Seite:Die Gartenlaube (1886) 368.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


wollte und auf keiner Karte verzeichnet ist. In der That zieht es sich 20 bis 25 Seemeilen bis fast zur Laignel-Insel herab und bildet somit die Ostgrenze der Lusancay-Lagune, nach Findlay der größten Lagune der Welt, da sie sich über drei Längen- und einundeinviertel Breitengrade erstreckt.

Durch dieses Riff war unser Weg nach Süd vorgeschrieben; wir dampften den d'Entrecasteaux-Inseln zu, deren an 6000 bis 7000 Fuß hohe Berge wir schon von Trobriand aus bei unter gebender Sonne in magischem Licht gesehen hatten. Die nach ihrem Entdecker benannte Gruppe wurde erst durch Moresby genauer bestimmt und besteht aus drei ansehnlichen Inseln: Goodenough, Fergusson und Normanby. Längs der noch wenig bekannten Nordküste dieser Insel steuernd fanden wir hier eine hübsche Bucht, die wir „Weihnachtsbucht“ benannten. War es doch bei unserer Ankunft der Tag, an welchem daheim sich Millionen anschickten das liebe Christfest zu feiern. Uns war kein Weitmachtsbaum beschert, keine Feier bereitet! Und dennoch! als die Sonne hinter den Bergen verschwand, als die eigenthümlichen grünlichen, bläulichen und röthlichen Tinten des Zodiakallichtes allmählich in das tiefe Schwarz der Nacht verflossen, da begann auch unsere heilige Nacht! Das Firmament hatte seine Millionen Lichterchen angezündet, Sterne und Sternchen flimmerten; vor Allem bemerkbar der Orion und der liebe Gefährte des südlichen Sternenhimmels, das südliche Kreuz! Kein feierlicher Glockenton rief zur Mette; nur das Zirpen der Cikaden, das Klappern eines kleinen Frosches, das rauhe Gequieke der fliegenden Hunde tönte vom Ufer herüber, bekannte Laute, die unsere Gedanken nicht abzulenken vermochten. Wo dieselben weilten, ist wohl unschwer zu errathen! Weit, weit weg vom südlichen Kreuz, von den Kokospalmen, vom Gekreisch der fliegenden Hunde, da, wo man an diesem Abende in trautem Kreise am warmen Ofen sitzt und sich des lieben Christfestes freut, während draußen die Schneeflocken herabwirbeln. Dort weilte Jeder mit seinen Gedanken still für sich – und als die letzte Pfeife verglommen war, suchte Jeder sein Lager, um auszuruhen von den Mühen und der Hitze des Tages! Das war unser Christfest in den Tropen! Für uns gab es keine Feier, kein Feiern! Aber die Mannschaft durfte sich Etwas anthun, und wohl zum ersten Male hörten die alten Kokospalmen die „Wacht am Rhein“ und andere deutsche Weisen.

Häuser in der Weihnachtsbucht, Normanby-Inseln.

Wenn auch nicht gerade Ueberraschungen, so bot die Weihnachtsbucht doch manches Neue, namentlich in ethnologischer Beziehung, denn in der That beginnt mit den d'Entrecasteaux-Inseln eine durch mehrere Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete ethnologische Provinz. Zu diesen Eigenthümlichkeiten gehören hauptsächlich die besondere Form der Steinäxte, gewisser Schmucksachen, bei denen Scheibchen aus rother Spondylusmuschel zuerst wieder ein hervorragendes und werthvolles Material bilden, die sehr eigenthümlichen und schwungvollen Muster der Ornamentik in Holzschnitzereien und anderen Gerätschaften, nicht minder die besondere Bauart der Häuser und Canus. Von Beiden werden unsere Illustrationen ein besseres Bild geben als jede Beschreibung. – Charakteristisch gerade für die Weihnachtsbucht sind die kleinen, gefälligen, einsitzigen Canus, gleichsam Wasser Einspänner, in der Bauart sehr vervollkommnete Fahrzeuge und gleichsam Miniaturausgaben der in diesem Gebiet üblichen großen Canus, mit denen die Eingeborenen beträchtlich weite Handelsreisen unternehmen. Eiserne Beile und andere europäische Erzeugnisse fanden wir reichlich bei den Eingeborenen vertreten.

Es hatten also bereits Schiffe hier verkehrt. Wie uns das anfänglich außerordentlich scheue Betragen der Eingeborenen zeigte, waren es Arbeiterschiffe gewesen, welche die erste zweifelhafte Civilisation hierher gebracht hatten, Vorläufer, die für Nachkommende oft verhängnißvoll werden können. Aber wir machten uns bald mit den Eingeborenen vertraut, kletterten mit ihnen über Berg und Thal, wobei, wie immer, die leichtfüßige Jugend unser Führer war.

Im Großen und Ganzen sind die d'Entrecasteaux gebirgige Inseln, die sich, trotz schönen und fruchtbaren Bodens, weniger für Ansiedelungg von Europäern eignen dürften. Desto mehr aber für die Eingeborenen, welche echte Gebirgsbewohner zu sein

scheinen und es, wie stets, lieben, sich an den steilsten Abhängen anzusiedeln. In der That haben wir, außer in der Weihnachtsbucht und längs der Ostküste von Normanby, wenig und meist nur kleine Küstendörfer gesehen, während an den Hängen der Berge, oft hoch hinauf, grüne und braune Kulturflecke, Plantagen der Eingeborenen, schon von Weitem kenntlich sind. Solche kultivirte Strecken finden sich namentlich an der Südküste der Insel Fergusson, die einen gar lieblichen Eindruck macht. Allenthalben erblickt das Auge eingezäunte Felder, zu denen Pfade fuhren, hier und da hübsche Häuser, und man könnte sich in einen gut bebauten Distrikt der Heimath versetzt fühlen, mahnten nicht Kokospalmenhaine, zuweilen in mehr als 1000 Fuß Hohe, daß wir uns in den

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_368.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)