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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

die Goldwährung, bei welcher nur dem Golde die oben erwähnten Rechte zukommen, während das Silber als Scheidemünze gilt, und

die Doppelwährung, bei welcher beide Metalle, Gold und Silber, als gesetzliche Zahlungsmittel gebraucht werden können.

Würde die Silberwährung bei uns in Kraft bestehen, so müßten Sie sich gefallen lassen, daß ihnen der Miethzins von 5000 Mark in lauter Silbermünzen gezahlt würde; jetzt, wo wir Goldwährung haben, dürfen Sie dieselbe Summe in Gold fordern; bei der doppelten Währung endlich könnte ihnen der Miether die Summe nach seinem Belieben bald nur in Gold, bald nur in Silber, oder auch zum Theil in Gold und zum Theil in Silber auszahlen lassen.

Für uns kommen nur die beiden letzteren Währungsarten in Betracht, denn wir sehen die Politiker und Volkswirthe heutiger Tage in zwei große Lager getheilt: die Monometallisten, welche für die Goldwährung, und die Bimetallisten, welche für die Doppelwährung eintreten. Sie haben mir, verehrte Frau, im Laufe unsrer Unterhaltung erklärt: Sie begriffen nicht, warum man darüber streite; es müßte doch jedem gleich sein, ob er mit Gold oder Silber bezahlt werde. Ich möchte Ihren Irrthum aufklären.

Ehe ich dies aber thue, will ich noch einige historische Bemerkungen vorausschicken.

Der berühmte Kopernikus schrieb im Jahre 1526 eine Denkschrift über die Münzen und theilte darin mit, daß damals bei allen Völkern 1 Pfund reinen Goldes so viel gegolten habe wie 12 Pfund reinen Silbers, während man früher für 1 Pfund Gold nur 11 Pfund Silber gegeben habe. Hundertundfünfzig Jahre darauf bemerkt der Italiener Montamari, das früher angenommene Werthverhältniß zwischen Silber und Gold habe sich überlebt und nunmehr könne man für 1 Pfund Gold 143/4 Pfund Silber erhalten. Diese Entwerthung des Silbers dauerte bis in die jüngste Zeit fort, so daß im letzten Jahrzehnt das Werthverhältniß zwischen den beiden Edelmetallen im Durchschnitt 1 : 19,12 beträgt also 1 Pfund Gold den Werth von 19,12 Pfund Silber repräsentirt.

Die Münzstätten der verschiedenen Staaten können selbstverständlich diesen Preisschwankungen nicht Rechnung tragen, sie müssen vielmehr für lange Zeiträume Geld in Gold und Silber nach einem bestimmten Verhältniß prägen, und dieses Verhältniß beträgt gegenwärtig in den meisten Ländern mit Doppelwährung 1 : 151/2, sodaß z. B. aus einem Pfund Gold ebenso viele Franks geprägt werden, wie aus 151/2 Pfund Silber. In Deutschland ist das Verhältniß ein niedrigeres, aus 1 Kilogramm feinen Goldes werden 279 Kronen, d. h. 2790 Mark, und aus einem Kilogramm Silber 200 Mark geprägt. Bei uns hat aber das Silbergeld nur die Bedeutung der Scheidemünze. Wer also jetzt Silbermünzen einschmelzen und als Waare verkaufen wollte, würde ein schlechtes Geschäft machen. In derselben Lage befinden sich aber auch Länder, die unter einander ihre Verpflichtungen mit Silber bezahlen wollen; denn eine Mark Silber gilt im Auslande weniger als eine Mark, ihr Werth fällt mit dem Preise des Silbers. Es ist allerdings für den Handel und Wandel äußerst nachtheilig, wenn das Geld, der Werthmesser aller Dinge, selbst derartigen Preisschwankungen unterliegt, und man betrachtete darum die Einführung der Goldwährung als einen wesentlichen Fortschritt.

Er konnte jedoch diejenigen nicht befriedigen, die sich im Besitze großer Mengen von Silber befinden, die Silberbarone, die in ihren amerikanischen Minen alljährlich über 2 Millionen Pfund Silber produciren, und diejenigen Staaten, in deren Kassen sich ungeheure nach Hunderten von Millionen Mark zählende Vorräthe des entwertheten Silbers angehäuft haben. Fur sie ist die Frage von Belang, der Doppelwährung zum Sieg zu verhelfen und dadurch den Preis des Silbers zu steigern, und sie finden eifrige Bundesgenossen in Volkswirthen, welche behaupten, daß das Flüssigmachen des in den Staatskassen nutzlos liegenden Silbers auch auf die Wohlfahrt des Volkes günstigen Einfluß äußern, die Arbeitslöhne erhöhen, die Preise für Nahrungsmittel herabmindern werde.

Die Richtigkeit dieser Behauptung wird stark angefochten, und vor allem würde es ein gefährliches Beginnen sein, wenn ein Staat allein zur Doppelwährung zurückkehren wollte. Ein Spekulant brauchte dann z. B. nur in London das entwerthete Silber aufzukaufen und es in Deutschland in Geld zu verwandeln; es gäbe für ihn kein sichereres und lohnenderes Geschäft, [bei] welchem der Staat und die übrigen Bürger den Verlust zu tragen hätten. Aus diesem Grunde ist selbst in den Staaten, in welchen die Doppelwährung besteht, gegenwärtig die Ausprägung der Silbermünzen eingeschränkt oder auch gänzlich sistirt worden.

