste die wenigen Wenden, die im Gailthale wohnen, mit den deutschen Bewohnern in traulicher Gesellschaft vereinen – und daß sie

dabei lieber und leichter deutsch als „slovenisch“ sprechen.

Thomas Schlegel.     

Honoaratiorenball. (Mit Illustration S. 145.) Es liegt schon in dem Klang des Wortes etwas Respekteinflößendes, zur Ehrerbietung Nöthigendes. Wenn ein neudeutscher Bürger aus Kamerun eine Reise durch deutsche Städte und Städtchen machte und dort auf einen „Honoratiorenball“ geladen würde, wer weiß, ob ihn nicht schon das Wort, der bloße Klang des Wortes in die Flucht jagte. Mancher von den jungen Leuten, die in den Tanzsaal geladen werden, folgte wohl gerne seinem Beispiel, er darf es aber nicht, denn er ist nicht so unabhängig wie sein schwarzer Landsmann, seine ganze Existenz hängt vielleicht von dem größeren oder geringeren Geschick ab, mit dem er heute die Honoratiorentochter im Takte drehen wird. Und es gehört nicht nur großes Geschick, es gehört auch ein festes, gut versichertes Herz dazu. In vielen Fällen wenigstens, was jeder zugeben wird, der den armen Jüngling im Mittelpunkt unseres Bildes betrachtet. Ein herrliches Geschöpf mit einem Sirenengesichtchen und einer entzückenden Gestalt im Arm zu halten und dabei zu wissen, daß man nichts als eine Art Rotirmaschine, daß kein Blick der Holden dem Tänzer lohnt, daß ihre Augen nur auf den Papa gerichtet sind, der, sein erhabenes Honoratiorengesicht zu einem wohlgefälligen Lächeln verziehend, würdevoll mit den Händen den Takt giebt – den Duft des verführerischen Goldhaars zu athmen, die rothen Lippen in so gefährlicher Nähe zu sehen und zu wissen, daß dieser stolze Backfisch „Honoratiore“ vom Scheitel bis zur Zehe ist und sich hoch über allen Nichthonoratioren fühlt – gewiß, es ist keine Kleinigkeit, da Tänzer zu sein. Aber die Probe wird bestanden, und wenn der Tanz zu Ende, lohnt wohl ein Knix der Schönen, ein herablassendes Kopfnicken des Papa, der ganz glücklich ist, daß sein Töchterlein sich als brillante Tänzerin erwiesen hat. Derselben Ansicht sind ja auch die älteren Damen der Gesellschaft, die mit kritischen Blicken die Tanzenden verfolgen, und der „gewichtige“ Honoratiore – Gemeinderath ist er ohne Zweifel – der mit einer so graziösen Handbewegung auf das Pärchen deutet, ist sicher auch der Anschauung, daß der stolz dahinschwebende Backfisch die Königin des Festes ist. Wie lange wird die arme Rotirmaschine noch von ihr träumen?! E. P.     



Die Wacht der Montenegrinerin.
Zu dem Bilde von Richard Linderum (S. 141).

Durch schwerer Wolken trübe Schar
Irrt flammend greller Blitzesschein. –
Wo weilst du, mein verwegner Aar?
Komm heim, komm heim, wir sind allein! –
Sturmlaut und sternlos ist die Nacht
Und schreckensvoll des Wetters Wuth.
Komm heim! Bei deinem liebsten Gut
Sitz ich bewehrt und halte Wacht.

Das Lämplein vor dem Gottesbild
Verlischt. – O bittre Sehnsuchtspein!
Mein Herze ruft dich laut und wild:
Komm heim, komm heim, wir sind allein!
Ich seh dich wie in wachem Traum,
Du Trotzigster der tapfern Zahl, –
Dein Angesicht ist starr und fahl,
Und blutig ist der Heide Saum.

Dein Heim einst nanntest du mein Herz;
O komm; – mit meiner Küsse Gluth
Still’ ich des kühnen Helden Schmerz,
Still’ ich der Wunden rinnend Blut.
Ich schaute tapfer lang darein, –
Nun ist mein Muth, mein Stolz vorbei!
Hörst du der Sehnsucht bangen Schrei?
Komm heim, komm heim, wir sind allein! –
 Frida Schanz.


„Die Anwesenden ausgenommen!“ Wenn man etwas sagt, das Einen in der Gesellschaft verletzen könnte, dann muß man hinzufügen: „Natürlich immer die Anwesenden ausgenommen.“ Diese Regel hatte der junge Baron Harald von Sinnen von seinem Hofmeister eingeprägt erhalten, und er hatte auch schon bei verschiedenen Gelegenheiten mit gutem Erfolg von derselben Gebrauch gemacht. Eines Tages hatte er nach beendigtem Diner unter den älteren Damen Platz genommen, welchen er allerlei Geschichten erzählte. Die Geschichten fanden großen Beifall. Natürlich: der junge Baron war sehr liebenswürdig und hatte die nächste Anwartschaft auf ein großes Majorat. Der Beifall der Damen ermuthigte ihn immer mehr, und er ließ eine Geschichte auf die andere folgen. Darunter auch eine, deren Heldin eine Dame war, die sich ebenso sehr durch ihren Geist wie durch ihre Häßlichkeit hervorthat. Der junge Baron betonte wiederholt die Häßlichkeit der Dame. Da bemerkte er zu seinem Schrecken, daß dies bei seinen Zuhörerinnen, die alle über die erste Jugendblüthe der Schönheit schon mehr oder weniger hinaus waren, einen unangenehmen Eindruck machte. Doch er wußte sich zu helfen, in Erinnerung an die ihm von seinem Hofmeister eingeprägte Regel schloß er seine Erzählung mit den geflügelten Worten: „Ja, ja, meine Damen, so ist es, die Häßlichen sind in Regel nicht dumm, – natürlich immer die Anwesenden ausgenommen.“ B.-W.     

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