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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Füße statt auf die Erde auf einen Stuhl zu stellen, – ich fürchte, er ist ein englischer Schneider; Baron Pölz, der vor seiner Nobilitirung Pelz hieß und Lichte fabricirte; die Gräfin Scultizka, deren Güter zwar im Monde liegen, die aber doch im theuern Kurhaus wohnt; und diese – wie heißen sie doch?“ – Sie blinzelte den Namen Paloty an, ohne ihn auszusprechen, und legte das Verzeichniß aus der Hand. „Ja, ja! Die unternehmendsten Herren, die elegantesten Damen – nur schade, daß ich alte einfache Frau nicht unter sie passe.“

„Das käme auf die Probe an,“ redete Heino mit bebenden Lippen zu. „Und Hedwig würde sich gewiß amüsiren. Ravensburgk meint auch, sie müsse in der Zurückgezogenheit, in der Ihr lebt, sich entsetzlich langweilen.“ Sein Blick forderte Hedwig auf, ihm zu Hilfe zu kommen.

Aber diese sagte gar nichts, sondern häkelte mit größter Gelassenheit weiter.

Und seine Mutter entgegnete würdevoll: „Ein junges Mädchen muß es lernen, sich mit Anstand zu langweilen.“

„Nun,“ brach er unmuthig aus, „da ich kein junges Mädchen bin, wirst Du mich wenigstens von diesem Lehrgegenstand dispensiren müssen. Ich bedarf der Anregung zu meiner Dichtung. In Deinem eng begrenzten Kreis aber könnte ich höchstens Stimmungen zu einer Idylle sammeln. Ich danke es meinem guten Genius, der mich hierher geführt hat, um mich einen reizenden Stoff und ein Modell finden zu lassen, das mich zum Schaffen begeistert. Und ich gedenke auch das Glück auszunützen.“

„Mein Gott!“ seufzte seine Mutter ganz eingeschüchtert. „Daran kann Dich Niemand hindern. Nur sei vorsichtig. Es wäre doch fatal, wenn diese etwas problematischen Damen daran Konsequenzen knüpften, vielleicht den Winter in der Residenz zubringen und durch uns in die Gesellschaft eingeführt sein wollten.“

Heino lächelte. „Dazu könnte sich unsere Residenz nur gratuliren. Eine so glänzende Erscheinung wie Fräulein Paloty ist dort noch nie aufgetreten.“

„Willst Du nicht eine Tasse Kaffee mit uns nehmen?“ fragte seine Mutier abbrechend.

„Ich danke sehr,“ entgegnete Heino. „Ich habe noch zu viel mit Vorbereitungen zu unserem Ausflug zu thun.“ Und er verließ mit einer förmlichen Verbeugung das Zelt.

Eine Weile wirkte der verstimmende Eindruck, den die Auseinandersetzung mit seiner Mutter auf ihn gemacht hatte, nach. Dann nahmen ihn die unzähligen Geschäfte, welche gesellschaftliche Arrangements mit sich bringen, in Anspruch.

Und Alles war vergessen, als er am Nachmittag auf einem hübschen Fuchs, dem besten Pferd des Verleihers, am Stelldichein sich einfand, um die Ankommenden zu begrüßen, den Zug zu ordnen.

(Fortsetzung folgt.)




Einsamkeit.

Von0 Hermann Lingg.

Leuchtend um Berg und Thal gelegt
Schimmert der Mittagssonnenschein,
Ruhig blick’ ich und tiefbewegt
In die schlummernde Welt hinein,
Alles ist still in Flur und Hain,
  Ich bin allein.

Alles, was mich hier umgiebt,
Hat so selige Friedensmacht
Wie ein Herz, das innig liebt.
Hat auch Eines an mich gedacht?

Wär’ ich einsam hier mit Dir,
Das erst wäre vollkomm’nes Glück!
Aus den Blumen und Felsen hier
Fänden wir nimmer den Weg zurück!

