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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“.[1]

II. Vom Mitrafelsen bis Finsch-Hafen.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).
Strafexpedition der „Hyäne“. – Ankunft der „Elisabeth“. – Aufhissen der Reichsflagge im Bismarck-Archipel. – Küste von Neu-Guinea, – Luard-Inseln. – Mitrafels. – Herkules-Bai. – Spree. – Adolfs-Hafen. – Huon-Golf. – Parsi-Huk. – Haarschmuck der Eingeborenen. – Finsch-Hafen. – Eingeborene. – Flaggenhissen. – Häuser. – Ahnenfiguren. – Waffen. – Erste deutsche Ansiedelung.

Der sonst so stille Hafen Mioko zeigte bei unserer Rückkehr ein regeres Leben; zwei Schiffe lagen zu Anker; ein Hamburger Dreimastschuner und das deutsche Kanonenboot „Hyäne“ (Kommandant Kapitän-Lieutenant Langemack). Auf letzterem ging es sehr geschäftig her; es rüstete zu einem kriegerischen Unternehmen und verließ uns in aller Stille, um die Eingeborenen an der Südspitze Neu-Irlands zu strafen, die vor einigen Monaten ein deutsches Schiff, die „Mioko“, geplündert und verbrannt, die Mannschaft erschlagen hatten. Derartige Expeditionen sind in den meisten Fällen ein ziemlich oder ganz erfolgloses Unternehmen, das sich meist auf das Niederbrennen einiger Häuser, eines Dorfes, Vernichten von Plantagen und Zerschlagen von Kanus beschränkt, Handlungen, welche die Eingeborenen in der That nur sehr untergeordnet schädigen.

Mann von Parsi-Huk.

Den Eingeborenen selbst ist meist nicht beizukommen, sie fliehen in die Wälder, und es wäre, bei der Fülle tropischer Vegetation, ein nutzloses, ja zum Theil gewagtes Unternehmen, sie in ihren Schlupfwinkeln aufzusuchen. Die Strafexpedition der „Hyäne“ verlief ganz in derselben Weise. Das Kriegsschiff kam überhaupt viel schneller zurück, als erwartet, und nicht allein! Zu unserer Verwunderung zeigte sich im Kanal ein großes Schiff, das Matupi-Hafen in Blanche Bai zudampfte. Wie wir durch die „Hyäne“ erfuhren, war es S. M. gedeckte Korvette „Elisabeth“, zu deren Begrüßung wir uns eiligst nach Matupi auf den Weg machten. Große Ueberraschungen warteten unser: der lebhafteste Wunsch aller Deutschen jenes Gebietes sollte erfüllt, Neu-Britannien, Neu-Irland und die Herzog York-Gruppe oder, wie die spätere sehr passende Benennung lautet, der „Bismarck-Archipel“, unter den Schutz des deutschen Reichs gestellt werden. Am 2. November 1884 fand die feierliche Proklamation zunächst in Matupi statt. Unter Musik, Kanonendonner und einem dreimaligen Hoch auf Seine Majestät ging die Reichsflagge hoch, ein sichtbares Zeichen, daß Deutschlands Unternehmungen auch in diesem abgelegenen Winkel Erde fortan sich des so nöthigen Schutzes zu erfreuen haben. Der Kommandant der „Elisabeth“, Kapitän z. S. Schering, war in der Ausführung derartiger kaiserlicher Botschaften kein Neuling: kaum drei Monate vorher hatte er in Angra Pequena das deutsche Banner entfaltet. Ein so großes Schiff wie die „Elisabeth“, mit 450 Mann Besatzung und 19 Geschützen, war in diesen Gewässern übrigens noch nicht gesehen worden und das Erstaunen der Eingeborenen selbstverständlich ein ungeheures.

Auf Grund unserer Erfolge mit der „Samoa“ konnten die Kriegsschiffe gleich nach Neu-Guinea weiter gehen, um auch hier den deutschen Schutz zu proklamiren. Kapitän Dallmann begleitete die „Elisabeth“ als Lootse für Friedrich Wilhelms-Hafen, während die „Samoa“, vom ersten Steuermann Sechstroh, einem tüchtigen Seemanne, geführt, ebenfalls für Neu-Guinea rüstete, wo sie, der Verabredung gemäß, mit den Kriegsschiffen wieder zusammentreffen sollte.

Etwa eine Woche später konnten wir ihnen folgen, da wir einige Krankheitsfälle an Bord hatten, zu deren Hebung die Behandlung Seitens der Herren Marine-Aerzte sehr willkommen war. Denn in jenen Gegenden muß noch Jeder sein eigener Arzt sein und sich vor Krankwerden möglichst hüten. Schiffsvolk thut dies indeß selten, und so nehmen höchst unbedeutende Wunden durch Vernachlässigung oft einen sehr bösartigen Charakter an und bedürfen lange Zeit zur Heilung. Bei einem so kleinen Schiffe wie die „Samoa“ wird aber der Abgang eines einzigen Mannes schon sehr fühlbar, und wer es noch nicht wissen sollte, wird in solchen Fällen die Wichtigkeit eines Heizers würdigen lernen. – Nach dreitägiger Fahrt, meist angesichts der dichtbewaldeten bergigen, übrigens meist verschleierten Küste Neu-Britanniens, sichteten wir Neu-Guinea, das uns diesmal schon viel heimischer vorkam, war es doch deutscher Grund und Boden, den wir vor uns sahen. Wie immer beim Sichnähern von Festland zeigten sich wechselnde Bilder; erst mäßig hohe blaue Berge, in Wolken gehüllt, dann Inseln in verschwommenen Konturen, die allmählich in einander fließen und nach und nach als das eigentliche, flache dichtbewaldete Ufer zum Vorschein kommen. Noch lange, ehe wir uns demselben nähern, wurden wir durch die plötzliche grüne Meeresfärbung, die ganz der eines Riffs ähnelte, stutzig. Das Loth erreichte mit 40 Faden noch keinen Grund und wir wußten, daß wir uns in dem Auswässerungsgebiete von Flüssen befanden, die durch ihre trübe Färbung den Seemann an diesen Küsten so häufig irre führen.

Der Mitrafelsen, die natürliche Grenzmarke zwischen den deutschen und englischen Besitzungen in Neu-Guinea.

Eine kleine Gruppe bewaldeter Felseninseln, fast unmittelbar der Küste vorgelagert, zeigte, daß die Berechnungen unseres Navigateurs stimmten, es waren die Luard-Inseln im Süden von Huon-Golf. Da dieser Theil der Küste, bisher nur durch Moresby flüchtig aufgenommen, keinen Hafen verzeichnet, so war es unser Bestreben, einen solchen zu finden, und dafür schienen die Luard-Inseln ganz geeignet. Leider waren unsere Bemühungen für diesmal erfolglos; zwischen den

  1. Sämmtliche Illustrationen zu diesen Artikeln sind nach Originalskizzen und Angaben des Verfassers von A. v. Roeßler gezeichnet.   D. Red.     
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_192.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2024)