Darum schwärmen auch die Anhänger der Doppelwährung für eine Münzkonvention unter den hervorragendsten Kulturländern der Welt, durch welche das Werthverhältniß zwischen Gold und Silber endgültig geregelt werden könnte, welche, wenn nicht für ewige Zeiten, so doch wenigstens für Jahrzehnte bestimmen würde, wie viel Pfund Silber für ein Pfund Gold zu zahlen wären.

Die Wogen des Kampfes zwischen den Mono- und Bimetallisten gehen augenblicklich sehr hoch, und von beiden Seiten werden viele Gründe ins Feld geführt; gewiß wird mit der Zeit eine Klärung der Ansichten eintreten, aber die Kenntniß der positiven Thatsache, der statistischen Daten über die Produktion und den Vorrath an Gold und Silber ist gegenwärtig noch so lückenhaft, daß alle bestimmten Schlußfolgerungen nur mit Vorsicht aufzunehmen sind.

Ueberlassen wir also vorläufig den Volkswirthen und Staatsmännern die Prüfung dieser Frage und hoffen wir, daß ihre Lösung zum allgemeinen Besten führen wird. Sie haben jetzt, verehrte Frau, in allgemeinen Zügen die Tragweite und die Bedeutung des immer weitere Kreise ziehenden Streites erkannt, und damit wäre meine Aufgabe Ihnen gegenüber erfüllt.

Ich will jedoch nicht von Ihnen scheiden, ohne als Optimist Ihnen auf einem anderen Gebiete des Münzwesens eine bessere Zukunft zu verheißen. Neben Realpolitikern treiben bekanntlich in der Welt Idealisten ihr Wesen. Diese gutmüthigen Leute möchten die ganze Menschheit unter das Scepter des ewigen Friedens bringen und suchen unablässig alle engherzigen Kulturschranken wegzuräumen. Man schilt sie Träumer und Phantasten, aber unbewußt folgt ihnen doch die Menschheit. Sie wissen, wie der Zauberer Dampf die Völker einander genähert; Sie sind jetzt Zeugin der intimsten Verbindungen, welche die Magierin Elektricität zwischen Städten und Ländern und Welttheilen knüpft. Im allgemeinen Interesse haben die Völker bereits auf Vieles verzichtet, woran sie früher hartnäckig festhielten. Wir und andere Nationen haben in jüngster Zeit die lieben alten Ellen und Füße, Metzen und Quarte aufgegeben und dafür das metrische Maßsystem angenommen. Glauben Sie nicht, daß mit der Zeit auch in der Geldwirthschaft eine ähnliche Umwandlung sich vollziehen wird? Die Apostel des internationalen Geldes sind schon erschienen. Wozu die Mark, die Franken, die Sterlinge, die Dollars, die Rubel! rufeu sie aus. Schaffen wir ab diese bunte Gesellschaft. Der Handel kennt keine Landesgrenzen, ist längst ein organisches Ganzes, welches den Erdball umschlingt. Laßt uns also auch ein einheitliches Geld für alle Länder und alle Völker schaffen!

Und wie soll dieses Geld beschaffen sein? würden Sie fragen. Sollen wir unsere Münzen opfern und vielleicht die weitverbreiteten Englands adoptiren? Mit Nichten! Wir brechen radikal mit dem Alten und setzen ein Gramm Gold als Münzeinheit ein. Die Grammstücke können in Berlin das deutsche, in Petersburg das russische Wappen erhalten, in Paris mit dem Zeichen der französischen, in Washington mit dem der amerikanischen Republik versehen werden, ihr Werth wird überall der gleiche sein.

Ob wir die Zeit erleben werden, wo wir, nach den böhmischen Bädern reisend, keine Umrechnung der Mark in Gulden nöthig haben werden, wo Ihnen der Miether den obenerwähnten Hauszins mit rund 1792 Gramm fein Gold wird entrichten müssen? Trotz allem mir angeborenen Optimismus zweifle ich selbst daran, möchte aber unsern Enkeln diese Errungenschaft von Herzen wünschen. Zeit ist Geld, und die Aufhebung der Umrechnungen der Mark in Franken, Dollars etc. ist Zeitersparniß und somit Geldgewinn. Jüngst sprach ich darüber mit Ihrem Neffen von der Handelsschule, er war begeistert für diese Idee und pries glücklich die kommenden Geschlechter der Handelslehrlinge, die ihr Gedächtniß mit der lästigen Gesellschaft von Franken, Rubeln, Dollars etc. nicht mehr beschweren werden. Doch Zeit ist Geld, verehrte Frau, das Sprichwort habe ich zu guter Stunde heraufbeschworen. Es mahnt mich daran, diesen Brief zu schließen in der Hoffnung, durch den Exkurs in die Domaine der Ziffern und Zachlen Ihre Geduld nicht auf zu harte Probe gestellt zu haben.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_264.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2021)