Wie sich Fern an Ferne dehnt
Bis in den blauen Himmel hinein!
Ach, und was mein Herz ersehnt,
Wird es niemals wieder mein?
Träume, wie wiegt ihr mich ein! –
  Ich bin allein.



Vom Nordpol bis zum Aequator.

Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm.
2.0 Bilder aus dem Affenleben.
III.0 Ueberlegtes Handeln der Hundsaffen.

Als ich im Bogoslande reiste, stieß ich beim ersten Ritt ins Gebirge auf eine zahlreiche Herde derselben Mantelpaviane, deren Scheich Kemal el Din Demiri in seiner Erzählung gedenkt. Sie saßen, ihr wallendes Haarkleid im Strahle der Sonne trocknend, malerisch auf den obersten Zacken einer Felsenwand, wurden von mir mit Büchsenkugeln begrüßt, traten deßhalb einen geordneten Rückzug an und flüchteten. Meinen Weg in dem engen und vielfach gewundenen Felsenthale von Meesa fortsetzend, traf ich geraume Zeit später wiederum mit ihnen zusammen und zwar im Thale selbst, gerade, als sie sich anschickten, dasselbe zu überschreiten, um in dem Gefelse der anderen Seite gegen ähnliche unliebsame Störungen Schutz zu suchen.

Ein erheblicher Theil der Bande hatte seinen Uebergang bereits bewerkstelligt; der größere Theil stand im Begriffe, dies zu thun. Unsere Hunde, schöne schlanke Windspiele, gewohnt, Hyänen und andere Raubthiere erfolgreich zu bekämpfen, stürzten sich auf die Paviane, welche, von fern gesehen, eher Raubthieren als Affen glichen, und trieben sie schleunigst rechts und links an den Felsenwänden empor. Aber nur die Weibchen flüchteten: die Männchen warfen sich sofort den Hunden entgegen, bildeten einen Kreis um sie, brüllten, schlugen ingrimmig mit den Händen gegen den Boden, rissen die zähnestarrenden Mäuler weit auf und blickten ihre Gegner so wüthend und boshaft an, daß die sonst sehr muthigen, kampfgestählten Thiere verdutzt zurückprallten und fast ängstlich bei uns Schutz suchten. Bevor es uns gelang, sie wieder zum Kampfe anzufeuern, hatte sich die Lage der Affen wesentlich verändert; denn als die Hunde von Neuem gegen sie anstürmten, befand sich beinah die ganze Herde in Sicherheit. Ein noch zurückgebliebenes, etwa halbjähriges Junge kreischte, als es die Hunde auf sich zueilen sah, laut auf, erreichte jedoch noch vor ihnen einen Felsblock und suchte auf ihm Zuflucht und Rettung, unsere Hunde stellten es kunstgerecht, schnitten ihm dadurch den Weg zur Flucht ab und erweckten in uns die Hoffnung, es einfangen zu können. Doch es sollte anders kommen. Stolz und würdevoll, ohne sich im Geringsten zu beeilen und ohne uns zu beachten, schritt ein uraltes Männchen, vom sicheren Felsen zurückkehrend, auf das bedrängte Junge zu, trat, ohne irgendwie Furcht zu verrathen, den Hunden entgegen, hielt sie durch Blicke, Geberden und allseitig verständliche Laute in Achtung, erstieg langsam den Felsblock, nahm das bedrohte Affenkind an seine Brust und trat, bevor wir selbst zur Stelle sein konnten, mit ihm den Rückweg an, ohne daß die ersichtlich verblüfften Hunde wagten, diesen ihm zu verlegen. Während dieser muthigen That der Selbstaufopferung des Stammvaters wurden in dem dichten Gestrüpp auf der Felswand, welcher die Affen sich zugewendet hatten, Töne laut, wie ich sie bis dahin von Pavianen niemals vernommen. Alt und Jung, Männchen und Weibchen brüllten, kreischten, knurrten, brummten und bellten durch einander, daß man hätte glauben können, sie seien mit Leoparden oder sonstigen gefährlichen Raubthieren in Kampf gerathen. Es war, wie ich später erkennen sollte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_280.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)