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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

haben die Danziger ihre Sommerfrischen, ihre Landhäuser und „Höfe“ erbaut, aus deren Gärten man weit über die Meeresbucht blickt bis zu der Halbinsel Hela hinüber, die auf der äußersten Spitze einer schmalen Landzunge ein altgothisches Kirchlein und einen schlanken Leuchtthurm trägt. Weiter öffnen sich größere Thalgründe, in denen muntere Forellenbächlein durch Wald, Wiesen und Gärten abwärts rinnen zur nahen See.

Danzig und Umgebung.

An der Mündung des größten dieser Thalgelände liegt Kloster Oliva, eine der ältesten Kulturstätten der baltischen Lande. Schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts haben Cisterciensermönche dieses Kloster gegründet, um unter dem Schutze der slavischen Herzöge, die in den Burgen des Landes saßen, für Ausbreitung des Christenthums zu wirken. Jene ältesten Landesfürsten haben Oliva mit ausgedehntem Landbesitze ausgestattet, aber erst unter der Herrschaft des deutschen Ordens gelangte Kloster Oliva zur Blüthe. Da entstanden denn um die Mitte des 14. Jahrhunderts eine prachtvolle Kirche, weite Klosterhallen mit Remter, Refektorium, Dormitorien, die in ihren Haupttheilen bis heute erhalten sind. Vieles ward seitdem zerstört, wieder aufgebaut, restaurirt; nun sieht man über dem alten Gemäuer spätere Ergänzungen aus den folgenden Jahrhunderten, denen auch Danzig seine Verschönerung dankt. An den Fuß der bewaldeten Hügelzüge geschmiegt, blicken die Thürme der Kirche, die langen Dächer der Klosterhallen aus dichtem Zaune hervor. Oliva ist ein sehr beliebtes Ziel kurzer sommerlicher Ausflüge. Hier lauscht man dem Spiele der mächtigen Orgel, einer der vorzüglichsten im Lande, läßt sich den Saal aufschließen, in welchem 1660 der Friede abgeschlossen wurde, in welchem die Souveränetät des Herzogthums Preußen anerkannt und damit der Grund zur späteren preußischen Monarchie gelegt worden ist. Lebendiger als an irgend einer anderen Stätte werden in uns hier die Erinnerungen wach an jene Zeiten, da vor Danzigs Thoren die feindlichen Heere standen, Schweden, Polen und Russen und zuletzt die Franzosen die Stadt stürmten – Erinnerungen, die unser Künstler in so charakteristischer Weise durch das Reiterbild in der Anfangsvignette dieses Artikels wiederzugeben wußte.

Das letzte Ziel unserer Fahrt bildet Zoppot. Alle Einzelheiten der herrlichen Strandlandschaft finden wir in anderer Anordnung wieder in diesem Bade-Orte. Da steht das Vorgebirge von Adlershorst am Abschlusse der Bucht, da schwingen die Uferlinien nach beiden Richtungen in schönen Bogen aus, und die bewaldeten Höhen treten bis nahe an das Gestade heran, zu aussichtsreichen Spaziergängen einladend. Aus dem bescheidenen Fischerdorfe ist Zoppot durch die Gunst der Lage und die bequeme Bahnverbindung zu einem stark besuchten Seebade herangewachsen, und lange Vergnügungszüge führen an jedem schönen Sommernachmittage endlose Scharen von Städtern hinaus, die hier ein Bad nehmen, Wanderungen in die Bergreviere machen oder sich in ruhigem Behagen der unmittelbaren Nähe der See mit ihren wechselnden Lichtreflexen, ihren zarten Farbenspielen freuen. Seine größte Anziehungskraft erhält Danzig erst durch die Fülle landschaftlicher Schönheiten, durch das Meer und die weitgedehnten Waldberge, aus deren Schoß die Spiegel kleiner Landseen hervorleuchten. Nur wer diese gesehen, kennt Danzig wirklich.




Erinnerungen an den Dichter des „Ekkehard“.

Eine schwere Trauerkunde zieht durch Deutschland: nach entsetztlichen Leiden starb zu Karlsruhe am 9. April Joseph Viktor von Scheffel, der Besten und – der Letzten Einer. Es wird gewaltig öde auf dem deutschen Parnaß, und nur wenige Häupter ragen in die stolze Höhe, wo ein großer Theil der Jetztlebenden noch in der Jugendzeit Rückert, Lenau, Uhland, Freiligrath, Heine, Geibel, Mörike stehen sah. Die letzten dreißig Jahre haben furchtbar aufgeräumt, wir sind arm geworden und klammern uns deßhalb mit größerer Innigkeit an die Wenigen, die uns bleiben. Deßhalb aber trifft auch jeder Verlust doppelt tief, vor Allem, wenn er außer dem gefeierten Dichter auch noch den lieben Freund wegnimmt, der in langen Jahren dem eigenen Leben ein treuer und theilnahmvoller Begleiter war. Es ist eine tieftraurige Empfindung, mit welcher der alternde Mensch die Genossen seiner Jugend scheiden sieht; aber über Eines wenigstens hat der Tod keine Macht: über die Erinnerung, welche im Flug über dreißig Jahre zurückträgt und die müde und resignirt aus dem Leben Gegangenen wieder jung, lebensfroh und glücklich zeigt ...

Gerade dreißig Jahre sind es her, daß in ein heiteres Landhaus zu Weinheim an der Bergstraße zwei junge Besucher eintraten. Der Aeltere, ein ernsthafter Gelehrter von damals schon

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_314.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)